Unsere Zeit in England geht langsam dem Ende entgegen.
Am vergangenen Dienstag besuchten uns Nick und Marjorie noch einmal an Bord. Mit ihrem „Motorhome“ ging es nach Newton Ferrers am River Yealm, wo wir zunächst in einen Pub einkehrten, um die Zeit bis zum Niedrigwasser zu überbrücken. Dann erst konnten wir über den sogenannten „Noss“, einer Furt, fast trockenen Fußes nach Noss Mayo hinüber wandern. Von dort aus ging es am bezaubernden Flussufer entlang zur Mündung an einen einsamen Strand und dann wieder zurück. Es war schon beeindruckend, durch einen Fluss zu laufen, doch noch überraschter waren wir, als uns unsere englischen Freunde in der Nähe von Avton Gifford am River Avon über eine Straße kutschierten, die nur zu bestimmten Zeiten bei Niedrigwasser befahrbar ist, während sie bei Hochwasser in den Fluten versinkt. Den schönen Tag ließen wir abends in unserem Hafenrestaurant „The Bridge“ bei einem sehr guten Dinner ausklingen.
Newton Ferrers
Auf dem Public Footpath via Voss Tidal (so steht es auf den Wegweisern) Richtung Noss Mayo
Am Ziel der Wanderung: Der Strand an der Flussmündung
Auch Autofahrer müssen in England auf die Gezeiten achten.
Am Donnerstag besserte sich das Wetter zunehmend und wir machten per Bus einen Ausflug nach Travistock, das am Rande des Dartmoors liegt. Travistock ist nicht nur Marjories, sondern auch Sir Francis Drakes Geburtsort. Eine schöne alte Stadt mit einem verwinkelten Dauermarkt, der sich „Pannier Market“ nennt, mit vielen kleinen Geschäften, mit den uralten Resten einer Abbey neben einer alten Kirche und einer Town Hall, in der schon „Procul Harem“, „The Tremeloes“, „Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick and Titch“ und „Marmelade“ aufgetreten sind und die Mädels im Ort crazy gemacht haben. Nach unserer Stadtbesichtigung und einer Kuchenprobe aus einer der vielen kleinen Bäckereien arbeiteten wir die aufgenommenen Kalorien auf dem verwunschenen Aquädukt Trail wieder ab.
So sehen Helden aus: Sir Francis Drake
Geschäfte im Pannier Market
Town Hall
Als wir noch Teenager waren: Erinnerungsfotos von den Auftritten englischer Bands hängen im Treppenaufgang der Town Hall
Auch der nächste Tag brachte wieder wunderschönes, klares Herbstwetter und eine weitere Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Für 7,50 Pfund pro Kopf (Devon-Cornwall-Ticket) machten wir einen tollen Tagesausflug , der zunächst über grüne Hügel mit Ausblicken auf das Dartmoor begann und dann an der spektakulären Küste Devons entlang durch die vielen kleinen Villages mit ihren Bruchstein-Häusern und Schilfdächern nach Dartmouth führte. Obwohl wir den Ort vor einiger Zeit schon per Boot angelaufen hatten, begeisterte uns seine einmalige Lage wieder wie beim ersten Mal. Mit der Fähre fuhren wir hinüber nach Kingswear, wo Heinz am Wunschbrunnen eine Münze (ein Pfund) und einen Wunsch (ist geheim) einwarf. Eine Tafel am Brunnen versichert, dass die Münzen einem guten Zweck zugeführt und die Wünsche zu einem hohen Prozentsatz erfüllt werden. Eines der berühmtesten Beispiele ist die Weltumseglerin, die wunschgemäß unversehrt von ihrem Törn nach Dartmouth zurückkehrte und danach ebenso wunschgemäß den Mann ihrer Wahl heiratete.
So fantastische Ausblicke wurden uns während unserer Busfahrt geboten!
Am Wunschbrunnen
Last but not least noch ein Kompliment an die englischen Busfahrer: Mit ihren Doppeldeckern fahren sie in Rauschefahrt durch engste Straßen, die von hohen Hecken und Mauern begrenzt werden. 17 Prozent Steigung gepaart mit kurvenreicher Strecke meistern sie ohne Probleme, Wendemanöver auf engstem Raum werden mit bewundernswerter Gelassenheit ausgeführt. Und dabei sind sie stets freundlich und hilfsbereit. Aber ihre englischen Fahrgäste wissen das auch zu schätzen: Keiner verlässt den Bus ohne ein „Thank you!“ und einen Abschiedsgruß. Wir werden dies und noch vieles andere vermissen, wenn wir übermorgen nach Hamburg zurückkehren.
Nun sitze ich hier im Hotel „Jurys Inn“ in Plymouth, in das wir uns für die letzten drei Nächte eingemietet haben. Wir haben zwischen unseren Ausflügen alles an Bord erledigt, was zu erledigen ist: Elektrische Instrumente ausgebaut, verpackt und bei Chris zur Einlagerung abgegeben. Die Segel abgenommen , den Tank randvoll gefüllt, damit sich kein Kondenswasser bilden kann, die Wassertanks geleert und gesäubert, alle verderblichen Vorräte aufgegessen, unsere Sachen in zwei Reisetaschen verpackt usw. Anima mea hat bereits ihren „Frame“, ihren Rahmen für ihr Winterkleid bekommen. Leider war in der vergangenen Woche zu viel Wind, um sie in Plastik einzuwickeln. Heute hat es stark geregnet und so sind die Aussichten schlecht, dass dies morgen passiert, denn das Boot sollte trocken sein, bevor es eingepackt wird, damit sich kein Kondenswasser unter der Hülle bildet. Auf jeden Fall müssen wir uns morgen Abend von unserem schwimmenden Zuhause verabschieden, denn am Dienstag fahren wir um 7.05 Uhr von der Breton Side Bushaltestelle in Plymouth mit dem National Express nach London Heathrow. Um 15.35 Uhr Ortszeit startet dann unser Airbus von British Airlines nach Hamburg, wo wir um 18.15 Uhr landen sollen. Zurück bleibt die Erinnerung an eine schöne Zeit in Holland, Belgien, Frankreich und vor allem in England, unserem inzwischen zweiten Zuhause. Wir verabschieden uns heute von allen, die unsere Reise bisher mit Interesse und Anteilnahme verfolgt haben. Vielleicht bis nächstes Jahr Ende März? Dann kommen wir nach England zurück und zeigen unserer Anima mea die schöne Küste der Kanalinseln und der Bretagne.
The frame
Bis nächstes Jahr viele Grüße!
Christine und Heinz