09.05.2019 Schaukle, schaukle, in die Welt hinein….

Dieses Liedchen – kann gut sein, dass es selbst erdichtet wurde – sang meine Mutter immer, wenn ich als Kind auf meiner Schaukel saß. Mein Vater hatte sie an einem steilen Abhang vor unserem Haus zwischen zwei hohen Robinien für mich angebracht.

Robinen schätzen ein mildes Klima. Hier blühen sie gerade. Aber auch im milden Klima des Rheinlands gedeihen sie.

Während sie sang, gab mir meine Mutter im Takt der Melodie von hinten „Anschwung“. Schnell flog ich hoch in die Luft, immer dem weißen Blütenmeer entgegen. Mein Ziel, wenigstens einmal die traubenartigen Robinienblüten anzutippen, erreichte ich natürlich nie. Ungerührt verströmten sie ihren süßen Duft und lockten damit wohl auch die wilden Tauben an, die ganz unbeeindruckt von dem Wildfang da unten an den Blüten herumknabberten. Dabei rieselten ihre Blütenblätter in die Tiefe und breiteten einen weißen Teppich unter mir aus.

Meine Eltern waren den Bergen mehr zugetan als dem Meer. Aber vielleicht hat meine Mutter damals ja den „Segelvirus“ in mich hineingesungen und -geschwungen. Jedenfalls kommt mir dieses Liedchen regelmäßig in den Sinn, wenn ich an einem schönen Segeltag an der Pinne sitze und, den Horizont im Visier, das Boot durch die Wellen steuere. Dann, unter den Wolken, „werden alle Sorgen nichtig und klein“ und ich bin mit mir und der Welt völlig im Reinen!

So auch auf den letzten 12 Seemeilen vor unserem nächsten Ziel.

Es ist Marina di Punta Ala an der Süd-Ost-Ecke des Golfo di Follonica, 39 Seemeilen nördlich des Monte Argentario.

Endlich hat der Starkwind der letzten Tage nachgelassen, und nach fünf Nächten können wir in aller Herrgottsfrühe endlich die Marina Cala Galera verlassen.

Zunächst herrscht noch Windstille und wir tuckern dicht an der malerischen Steilküste des Monte Argentario entlang. An Backbord erscheint die Insel Giglio zum Greifen nah. Doch da waren wir ja schon einmal vor zwei Jahren und auf einen weiteren Aufenthalt in dem primitiven, dafür aber teuren Hafen können wir verzichten!

Die Sonne scheint, doch der Fahrtwind bläst uns eisig kalt ins Gesicht. Noch nie haben wir um diese Zeit so gefroren im Mittelmeer! Sogar Biberbettwäsche habe ich wieder aufgezogen und die Schwerwetter-Ostseekleidung herausgekramt!

So vergehen die ersten 27 Seemeilen unter Motor. Dann rufe ich in der Marina Punta Ala an und bekomme die Zusage für einen Liegeplatz. Genau in diesem Moment nimmt der Wind auf angenehme drei Bft zu, und wir können auf Halbwindkurs segeln, bis wir die Scogli Porcellini – die gefährlichen Unterwasserfelsen vor der Landzunge Punta Ala – hinter uns haben. Nachdem Oscar wieder gestartet ist und die Segel geborgen sind, steuern wir den Mastenwald der Punta Ala Marina an.

Der Mastenwald der Marina unterhalb des Castello Balbo.

Ich melde mich über UKW-Kanal 09 beim Tower und erhalte unsere Liegeplatzposition: Steg 3, Westseite, Platz 10.

Dort steht auch schon ein Marinero und hilft uns beim Anlegen. Etwas später taucht ein weiterer Marinero mit einem Formular auf, in das ich die Schiffsdaten eintragen muss. Die Schiffspapiere will er nicht sehen. Bezahlen soll ich im Büro, wenn wir wissen, wann wir abfahren wollen. Duschen und Toiletten sind frei zugänglich und nicht weit entfernt. Als ich sie inspiziere, bin ich sehr angenehm überrascht: Sehr sauber und gepflegt, mit Fön und Papiertüchern ausgestattet stehen sie den schönen Sanitäranlagen in der Marina Cala Galera in nichts nach.

Noch herrscht friedliche Abendstimmung und die Marina ist in goldenes Licht getaucht.

Auch das Marinagelände ist wie geleckt! Der Hafen ist umgeben von einer großen Ferienanlage, deren ockerfarbene, verschachtelte Gebäude die Hänge hinaufwachsen. Dazwischen stehen alte Pinien und Steineichen.

Blick aus der Appartement-Anlage auf den Hafen

Auf dem höchsten Punkt der Landzunge Punta Ala erhebt sich das recht unscheinbare Schloss „Castello Forte Balbo“. Es trägt den Namen des Fliegers Italo Balbo, der es 1930 zusammen mit dem umliegenden Land kaufte. In den 70iger Jahren entwickelte sich Punta Ala zu einem Ort des Luxus und der Ruhe, wo seitdem reiche Touristen dem Segel-, Reit- und Golfsport frönen. Entsprechend liegen hier auch jede Menge edle Yachten, von denen die schöne alte Hallberg-Rassy zwar ihre besten Tage hinter sich hat, aber immer noch ein echter Hingucker ist.

Unverkennbar: Die alte Hallberg-Rassy zeigt die Handschrift des Designers Olle Enderlein. 

Die Landzunge Punta Ala ist ein Ortsteil der Gemeinde Castiglione della Pescaia im Süden der Toskana. Der Hauptort liegt 21 km entfernt, doch momentan fährt kein Bus, denn hier sind die Bürgersteige noch hochgeklappt. In den Ferienwohnungen sind alle Gardinen zugezogen und man trifft höchstens den einen oder anderen Handwerker, der in den Häusern nach dem Rechten sieht.

Auch die Läden und die meisten Restaurants in der Marina sind noch nicht geöffnet, aber das soll sich am kommenden Wochenende ändern.

In den Scheiben des Luxusladens spiegelt sich die untergehende Sonne über der 30 km entfernten Insel Elba.

Bis dahin reichen unsere Vorräte noch dicke, und am ersten Abend essen wir unsere Salatreste aus Cala Galera auf und trinken eine heiße Brühe dazu, denn es ist immer noch ungemütlich kalt, wenn die Sonne verschwindet.

Gemischter Salat und heiße Brühe

Immerhin gibt es in der kleinen Pizzeria ab 19:30 Uhr frische Pizza als „Take away“. Das Dinner für den zweiten Abend ist damit gerettet!

Während am Mittwoch das Barometer beständig fällt und der Süd-Ost-Wind auf 5 bis 6 Bft zunimmt, erkunden wir die Umgebung.

Die kleine Bucht am westlichen Ende der Marina ist menschenleer. Von hier blickt man auf das Inselchen Sparriero Isolotto mit dem Torre degli Appiani. Bei rauem Wetter ein unwirtlicher Ort für den Wächter, dessen Aufgabe es war, Cosimo I de Medici und sein Fürstentum Piombino vor Seeräubern zu warnen.

Die kleine Bucht am westlichen Ende der Marina.

Dann wandern wir zur Straße hinauf und finden einen Weg hinunter zum langen Sandstrand östlich der Marina. Hier braten im Sommer die sonnenhungrigen Touristen, doch jetzt ist auch hier alles menschenleer. Draußen, im ruhigen Wasser der Bucht, sind zwei Segelschiffe vor Anker gegangen. Wenn der Wind nicht dreht, können sie hier eine ruhige Nacht verbringen.

Auch im üppigen Pinien- und Steineichenwald entlang des Strandes spürt man nichts vom Wind. Zwischen den Bäumen liegen die Ferienvillen des „Poggio del Barbiere“-Viertels noch im Winterschlaf.

Toskanische Villa

Insgesamt sieben solcher Villenviertel verstecken sich hier in den stillen Wäldern, dazu ein Pferdepolo-Feld, ein Golfplatz und der lange Sandstrand, eingeteilt in 11 verschiedene Abschnitte mit Restaurants und Bars. Alles wie ausgestorben, doch im Juli und August geht hier sicher die Post ab!Auf dem Rückweg entdecken wir den zweiten Wachturm des ehemaligen Fürstentums Piombino. Es ist der Torre Hidalgo. Direkt dahinter liegt die Marina Punta Ala, wo wir gerade zu Hause sind.

Torre Hidalgo

Der Wind hat deutlich zugelegt. Nach der leckeren Pizza befestigt der Käptn zwei zusätzliche, dicke Kugelfender zum Schutz des Nachbarschiffs an unserer Backbordseite, denn die stürmischen Böen drücken uns gegen seine Bordwand. Dann befestigt er noch eine zweite Mooring am Heck der Anima mea. Nun kann sie nicht mehr so wild mit dem Schwanz wackeln, aber ruhig wird die Nacht für uns trotzdem nicht. Schwere Sturm- und Schauerböen rauben uns den Schlaf und erst am Morgen lässt der Wind nach. Doch am Nachmittag bläst es schon wieder ununterbrochen mit Windstärke fünf, in Böen sechs und das Hafenkonzert gibt mit Heulen, Rauschen, Klappern und Pfeifen eine Zugabe nach der anderen.

Hoffentlich packen die windigen Musikanten morgen mal ihre Instrumente ein! Eine leichte Brise von drei Bft aus West wäre nicht schlecht! Dann singt es nur noch in meinem Kopf:

Schaukle, schaukle, in die Welt hinein….

 

 

 

Eine Antwort

    • Danke!
      Heute haben wir das laue Lüftchen für den Waschtag genutzt. Aber morgen geht es weiter „nach der Heimat zu“. So endete nämlich die zweite Strophe von dem Schaukelliedchen.
      Liebe Grüße aus der Toskana

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