Wir bleiben eine Nacht in der Bucht Ormos Schoinos und fahren am Freitagmorgen nach Vathi. Einen Ort namens Vathi hatten wir ja schon auf der Insel Meganision, aber das hier ist Vathi auf Ithaka, der Insel, die einst das Reich des sagenhaften Königs und Helden Odysseus war.
Vathi ist seit dem 16. Jahrhundert die Inselhauptstadt. Wie die Zuschauer in einem riesigen Amphitheater blicken die bunten, hübschen Häuser von den steilen Hängen hinunter auf die ankernden Schiffe in diesen wunderschönen Naturhafen.
Blick von der Nordinsel auf die Ankerbucht Ormos Schoinos (links) und den Naturhafen Vathi (rechts).
Zuerst steuern wir die Tankstelle an. Hier füllen wir den Tank mit Diesel auf, machen den Kanister für unseren Außenborder voll und können sogar Wasser nachtanken. Den großen Beutel Müll nimmt uns der Tankwart auch noch ab, dann heißt es aber: Schnell weg! Denn die Yachten stehen schon Schlange an dieser Bunkerstation. In diesem Teil der Ionischen Inseln gibt es selten Möglichkeiten zum Tanken von Treibstoff und Wasser.
Nun drehen wir eine Runde durch das Hafenbecken, wo es an der Mauer rundum auch Möglichkeiten zum Festmachen gibt. Es gibt allerdings keine Mooringleinen, so dass man meist in gebührendem Abstand zur Mauer den Buganker fallen lässt, dann rückwärts an die Mauer fährt und mit zwei Leinen das Heck an den Ringen an der Mauer befestigt.
Leider können wir wegen unserer Selbsteueranlage am Heck nicht rückwärts anlegen, weil wir dort kaum aussteigen können. Wir müssten also den Heckanker fallen lassen, was wir bisher vermieden haben, denn mangels elektrischer Ankerwinsch müssen Kette und Leine später von Hand eingeholt werden. Auch wenn dies sicher der Fitness dienen würde, ist es doch sehr mühsam und geht notgedrungen auch langsam, so dass wir dieses Manöver so lange wie möglich umgehen.
Statt dessen legen wir uns vor Anker wie es bereits viele andere Yachten getan haben. Mit dem Schlauchboot ist es nicht weit an Land, man kann an Treppen in der Mauer bequem aussteigen und das Boot dort an Ringen festlegen. Nur ein paar Schritte, und wir sind beim ersten Supermarkt. Auch alle anderen Geschäfte (Frisör, Wäscherei, Schiffsausrüster, Tavernen, Cafes, Autovermieter) befinden sich entlang der Hafenpromenade oder in der zweiten Reihe dahinter.
Natürlich kostet das Ankern keinen Cent und man hat genügend Abstand zur Straße und zu neugierigen Fußgängern. Auch ungebetene Gäste, z.B. vierbeinige Nager, können sich so kaum auf´s Schiff schmuggeln. Einziger Nachteil: Wir haben keinen Landstrom. Also muss der Motor von Zeit zu Zeit angeschmissen werden, damit die Batterien und auch der Computer und das Smartphone wieder geladen werden.
Nachmittags kommt der übliche Wind auf. Mit Böen von fünf Bft saust er von den Bergen rundum herab. Das Bootsballett beginnt!
Nach einem Tag und einer Nacht sind wir sicher, dass unser Anker sitzt und bestellen einen Fiat Punto bei der nächstgelegenen Autovermietung. Am nächsten Morgen starten wir eine Rundreise über die Insel. Das Motto: Auf den Spuren des Odysseus.
Den Berg Aetos auf der Landenge hatten wir bei unserer Fahrt nach Ormos Schoinos schon vom Wasser aus gesehen. Nun fahren wir hinter Vathi von der Hauptstraße links ab in Richtung Gipfel. An einer kleinen Kirche steigen wir aus und finden den Hinweis zu der archäologischen Stätte „Alalkomenes„, doch die müssten wir in der Mittagshitze erwandern und die abgebildeten Mauerreste scheinen uns diese Anstrengung nicht wert zu sein.
Doch in das Kirchlein gehen wir hinein. Der Schlüssel steckt von außen auf der Tür, so dass wir den Innenraum besichtigen können. Für eine kleine Spende nehme ich eine Kerze mit, denn hier kann ich sie mangels Streichhölzern nicht entzünden. Wäre ja auch viel zu gefährlich, sie hier in der Einsamkeit unbewacht zurückzulassen. An Bord werde ich sie am Abend zum Gedenken an meine Mutter, die heute Geburtstag hätte, anzünden.
Das Kirchlein am Aetos, wo einst ein Tempel oder Schrein gestanden haben könnte.
Die Straße führt nun wieder bergab und bietet fantastische Ausblicke über Ithaka und die benachbarte Insel Kefalonia. Die größte der Ionischen Inseln ist nur durch eine schmale Wasserstraße von Ithaka getrennt.
Die Straße endet im Ormos Piso Aetos an einem Minihafen mit Fähranleger.Von hier aus fährt die Fähre nach Sami auf Kefalonia und nach Astakos auf dem Festland.
Jetzt ist hier alles wie ausgestorben. Nur eine alte Dame wartet in ihrem Verkaufswagen auf Kundschaft. Bei der Hitze ist uns ein kaltes Getränk sehr willkommen, dann setzen wir unsere Fahrt fort, indem wir den gleichen Weg zurückfahren und an der Hauptstraße nach links zur Nordinsel abzweigen. Hinter dem schmalen „Rückrat“ zwischen den Inselteilen verzweigt sich die Straße. Wir biegen rechts ab und schrauben uns die Berge hoch bis zum Kloster Kathariotissa auf dem Berg Neritos, der schon von Homer erwähnt wurde.
Im Jahre 1696 wurde dieses Kloster gegründet, seine Ursprünge liegen jedoch in der Zeit, als griechische Schafhirten auf der Flucht vor den türkischen Eroberern (1453-1830) nach Ithaka kamen. Sie ließen sich in dem Gebiet Mazos gegenüber des Klosters nieder und waren sehr traurig, dass sie in der Eile ein wundertätiges Bild der Jungfrau Maria in ihrer Heimat zurückgelassen hatten. Eines nachts erblickten sie ein sehr helles Licht. Es kam von der Stelle, wo heute das Kloster steht. Sie bahnten sich per Brandrodung einen Weg („kath´arisan“ = säubern) und fanden am Ende ihr wundertätiges Bild unbeschädigt vom Feuer, für das sie dort eine kleine Kirche errichteten.
Heute ist das Kloster der Stolz aller Ithaker in der ganzen Welt, wo sie traditionell ihren Lebensunterhalt in der Handelsschiffahrt verdienen. Viele wanderten auch nach Südafrika und Australien aus, kehren aber früher oder später wieder nach Hause zurück, und sei es auch nur, um am 8. September das Marienfest in diesem Kloster mitzufeiern.
Um das Kloster herum meckern auch heute noch die Ziegen und Hirten löffeln im Schatten der Olivenbäume ihren Joghurt. Wir bestaunen den wunderbaren Ausblick auf Kefalonia und auf den Süden von Ithaka.
Ziegen im Schatten der Olivenbäume. Im Hintergrund Kefalonia.
Unser nächster Stopp ist in Anogi, dem höchst gelegenen Dorf der Insel. Auch hier steht im Mittelpunkt eine Kirche, die der Jungfrau Maria geweiht ist. Sie stammt aus der Byzantinischen Epoche und ist mit bunten Fresken aus dem 12. Jahrhundert ausgestattet.
Fresken
Aus den sechziger Jahren ist die Innenausstattung des kleinen Dorfladens mit Cafe´, in dem man den Schlüssel für die Kirchentür bekommt.
Dorfladen und Cafe´: Alles liebevoll erhalten.
Hier trinken wir eine erfrischende, selbstgemachte Zitronenlimonade mit einer Einlage aus wilder Minze und ich esse den leckersten Zitronenkuchen meines Lebens.
Gaumenfreude
Dann verlassen wir das verschlafene Dörfchen, in dem es scheint, als sei die Zeit stehengeblieben und fahren nach Stavros. Hier besichtigen wir die Kirche und finden gegenüber große Schaubilder zur Irrfahrt des Odysseus, zu wichtigen Orten seines Reiches auf Ithaka und ein Modell seines Palastes.
So könnte der Palast König Odysseus ausgesehen haben.
Vier Kilometer hinter dem Hauptort der Nordinsel wollen wir die Reste dieses Palastes besichtigen und finden auch ein entsprechendes Hinweisschild. Hier, in Pilicata, der Schule des Homer, soll dieser Palast gestanden haben.
Wir biegen auf den Schotterweg ab, obwohl das vom Autoverleih nicht gestattet ist. Aber es sollen ja nur 750 m bis zur Ausgrabungsstätte sein.
Wir tasten uns vorsichtig weiter. Der Weg wird immer enger und schließlich auch so abschüssig, dass wir die letzte Chance zum Wenden ergreifen und zurück auf die Asphaltstraße fahren. In Italien wäre an solch einer Stelle ein Parkplatz, ein Ticketschalter und mindestens ein Restaurant platziert gewesen. Hier ist außer dem braunen Schild kein Mensch.
Wir sind etwas enttäuscht, aber immerhin haben wir durch das Modell eine Vorstellung vom Zuhause des Helden gewonnen und viele der Orte seiner Irrfahrt haben auch wir auf unserem Weg nach Ithaka gestreift.
Schautafel: Die Irrfahrten des Odysseus. Aufgabe an den Leser: Finde heraus, an welchen dieser Orte auch die Anima mea war!
In Stavros machen wir dann noch einen Abstecher hinunter zur Polis-Bucht, wo früher das antike Polis stand. Aber auch hier finden sich keine Spuren mehr und auch „Nymphens Höhle“ können wir nicht entdecken. Dafür liegen hier jede Menge „Wassernymphen“ am schönen Kieselstrand.
Polis-Bucht
Damit wir bei der Überfahrt mit dem Schlauchboot nicht nass gespritzt werden, wollen wir pünktlich vor dem erwarteten Einsetzen des Nachmittagwindes wieder an Bord sein. Also beeilen wir uns mit der Rückfahrt und geben das Auto gegen 15 Uhr wieder wohlbehalten ab. Dann springen wir ins Schlauchboot und schippern zur Anima mea. Wir sind sehr zufrieden mit unserem schönen Ausflug und warten jetzt auf den Wind. Aber der schlägt uns heute ein Schnippchen! Kein Lüftchen regt sich und es ist heiß und stickig. Wie schön war es doch, im klimatisierten Auto durch die Gegend zu fahren!
Aber das war wohl die Ruhe vor dem Sturm. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag soll es Gewitter geben. Das heißt: Wir können unsere Odyssee erst am Wochenende fortsetzen.
„Aufgabe an den Leser: Finde heraus, an welchen dieser Orte auch die Anima mea war!“
Ich würde sagen: Bis auf Nordafrika und die Orte an bzw. vor der türkischen Küste ward ihr an allen Orten.
Hab ich jetzt ’nen Preis gewonnen? 😉😉😉
LG WoMolix
Bravo! Bei einer alten Lehrerin gibt es keine Preise sondern eine Eins mit Sternchen!!! Und noch ein Sonderlob für die Verlinkung bei euren tollen Rombeiträgen.
Liebe Grüße
Christine