Am 30. Mai ist der Weltuntergang, wir leben nicht mehr lang, wir leben nicht mehr lang …..
So beginnt ein altes Karnevalslied. Immer, wenn ich dieses Datum im Kalender sehe, erklingt die Melodie in meinem Kopf.
Mit der Melodie im Kopf notiere ich im Logbuch: Sonntag, der 30.05.15. Port: Barbate, Destination: Gibraltar, Marina Alcaidesa.
Im unserem alten Reeds lesen wir nach, wie wir am besten durch die Straße von Gibraltar kommen: Im Küstenfahrwasser entlang der spanischen Costa de la Luz setzt der Strom in östlicher Richtung 3 Stunden vor Hochwasser Gibraltar.
Um 9:40 Uhr sagen wir der Katzenschar in der Marina Barbate Tschüs. Morgen wird sie ihre Brekkis und das frische Wasser vermissen. Zehn Minuten später ziehen wir das Großsegel hoch. Es unterstützt ein bisschen unsere Motorfahrt, denn Wind haben wir mal wieder nur wenig.
Den Weg zwischen den Thunfischnetzen hindurch finden wir ohne Probleme. Die Netzfelder mit den roten Bällen sind durch Untiefentonnen markiert. Um 12:25 Uhr notiere ich im Logbuch: Einfahrt in die Straße von Gibraltar. Ab jetzt halten wir Ausschau nach Delfinen und Walen. Sogar in der Seekarte ist „Walewatching“ vermerkt. Da wird sich ja wohl was blicken lassen!
Der Motor macht 2100 Umdrehungen, der Wind säuselt mit 1 Bft und wir „rasen“ mit sieben Knoten Richtung Tarifa. Gerade verlässt die Fähre „Tarifa-Tanger“ den Hafen. Von hier starten auch „Wale-Watching-Touren“ mit „Erfolgsgarantie“. Na, dann sehen wir doch bestimmt auch bald einen der Meeressäuger!
Angestrengt schaue ich nach Steuerbord auf´s glitzernde Wasser. Große „Pötte“ ziehen wie Perlen an der Schnur vorbei nach Westen durch eine der am stärksten befahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt.
Plötzlich erhebt sich vor meinen Augen ein Berg aus dem Dunst! AFRIKA!
Nur 14 Kilometer trennen uns vom schwarzen Kontinent. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, es so weit mit dem eigenen Boot geschafft zu haben. Wenn jetzt noch ein Wal auftauchte! …..
Doch man kann nicht alles haben. Um 15:00 Uhr brettern wir mit teilweise 8 Knoten an Punta Carnero vorbei. Der „Felsen“ ist schon ganz nah. An Steuerbord passieren wir die Häfen von Gibraltar. Unser Ziel ist das spanische La Linea. Die Kaimauer entpuppt sich als Wartesteg der Marina Alcaidesa. Es liegt schon eine Yacht mit deutscher Flagge dort. Als wir vor ihr fest machen, erfahren wir, dass bereits um 14:00 Uhr Büroschluss war. Na ja, heute ist Samstag und wir können auch gut eine Nacht hier verbringen.
Die Marina schmückt sich mit fünf Ankern. Das entspricht fünf Sternen bei Hotels. Offensichtlich haben die Preisrichter die Marina nur von Land her betreten. Ich habe jedenfalls ein Problem, bei Niedrigwasser vom Schiff auf die kratzige Sandsteinmauer zu krabbeln. Doch der Blick aus dem Cockpit ist unschlagbar. Wir dinieren mit Ausblick auf den berühmten britischen Felsen.
Nach dem Einklarieren am nächsten Morgen bekommen wir einen Liegeplatz an Steg D. Von dort schauen wir nicht nur auf den Felsen, sondern können auch noch die Flugzeuge beobachten, die in unmittelbarer Nähe auf der kurzen Landebahn des Flughafens Gibraltar starten und landen. Es sind bei weitem nicht so viele wie in Hamburg-Fuhlsbüttel. Da hält sich der Fluglärm in Grenzen.
Am Nachmittag starten wir unsere „Expedition Gibraltar“. Zu Fuß sind es nur wenige Minuten bis zur Grenze, wo wir unseren Ausweis vorzeigen müssen. Nun sind wir in Great Britain. Also müssen wir erstmal Geld tauschen. Wir hoffen, mit 40 Euro auszukommen, denn wenn wir am Schluss Gibraltar-Pfund übrig haben, können wir sie bei keiner Bank der Welt eintauschen. Für unsere Euro erhalten wir genau 25 Pfund . Hoffentlich reicht das für die Seilbahn, mit der wir auf den Berg hinauf wollen! Nach dem Geldwechsel müssen wir erst einmal warten. Ein Flugzeug startet und der Weg nach Gibraltar ist gerade gesperrt. Er führt nämlich geradewegs quer über die Landebahn!

Ein Flugzeug geht in Startposition
Wir bummeln durch „Gibraltar City“. Helgoland lässt grüßen! Ein Schnapshändler neben dem anderen, aber auch Geschäfte mit den bekannten Parfüm- und Kosmetik-Edelmarken sowie Juweliere bieten ihre Ware zu „Duty-free-Preisen“ an. Die englischen Touristen schwärmen durch die Läden oder bevölkern die Restaurants , wo es endlich wieder die geliebten „Chips and Fish“ zu vernaschen gibt.

Einkaufsstraße in „Gibraltar-City“
Doch oberhalb der Schaufenster entdecken wir hübsche Fassaden. Ein gelungener Verschnitt aus englischem und spanischem Baustil. Dann ruhen wir uns ein wenig in der kühlen Kathedrale aus. Neben dem Hauptaltar entdecke ich eine Gedenktafel mit dem Namen Sikorski. Das war doch der Name der Zeitschrift, die meine Töchter in ihrer „Sturm und Drangzeit“ kreiert haben!
Natürlich handelt es sich hier nicht um ein verspätet angebrachtes Werbeplakat für die Zeitung, sondern um eine Gedenktafel!

Die Gedenktafel für General Sikorski
General Sikorski war im 2. Weltkrieg Kommandant der polnischen Streitkräfte und kam am 4. Juli 1943 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.
Dann suchen wir auf dem Trafalgar Cemetery den Grabstein von Leutnant William Forster, der in der Schlacht von Trafalgar verwundet wurde. Er verstarb später an den Verletzungen und wurde hier auf diesem hübsch angelegten Friedhof bestattet.

Der Trafalgar Cemetery

Das Grab von Leutnant William Forster ist 205 Jahre alt
Ein kurzes Stücke weiter taucht auch schon die Talstation der Cable Car auf. Wir lösen eine einfache Fahrt. Stolze 9.50 Pfund pro Person müssen wir dafür hinblättern. Ein spanischer „Seilbahn-Chauffeur“ begleitet uns. In sechs Minuten bringt uns die Gondel hinauf, während der Chauffeur vom deutschen Sauerkraut und von Berchtesgaden schwärmt. On „the Top of the Rock“ ist die Aussicht auf den Atlantik und das Mittelmeer atemberaubend! Und dann schon wieder: AFRIKA!

Afrika in Sicht

Majestätische Aussicht
Ja, und dann sind da auch noch die berühmten, menschenähnlichen Bewohner des Felsens, nach denen er ja auch „Affenfelsen“ genannt wird. Sie leben hier in herrlicher Freiheit, schwingen sich über Geländer, Mauern, Büsche und Bäume, lausen sich auf Straßen und Plätzen, schmusen mit ihren Babys und kriegen sich auch schon mal in die Haare.

Affenfamilie
Es ist streng verboten, sie zu füttern, damit sie nicht krank werden. Sie sehen auch wirklich gesund und zufrieden aus und tun nichts.

Affe vor der Seilbahngondel
Einer allerdings machte eine Ausnahme. Während ich – wie immer, weil ich pausenlos fotografiere- in gewissem Abstand hinter dem Käpt´n herlaufe, sehe ich, wie ein Affenmann neben meinem Skipper die Straße entlang trottet. Plötzlich rennt er von hinten auf Heinz zu, springt an ihm hoch und „touchiert“ ihn am Rücken. Dann schlägt er sich in die Büsche.

Kurz vor dem Angriff
Vor Schreck kann ich den Überfall nicht knipsen. Ein kleiner Kratzer am Oberarm und zwei Schmutzflecken am Poloshirt bleiben von der Attacke zurück.
Nachdem wir auch noch das maurische „Castle“ aus der Nähe betrachtet haben, wandern wir steil bergab in den Ort hinunter.

Das Castle aus der Maurenzeit
Unterwegs hatten wir an zwei schönen Aussichtspunkten auf Gedenktafeln gelesen, dass die Queen und ihr Prinzgemahl hier bei ihrem Gibraltarbesuch gestanden und in die Ferne geschaut hatten. Die Hinterhöfe, durch die wir jetzt kommen, hatte man ihnen bestimmt nicht präsentiert! Vor allem nicht den Müll , der überall herumliegt! Aber das ist ohnehin ein Problem, nicht nur auf Gibraltar sondern auch in Spanien. Selbst, wenn in unmittelbarer Nähe Mülleimer stehen, liegen Plastikflaschen und Getränkedosen massenhaft auf dem Boden verstreut.

Hinterhof an der alten Stadtmauer
Wir haben noch läppische 6 Pfund im Portemonnaie und großen Durst. Das Geld reicht gerade noch für ein Bier und einen Cider inclusive Trinkgeld. Dann geht´s über die Rollbahn zurück nach Spanien.
Am Abend zieht sich der Felsen ein keckes Wolkenhäubchen über, während die Sonne blutrot im Westen untergeht. Es war ein toller Tag!

Gibraltar mit Wolkenhäubchen

Sonnenuntergang
Am nächsten Morgen wollen wir endlich ins Mittelmeer. Unser eisernes Segel braucht jedoch Diesel. Deshalb wollen wir an der Tankstelle anlegen, wo bereits ein „Zweier-Päckchen“ wartet. Wir legen uns dazu und ich klettere über die beiden Yachten an Land. Im Office ist viel Betrieb. Endlich kann ich bezahlen, dann heißt es wieder warten. Der Tankwart muss über Funk angefordert werden. Als auch der Tank voll ist, steht ein Polizeiauto auf der Kaimauer. Fünf Polizisten haben anscheinend nichts Besseres zu tun, als uns zu überprüfen. Sehr freundlich und zügig geht die Prozedur von statten. Um 10:45 Uhr heißt es endlich: „Leinen los! Mittelmeer, wir kommen!“

Polizeikontrolle in der Marina Alcaidesa
Mittlerweile hat auch die richtige Strömung eingesetzt und etwa sieben Stunden weiter machen wir an der Muele de Espera (Wartesteg) in Marbella-Bajadilla fest. Das Hafenbüro hat gerade noch zehn Minuten auf. Schnell einklarieren geht nicht, weil schon wieder die Polizei auf der Matte steht und unsere Pässe überprüfen möchte. Sie finden uns schon wieder nicht in ihrer Verbrecherkartei. Also geht es zum Liegeplatz, wo schon der Marinero wartet. Er hilft uns bei unserem ersten Mooring-Manöver. Eine schöne Schweinerei, als der Käpt´n die glibberige Mooringleine aus dem Wasser zieht und auf der hinteren Klampe belegt. Das Deck, die Fender und der Käpt´n sind voller Schlickspritzer. Das wird ab jetzt unser tägliches Brot sein!
Gleich am nächsten Morgen geht es weiter nach Puerto de Benalmadena. Ein großer Hafen im „Klein Venedig Style“. Einen Urlaub lang würde ich es in dieser Touristenhochburg nicht aushalten. Aber es gibt alles, was man braucht. Sogar Internet! Da kann ich ja gleich meinen Bericht auf die Reise schicken und anschließend das Problem des Abends lösen:
In welches von den gefühlt tausend Restaurants gehen wir heute essen?