Seit Mittwoch sind wir auf der größten der Kanalinseln. Noch vor den Regenschauern, die seit gestern für ungemütliche Nässe und Kälte sorgen, haben wir es mal wieder genau zur Springtide geschafft, Europas heftigstes Gezeitenrevier unsicher zu machen.
Im Gegensatz zu unserer Überfahrt von England nach Guernsey hatten wir ab 12.00 Uhr mittags angenehme 3 Bf und konnten bis 14.30 Uhr wunderbar segeln. Die letzten fünf der insgesamt 30 Seemeilen musste dann der Motor ran, doch wegen des starken Stroms, der uns zu Jerseys Hauptstadt St Helier trieb, drosselte der Kapitän die Maschine auf knapp 1500 Umdrehungen, und trotzdem „rasten“ wir mit 6,7 Knoten dem Ziel entgegen. Normalerweise macht der Motor 2000 Umdrehungen, um 5 Knoten zu laufen.
Die Lollipop aus Fallmouth war ebenfalls mit uns aufgebrochen, weil wir wohl Skipper Dave mit unseren Aufbruchsvorbereitungen aus der Koje geholt hatten. Nachdem wir ihm den aktuellen Wetterbericht mitgeteilt hatten – das schlechte Wetter näherte sich nämlich schneller als am Vortag angekündigt – weckte er ganz schnell seine Leichtmatrosin und schaffte es in Null-Komma-Nix, noch vor uns an der Hafenausfahrt zu sein. Plötzlich kam der Hafenmeister laut rufend den Steg heruntergelaufen und Dave kehrte um. Er hatte in der Eile beim Bezahlen der Hafengebühr seine Kreditkarte im Büro vergessen. So fuhren wir voran, kamen gut durch den etwas „tricky“ Fairway und bogen dann ab in den „Little Russel“, das Fahrwasser zwischen Guernsey an Steuerbord und Herm , Sark und den unzähligen Untiefen an Backbord. Hier hatten wir noch 1,4 Knoten Strom gegenan, liefen aber trotzdem unter Motor und mit gesetztem Groß um die fünf Knoten.
Schließlich hatten wir St Martin´s Point querab an Steuerbord. Den südöstlichsten Punkt der schönen Insel Guernsey hatten wir am Vortag bei einer Wanderung auf dem Küstenpfad besucht. Diese neun Kilometer lange Tour, die wir in zwei Etappen aufteilten, führte uns am 19.5. zunächst von St Peter Port bis zur Doyle Column nach Jerbourg und vorgestern von der Doyle Column bis zur bezaubernden Moulin Huet Bay. Die folgenden Bilder zeigen die wildromantische Strecke mit den einmaligen Ausblicken auf Buchten und Strände.
Steineiche auf dem Küstenpfad
Die Soldiers Bay
Die Fermain Bay mit einem Martello-Turm. Im Tea Room machten wir Lunch-Pause.
Der Fischerhafen am Bec du Nez
Die Marble Bay (Die Quarzadern, die den Fels durchziehen, wirken wie Marmor)
Christine sitzt im Glockenblumen-Meer und guckt etwas ängstlich, weil sie gerade eine Ratte entdeckt hatte.
Die Doyle Column wurde von den deutschen Besatzern gesprengt und wieder aufgebaut.
Der Leuchtturm St Martin´s Point und die Telegraph Bay
Der Jerbourg Point
Petit Port (rechts) in der Moulin Huet Bay
Die Moulin Huet Bay in voller Schönheit
Hier saß der Impressionist Auguste Renoir im Spätsommer 1883 und malte innerhalb eines Monats 15 Bilder von der Bucht.
Dies ist eines der Werke, die Renoir in der Moulin Huet Bay schuf.
Als wir am Ende etwas erschöpft durch die vielen steile Anstiege und zahlreichen Treppen auf die Suche nach der nächsten Bushaltestelle gingen, trafen wir auf eine Gruppe von „Buildern“ (Diese nette Spezies kennt man ja als Eltern und Großeltern von „Bob, the builder“). Sie arbeiteten auf einem Grundstück am Ortsrand. Wir fragten, ob sie den Weg zur nächsten Bushaltestelle wüssten. Nein, leider seien sie nicht von hier, war die Antwort. Wir gingen erstmal weiter und trafen dann Leute, die uns weiterhelfen konnten. Laut Fahrplan hatten wir noch etwa 20 Minuten Zeit, als wir den Busstop erreichten, doch kein Bus kam. Wir blieben trotzdem stehen und hofften auf den nächsten Bus. Da bog einer der Bauarbeiter um die Ecke, stoppte seinen Kleinlaster, fragte, ob der Bus bald käme und entschied dann kurzerhand, uns zur Marina zu bringen, nachdem er erstmal seinen Vordersitz voller Werkzeug leerräumen musste. Unterwegs entwickelte sich dann ein lebhaftes Gespräch, wobei sich herausstellte, dass er selbst segelt, seine Beneteau in St Sampson liegt und seine Wohnung in der Nähe der Beaucette Marina ist. Wirklich nett, diese Guernseymen!
Würden die Jerseymen auch so nett zu uns sein?
Wir sahen, dass auf der Lollipop die Genua ausgerollt wurde. Tatsächlich hatten wir jetzt, nachdem wir aus der Abdeckung von Guernsey heraus waren, eine angenehme Brise aus Westen. Allmählich entfernte sich die schnellere Bavaria 36, was uns jedoch nicht in Regattafieber versetzte. Wir hatten keine Lust, zu früh in St Helier zu sein, wo wir ja doch nur am Warteponton liegen müssten, bis der Wasserstand über dem Sill zum Visitor Harbour hoch genug für die Einfahrt wäre.
Die Lollipop zieht davon.
Als wir den Leuchtturm Corbiere an der Südwestspitze umrundet hatten und das Elisabeth Castle von St Helier schon ganz nah war, hörten wir plötzlich hinter uns ein Dröhnen, das schnell immer lauter wurde. Der Condor schoss heran!
Corbiere Lighthouse
Ach Gott, der Condor!
Diese Schnellfähre mit ihrer riesigen Heckwelle hatten wir schon oft gesehen, wenn sie von England her auf den Little Russel zu preschte und im Hafen von St Peter Port verschwand. Danach setzte sie ihren stürmischen „Flug“ über das Wasser über St Helier nach St Malo fort.
Ausgerechnet jetzt, wo wir auf die Hafeneinfahrt zusteuerten, mussten sich unsere Wege kreuzen. Wir hofften, die Fähre würde uns überholen, bevor es „eng“ wurde. Doch da stoppte sie plötzlich. Wir entschlossen uns, ganz schnell weiter zu fahren. Da nahm der Condor auch wieder Fahrt auf und näherte sich erneut gefährlich von hinten. Der Kapitän legte das Ruder nach Backbord und machte eine Kehrtwende. Endlich zog der Riesenkatamaran an uns vorbei und verschwand in seinem Parkplatz im Hafen.
Elisabeth Castle begrüßt die Seefahrer neben der Hafeneinfahrt
Das erste Schiff am Warteponton war die Lollipop. Viele Schiffe folgten. Der Hafenmeister dirigierte uns zu einer belgischen Yacht, bei der wir längsseits gingen. Man kommt ja gleich ins Gespräch und die Wartezeit bis zur Einfahrt in die Marina verging schnell.
Drei rote Lichter und die digitale Wasserstandsanzeige sagen: „Einfahrt verboten! Noch nicht genug Wasser über dem Sill!“
Im Hafen waren die meisten Boxen von den Hallberg Rassys einer Vereinigung belegt, die sich hier aus Anlass ihres 25. Gründungstages versammelt hatten. Doch wir fanden trotzdem einen guten Platz zwischen einem Schiff aus Portsmouth und einer Rassy. Gestern vormittag sind die Rassys wieder ausgelaufen und der Hafen war fast leer. Doch am Nachmittag kam eine ganze Armada französischer Boote, die eine Regatta veranstaltet hatten und jetzt ist der Hafen proppenvoll mit französischen Päckchen. Neben uns liegt jetzt auch ein Franzose aus St Malo. Man kommt ja gleich ins Gespräch (siehe Ponton) und nun wissen wir, dass der Skipper aus Paris kommt, in Sachen Kücheneinrichtung für eine deutsche Firma in Gütersloh arbeitet und fünf Kinder hat, wozu auch ein Zwillingspärchen gehört. Morgen segelt er wieder zurück nach „Fronkreisch“, wo wir ja auch noch hinwollen.
Aber zunächst wollen wir noch ein bisschen von Jersey sehen und feststellen, ob die Jerseymen wirklich so lockere „Kröten“ (toads) sind, wie die Guernseymen behaupten.