Genau 15 Tage verbringen wir in Burriana und nutzen damit voll den Rabattpreis aus, der gewährt wird, wenn man einen halben Monat bleibt. Schon der reguläre Tagessatz von 13 Euro ist unglaublich günstig, doch die 104,24 Euro, die wir jetzt über den Tresen schieben, lassen die Bordkasse jubeln.
Schon seit Tagen haben wir mehrmals täglich die Wetterberichte studiert. Bis Montag rüttelt und schüttelt der Nordwestwind an den Masten und Fallen der Schiffe im Hafen. Das Wasser ist aufgewühlt und plätschert gegen die Bordwand. Die Schwimmstege reiben sich an den Pfählen. Es knirscht und knarzt ununterbrochen. Doch für Dienstag wird eine leichte Beruhigung angekündigt. Drei bis vier Beaufort mit Böen fünf bis sechs aus Nord bis Nordost, dazu am Nachmittag hohe Gewitterwahrscheinlichkeit für Valencia ist angesagt. Danach soll der Wind wieder auf Südost drehen und stark abnehmen. Also wagen wir den Absprung.
Um 8:20 Uhr legen wir ab. Auf dem finnischen Boot gegenüber winkt man uns zum Abschied und wünscht gute Reise. Auf Deutsch wohlgemerkt, denn der Skipper wurde in Deutschland geboren, wanderte nach Finnland aus, heiratete dort eine Finnin und lebt nun mit ihr auf seinem Boot Marke Nauticat. In Finnland hat das Paar kein Zuhause mehr und will in Burriana überwintern.
Zehn Minuten später steht die Genua und der Motor schweigt. Das Großsegel wird nicht ausgepackt, denn der Wind kommt fast von achtern, da würde es das Vorsegel abdecken. Trotzdem pflügt unsere Anima mea mit über fünf Knoten durch die nur mäßig bewegte See. Wie aus der Sahnetube gespritzt hat sich ein lockeres Wolkenband unter die Sonne im Osten gelegt. Dort liegt Mallorca. Am Samstag wird uns die Fähre von Valencia zu dieser größten Baleareninsel bringen, wo wir nach nunmehr vier Monaten unsere Enkel und deren Eltern wiedersehen werden.
Langsam verschwindet Burriana im Kielwasser. Der Blick schweift zu den grünen Bergketten an Land. Ihre Zick-Zack-Gipfel bohren sich in den klaren, blauen Himmel. Mit geblähtem Segel ziehen wir an der Küste entlang. Keine wilden Böen, keine tobenden Wellen stören unsere Fahrt. Das vorbereitete Brötchen wird ausgepackt und genüsslich verzehrt. Pures Segelglück!
Gegen elf Uhr haben wir Sagunto erreicht. In dieser ehemals bedeutenden Stadt mit den römischen Siedlungsresten gibt es einen Club Nautico, den man notfalls anlaufen könnte. Doch kein Gewitter droht, und wir wollen weiter. Die Hälfte der Strecke liegt schon hinter uns. Burriana ist gänzlich verschwunden. In der Ferne sind bereits die Kräne von Valencias Hafen zu sehen. In diesem Moment müsste unsere Familie gerade in Hamburg Fuhlsbüttel Richtung Mallorca abheben. Das erste Flugabenteuer für unseren jüngsten Enkel Nick nimmt seinen Lauf. Wenn wir in Valencia sind, wird er in Palma landen. Das sind die Relationen!
Vor Sagunto schwächelt der Wind etwas. Gleichzeitig baut sich eine unangenehme See auf. Anima mea „eiert“ zwischen der mächtigen Hafenmauer an Steuerbord und den gelben Tonnen der Fischzuchtanlage an Backbord hindurch. Dann ist die Windpause überstanden. Der Wind fällt nun östlicher ein, und die Genua kommt auf die Steuerbordseite. Die letzten drei Meilen bis Valencia werden dann doch noch richtig anstrengend für den Käpt´n. Frischer Wind drückt die Wellen in die Bucht von Valencia, presst sie gegen die mächtige, weit auf See hinaus reichende Hafenbefestigung. Von dort werden wohl die anrauschenden Wellen zurückgeworfen, so dass eine sehr „kabbelige“ See entsteht, durch die wir uns mühsam hindurchackern. Erst ganz kurz vor der Hafeneinfahrt werfen wir den Motor an. Im großen Vorhafen wird schnell die Genua eingerollt. Das war´s! Wir haben unser Ziel erreicht. Um 14:00 Uhr machen wir an der Tankstelle fest. Schlappe 19 Liter passen in den Tank. So wenig haben wir seit dem 29. Juli verbraucht, denn da haben wir das letzte Mal in Benicarlo getankt.
Bei der Anmeldung im Hafenbüro erwartet mich die gleiche Prozedur wie beim letzten Mal. Alle Papiere werden nochmals kopiert, die gleichen Formulare müssen wieder handschriftlich ausgefüllt werden. Wieso sind wir hier nicht im Computer gespeichert? In anderen Marinas, die wir wiederholt besucht haben, war es so. Das spart Papier und Zeit.
Nach der Anmeldung springt der Marinero in sein Bötchen und braust uns voran zum Anlegeplatz. Es ist fast der gleiche wie beim ersten Besuch in Valencia. Neben uns liegt ein winziges Segelschiff aus Varel. Es hat eine offensichtlich selbstgebaute Windfahnensteuerung. Ich vermute gleich, dass die beiden jungen Leute an Bord über die Biskaya bis hierhergekommen sind. Der Käpt´n will das zunächst nicht glauben, wird aber von dem Skipper eines besseren belehrt. Bei ruhigem Wetter haben sie im letzten Jahr neun Tage von Falmouth bis La Coruna gebraucht, sind danach den gleichen Weg wie wir über Portugal bis hierher gesegelt.
Alle Achtung vor dieser Leistung und dem Wagemut!
Wir können das gut nachvollziehen, denn wir haben ja auch „klein“ angefangen. Mit unserem Folke-Junior hätten wir in schwerer See zwischen Bagenkop und Marstal beinahe Schiffbruch erlitten. Später kauften wir ein richtiges Folkeboot und segelten bis ins Kategatt. Die Segel konnten nicht gerefft werden, es hatte auch keine Seereling. Es gab sehr abenteuerliche Situationen, wenn ich Segelanfänger das Boot in den Wind drehen sollte und dabei den Käpt´n fast außenbords geschmissen hätte. Ab Windstärke fünf wurden wir in den Ostseewellen heftig gebadet. Doch wir waren jung und vom Segelvirus befallen. Wir träumten von der großen, weiten Welt, die wir segelnd erobern wollten. Damals wären wir am liebsten von heute auf morgen ausgestiegen, wenn unsere Kinder nicht gewesen wären. Sie sollten eine solide Ausbildung bekommen, während wir gleichzeitig für unsere Zukunft vorsorgten. Mittlerweile sind wir froh, das alles so „durchgezogen“ zu haben. Nach einem langen Arbeitsleben sind wir heute gut versorgt und haben ein stabiles Schiff, auf dem es sich angenehm leben lässt.
Aber wir haben auch ganz viel Glück, dass wir gesund und unternehmungslustig geblieben sind.
Also echtes Segelglück!