22.10.2016 – Zum Nabel der Welt

wandern wir von der Keimzelle Roms auf den Palatin hinunter zum Forum Romanum.

Dort erstreckt sich im 7. Jahrh. vor Christus zwischen dem Monte Palatino und dem Monte Capitolino eine sumpfige Ebene. Zunächst werden hier die Toten begraben. Doch 600 vor Christus beginnt der römische König Lucius Tarquinius Priscus mit dem Bau der Cloaca Maxima. Seine Nachfolger setzen die Arbeit an dem Entwässerungssystem fort, und am Ende des 6. Jahrh. stehen hier das Haus bzw. der Regierungssitz des Königs Numa sowie der Vesta-Tempel.1-img_3981

Am Fuße des Palatins wurden Vesta-Tempel und Regia (Regierungssitz) gebaut.

Nach der Königszeit wird 509 v. Chr. die Römische Republik ausgerufen. Ein zweiter Platz wird angelegt: Das Comitium ist nun der Ort der römischen gesetzgebenden Volksversammlung. Hier findet sich die öffentliche Rednerbühne (die Rostra) und die Curia (der Senatssitz). Auch Tempel und verschiedene Wirtschaftsgebäude – z.B. die Basilica Aemilia (179 v. Chr.) kommen hinzu. Unter Caesar wird ein neues Pflaster verlegt. Darin befinden sich Zugänge zu einem unterirdischen Gangsystem, das zur Nutzung der Gladiatorenkämpfe gebaut wurde. Die Kämpfe fanden unter freiem Himmel auf dem Forum statt. Später entstand für solche Veranstaltungen ein Amphitheater.

Während der Kaiserzeit gestaltet Augustus mit Marmor und Travertin das Forum zu einem prunkvollen Platz. Dort werden keine Spiele mehr aufgeführt, denn das ist der Würde des Platzes nicht angemessen. Auch Alltagskleidung ist tabu! Betreten darf man das Forum nur noch in der weißen Toga. Neue, prachtvolle Bauwerke sollen der Selbstdarstellung des Kaisers dienen, so z.B. der Tempel des Divus Julius und zwei Triumphbögen. Sein Adoptivsohn und Nachfolger, Kaiser Tiberius, errichtet noch einen eigenen Bogen. Die nachfolgenden Kaiser veranstalten auf dem Forum immer prächtigere religiöse Zeremonien, ab Caesar errichten einige Herrscher weitere „Kaiserforen“ (z.B. Caesar-, Augustus-, Nerva- u. Trajansforum). In Abgrenzung zu diesen Foren wird jetzt der Begriff „FORUM ROMANUM“ benutzt.

Zu Ehren des Kaisers Septimius Severus und seiner Söhne Caracalla und Gaeta wird 203 ein Triumphbogen mit drei Durchgängen errichtet. Caracalla lässt den Namen seines Bruders entfernen, als dieser von ihm ins Jenseits befördert wird. Später degradiert Konstantin der Große diesen Bogen zum  Hintergrund für sein monumentales Reiterstandbild und die Reiterstatue für seinen Sohn. Als letztes antikes Bauwerk auf dem Forum Romanum wird im Jahre 608 die Ehrensäule für den oströmischen Kaiser Phokas aufgestellt.2-img_3907

 Oben am rechten Bildrand: Die Basilica Aemilia, links daneben das rote Gebäude: Curia, links davon: Der Triumphbogen des Septimius Severus. Vor dem Triumphbogen: Die Rostra. Ganz hinten: Die Säulen des Dioskurentempels. Im Bereich zwischen Triumphbogen und Tempel:

Der Nabel Roms/umbilicus urbis. Er symbolisierte das Zentrum des römischen Weltreichs!

Vorne rechts: Der Rundtempel der Vesta. Dahinter: Die Regia

Auch im Mittelalter ist das Forum Romanum noch immer das Zentrum der Ewigen Stadt. Die letzte Volksversammlung findet dort 768 nach Chr. statt. Einige antike Gebäude werden jetzt in Kirchen umgewandelt, wie z.B. der Tempel des Antoninus Pius und seiner von ihm vergötterten Frau Faustina.3-img_3893

Blick von der Via Sacra auf den Tempel des A. Pius und seiner Frau Faustina (141 n. Chr.), im Mittelalter zu einer Kirche umgewandelt.

Das rettet dieses Bauwerk in gewisser Weise vor der Zerstörung, denn immer häufiger wird an den Gebäuden Raubbau betrieben, um Baumaterial zu gewinnen. Als die Normannen 1084 Rom überfallen, werden weitere Zerstörungen im Forum Romanum angerichtet. Es verfällt mehr und mehr. Schließlich werden neue Wohnungen mit Gärten darauf errichtet. Der Rest wird verschüttet, darüber entsteht eine  Weidefläche für die Kühe.

Nachdem das Papsttum 1367 aus Avignon nach Rom zurückkehrt, sind umfangreiche Bauvorhaben erforderlich. Aus dem Forum Roman holt man das notwendige Baumaterial, teilweise sogar für den neuen Petersdom!

1871 wird Rom die Hauptstadt des italienischen Staates. Die ersten Ausgrabungen des Schweden Carl Frederik von Fredenheim aus dem Jahre 1788 werden jetzt fortgesetzt. 1905 ist fast alles, was heute öffentlich zugänglich ist, archäologisch erschlossen.

Wir verlassen das Forum Romanum durch den Titusbogen. Er wurde im 1. Jahrhundert nach Christus errichtet und glorifiziert den Judäischen Krieg. 70 n. Chr. wurde der Tempel in Jerusalem zerstört und die Heiligtümer, z. B. der siebenarmige Leuchter und die Bundeslage als Beute nach Rom gebracht.4-img_3924

Der Titusbogen5-img_3923

Im Bogen eingemeißelt: Der siebenarmige Leuchter

Dahinter liegt das Wahrzeichen Roms: Das Kolosseum.6-img_3925

Eine Weissagung aus dem 9. Jh.:

Solange das Kolosseum steht, solange steht Rom. Wenn das Kolosseum fällt, dann fällt auch Rom.

Kaiser Vespasian ließ es ab 72 n. Chr. von rund 40 000 Sklaven erbauen, sein Sohn Titus weihte das größte Amphitheater der römischen Welt ein. 100 Tage dauerten die Festspiele, bei denen das Volk durch „Brot und Spiele“ bei Laune gehalten wurde. Jeder weiß, dass es sich um sehr blutige Spiele handelte, bei denen wilde Tiere und Menschen unter dem Jubel von bis zu 50 000 Zuschauern aufeinandergehetzt wurden. Auf der Haupttribüne nahmen der Kaiser mit seiner Familie, die Vestalinnen und die Konsuln Platz. Je nach „Rang und Namen“ füllten die übrigen Zuschauer in ihren weißen Togen die Plätze darüber. Waren die Vorführungen nicht aufregend genug, ritzte manch gelangweilter Zuschauer „Grafitis“ in die Mauern. Auch wurde der Nachbar gern zu einem Würfelspielchen eingeladen oder ein Picknick veranstaltet.7-img_3926

Die Ränge. Im Gegensatz zu heute war damals der Eintritt frei. Die Besucher erhielten Eintrittsmarken, mit denen sie durch die 76 nummerierten Eingänge schnell zu ihrem Platz gelangten.8-img_3931

Die nachempfundene Haupttribüne. Der Boden des Kolosseums fehlt und gibt den Blick frei auf die „Unterwelt“, in der die Tiere und Gladiatoren vor und nach dem Kampf „untergebracht“ waren. In Aufzügen wurden die Käfige mit den Tieren nach oben in die Arena befördert und mittels einer ausgeklügelten Technik geöffnet.9-img_3930

 Im Kolosseum sollen auch Christen gemartert worden sein. Petrus ist angeblich kopfüber gekreuzigt worden. Deshalb erklärte Papst Benedikt XIV. das Kolosseum zur christlichen Gedenkstätte. Daran erinnert das Kreuz an der Nordseite der Arena. Die historische Forschung konnte jedoch nicht bestätigen, dass hier Christen für ihren Glauben sterben mussten. Trotzdem findet an jedem Karfreitag eine Prozession mit Kreuzwegsandacht statt.

Fest steht jedoch, dass hier zum Zwecke der Belustigung vielen Geschöpfen Schreckliches angetan wurde. Während wir durch das Kolosseum laufen, sind wir einerseits beeindruckt von diesem mächtigen Gebäude, aber auch tief berührt von dem Leid, das aus diesen Mauern spricht. Zwischendurch beginnt es zu regnen, doch als wir gerade gehen wollen, bricht die Sonne wieder durch. Ein Regenbogen – seit Noah das Zeichen der Versöhnung Gottes mit den Menschen – überspannt das Kolosseum.10-img_3937

 

Eine Antwort

  1. Wir hatten bei unserem Besuch in Rom das antike Rom bewusst nur gestreift. Es wäre einfach zu viel gewesen. Um so schöner, dass ihr das so schön aufbereitet habt. Es ist, als ob wir eine Woche länger da gewesen wären und hätten den antiken Teil Roms auch noch genossen. Danke!
    LG vom WoMolix

    • Danke zurück! Es ist aber auch schwierig, die umfangreiche Geschichte Roms aufzudröseln. Macht einer alten Lehrerin aber trotzdem Spaß und freut um so mehr, wenn es auch noch anderen gefällt.
      LG von der Anima mea

  2. Pingback: Das antike Rom (1) | WoMolix's Reisefreiheit nicht nur mit dem Wohnmobil

  3. Rom, die ewige Stadt, die ewige Hauptstadt unserer westlichen Kultur. Hier muss man seine Heimat neu finden !

    »Rom wird so lang wie’s Colosseum stehen
    Und mit dem Colosseum fällt auch Rom,
    Mit Rom die Welt.« Das waren die Ideen
    Der Pilger unsres Landes, als ihr Strom
    Zur Sachsenzeit ging nach dem alten Rom.
    Noch aber stehen diese drei Gestalten
    Auf ihrem Grund, noch sind sie kein Phantom,
    Rom und die Kampfbahn fast noch ganz die alten,
    Die Welt ein Diebsnest, ein – für was ihr sie mögt halten

    „While stands the Coliseum, Rome shall stand:
    ⁠“When falls the Coliseum, Rome shall fall;
    ⁠“And when Rome falls—the World.“ From our own land
    ⁠Thus spake the pilgrims o’er this mighty wall
    ⁠In Saxon times, which we are wont to call
    ⁠Ancient; and these three mortal things are still
    ⁠On their foundations, and unaltered all
    ⁠Rome and her Ruin past Redemption’s skill—
    The World—the same wide den—of thieves, or what ye will.

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