Der letzte Tag im Juni soll auch unser letzter in Lefkas sein.
Bis zehn Uhr müssen wir die Marina verlassen. Doch um halb zehn ist unsere neue Starter-Batterie noch immer nicht an Bord.
Also noch mal beim Schiffshändler anrufen und Druck machen.
Ja, es käme gleich jemand. Wir sollten die alte Batterie schon mal ausbauen.
Gesagt, getan. Nach zehn Minuten steht die alte Batterie auf dem Steg.
Um zehn vor zehn wird die neue Batterie endlich an Bord gehievt und eingebaut. Der Motor startet sofort. Jetzt schnell zum Abmelden ins Hafenbüro!
Um 10:35 – der Marinero taucht gerade mit seiner Kontroll-Liste auf – legen wir ab.
Um 11:00 Uhr (immer zur vollen Stunde) öffnet die Klappbrücke über dem Lefkada-Kanal.
Kein Problem: „Wir schaffen das!“
Um 13:20 Uhr erreichen wir zehn Seemeilen weiter Preveza und werfen den Anker nördlich des Fischereihafens.
Es ist ein bisschen wie „nach Hause kommen“, denn hier waren wir fast auf den Tag genau vor einem Jahr zehn Tage lang, um den Ambrakischen Golf zu erkunden.
Am nächsten Morgen beginnt die „Hochsaison“.
Vom 1. Juli bis zum 31. August brummt es im Mittelmeer. Egal, ob in Spanien, Italien oder Griechenland: Alle haben Ferien und bevölkern die Strände und Häfen gemeinsam mit Urlaubern aus aller Welt. Ab jetzt ist es mit der Ruhe vorbei und es wird heiß, eng und teuer. Viele Sportbootfahrer aus Nordeuropa, Australien und Neu Seeland lassen ihr Schiff an Land stellen und fliegen heim, um dem „Wahnsinn“ zu entkommen und den Sommer zu Hause zu genießen.
Wir halten durch und fahren erstmal zur Tankstelle in der Cleopatra-Marina, denn allzu oft muss im Sommer mangels Wind das eiserne Segel dafür sorgen, dass wir unser Ziel erreichen.
Danach geht es 23 Seemeilen weiter an der Festlandküste entlang nach Norden zu unserem nächsten Ankerplatz mit dem schönen griechischen Namen „Two Rock Bay„.
Am Abend haben sich hier zwölf Schiffe aus acht verschiedenen Nationen versammelt: Italien, Großbritannien, Niederlande, Österreich, Schweden, Norwegen, Griechenland (mit englischer Chartercrew) und wir aus Deutschland.
Die Bucht ist leider etwas „schwellig“, aber wunderschön.
Das Wasser gurgelt und rauscht in den Höhlen und Felsspalten des Steilufers.
Vor dem farbenprächtigen Steilufer liegen auch in Griechenland Schweden und Norwegen nebeneinander.
Nach Sonnenuntergang atmet der Pinienwald eine betörende Duftwolke aus. Darin singt ein Vogel sein Abendlied. Mücken tanzen ihren Totentanz, denn eine kleine Fledermaus jagt ihnen flatternd hinterher. Irgendwo in der Ferne bellt ein Hund. Der Beagle auf dem norwegischen Boot gibt ihm laut Kontra, bis er vom Herrchen zur Ruhe ermahnt wird. Im Westen leuchtet hell die Venus und nach und nach füllt sich das Firmament mit unzähligen großen und kleinen Sternen. Wir wiegen uns im Rhythmus der Wellen, die leider nicht zur Ruhe kommen wollen und für etwas unruhigen Schlaf sorgen. Na ja, nichts ist eben perfekt!
Am nächsten Morgen verlassen wir um zehn Uhr diesen schönen Ankerplatz und brechen zu einer „kleinen Kreuzfahrt“ durch Buchten und Inseln auf. Zweieinhalb Meilen nördlich der Two Rock Bay sind wir bereits im Ormos Fanari, wo der Acheron in die Bucht mündet.
Ormos Fanari mit der Acheron-Mündung im rechten Bildrand
Nach der griechischen Mythologie ist er einer der fünf Flüsse, die in die Unterwelt führen. In Dantes „Göttlicher Komödie“ war der Fluss die Grenze zur Hölle. Von hier brachte der Fährmann Kharon die toten Seelen in den Hades. In Byzanz dagegen glaubte man, im Fluss zu baden bringe Reinigung von Sünden und Krankheit. Auf dieses Experiment müssen wir aus Zeitgründen leider verzichten und fahren gleich 2,3 sm weiter in den Ormos Agios Ionnou´, in dem eine Süßwasserquelle entspringt.
Dort, wo das Wasser etwas trüber ist, sprudelt das Süßwasser.
Schließlich fahren wir noch an der wohlgeformten Bucht Valtou vor dem Ort Parga vorbei und denken an Helmut und Monika, die wir vor unserer Biskaya-Überquerung in Camaret sur Mer getroffen hatten. Mit ihrer Segelyacht Parga sind sie jeden Sommer in Frankreich unterwegs und falls sie das hier lesen sollten, senden wir ihnen herzliche Grüße aus Griechenland.
Ach ja, waren das damals noch tolle Fußballzeiten, als Deutschland erfolgreich auf dem Weg zum Weltmeistertitel unterwegs war!
Parga
Nun verlassen wir die Festlandsküste und nehmen Kurs auf die Insel Paxos.
Diese kleine Insel und ihre winzige Nachbarin Antipaxos liegen sieben Seemeilen südlich von Korfu und sind ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen sowie Flottillen-Segler. Berühmt ist das Olivenöl von Paxos. Das vornehme Kaufhaus Harrods in London verkaufte es eine Zeit lang alternativlos als einziges Olivenöl!
Ein bisschen nervös sind wir schon, als wir uns der engen Süd-Einfahrt in Port Gaios nähern, die nur knapp zwei Meter Wassertiefe aufweist. Da haben wir maximal noch 50 Zentimeter unter dem Langkiel und sollte uns ein Boot entgegenkommen, wird es auch auf dem Wasser eng.
Zwischen den beiden Wellenbrechern liegt die Einfahrt.
Doch wir haben Glück. Erst hinter der Einfahrt kommt uns ein Motorboot entgegen und Grundberührung hatten wir auch nicht.
Zwischen der vorgelagerten Insel Agios Nikolaos und dem malerischen Port Gaios fühlt man sich wie auf einem schmalen, mäandernden Fluss.
Der lebendige Ort Gaios
Am Süd-Quay gibt es kaum noch einen Platz zum Anlegen, was wir allerdings auch nicht bedauern. Es existiert nämlich neben den bunten Häusern, den schnuckeligen Tavernen und kleinen Shops etwas, das mich davon abhält, hier anzulegen: RATTEN!
Ich weiß das aus sicherer Quelle, nämlich von Jenny aus Neu Seeland, die ich auf Korsika getroffen hatte. Sie versorgte mich damals mit Tipps für Griechenland und erzählte die Horrorgeschichte von „Mr. Ratty“, der abends die Ankerkette hochgeklettert war und schnurstracks den Weg in ihre Koje suchte, wo er in ihren dicken Zeh biss. Grrrrr!
Jennys Mann schildert dieses Erlebnis sehr humorvoll auf seinem Blog ( Elixir of New Zealand , www.sailblogs.com , 20.8.2013, Teil fünf, unwillkommene Besucher auf der Ionischen Kreuzfahrt 2013).
Die Ratte wurden sie erst in der Two Rock Bay wieder los.
Bravo, Jenny! Ich wäre noch vor dem Nager von Bord gegangen.
Uuuuh! Wird das eng!
So fahren wir langsam weiter, bis das Fahrwasser zwischen dem Nord-Quay und der Insel Panagia wieder breiter und tiefer wird.
Achteraus liegt Gaios, links das Leuchtfeuer auf Nisis Agios Nikolaos
Um 15 Uhr sind wir durch mit der Inselbesichtigung. Hat sich wirklich gelohnt! Und wer hierher von Korfu oder Parga mit der Fähre kommt, muss sich auch nicht vor Nagetieren fürchten. Sportbootfahrer sollten aber Rattenabweiser für die Festmacher und sicherheitshalber eine Rattenfalle an Bord haben.
Endlich können wir mal wieder die Segel setzen.
Auf dem Weg zu den Sivota-Inseln haben wir halben Wind zwischen vier und drei Beaufort. Nach sechs Seemeilen schläft er wieder ein, aber da sind wir schon kurz vor der unbewohnten Inselgruppe, die aus Nisis Sivota, Nisis Agios Nikolaos und Nisis Mavros Notos besteht.
Wir motoren zwischen N. Ag. Nikolaos und dem Festland über die 2-m-Barre zur Klosterbucht, wo wir vor Anker gehen. Hier waren wir vor 375 Tagen schon einmal, doch heute ist es hier viel voller als damals.
Sivota Inseln: Einfahrt über die 2-m-Barre in die Middle Bay
Zwei Hotels stehen in der Bucht. Das linke Hotel mit seinen großen Wasserrutschen wirkt allerdings wie ausgestorben. War es im Vorjahr übrigens auch schon. – Das rechte Hotel dagegen hat schon viele Gäste, die sich gerade am Sandstrand tummeln oder mit Tretbooten zwischen den Ankerliegern herumstrampeln.
Die Klosterbucht
Auch das Taxiboot des Hotels fährt ziemlich nah an uns vorbei, damit die Gäste ein schönes Foto schießen können. Aber am Abend wird es ruhiger und das Wasser glättet sich. Im Hotel scheint man Wert auf Ruhe zu legen, so dass wir von nächtlichen Musikveranstaltungen verschont werden.
Am nächsten Tag ziehe ich mich in den Salon zurück und bearbeite Fotos am Laptop. Dann beginne ich mit einem neuen Blog-Text. Weil wir einkaufen müssen, fahre ich den Computer irgendwann runter und sehe dabei, dass der Akku zu 99% geladen ist.
Plötzlich schwimmt unser Nachbar von der Segelyacht MoWi zu unserer Bordwand. Das Wi ist die erste Silbe von Eigner Wilfried, der jetzt eine Unterhaltung mit Heinz beginnt. Ich nutze die Gelegenheit, um schnell weiter am Blog zu feilen. Doch das Laptop versagt seinen Dienst.
Wir versuchen alles: Reset-Knopf drücken, Akku ausbauen und wieder einbauen…Nichts! Schließlich fahren wir erstmal mit dem Schlauchboot zum Einkaufen nach Mourtos, dem kleinen Ort am Festland.
Am nächsten Tag holt uns der ortskundige Wilfried mit seinem Schlauchboot ab und zeigt uns bei einem Bummel durch Mourtos einen kleinen Computer-Shop. Der „Experte“ sei erst wieder zwischen 21 und 22 Uhr im Geschäft, meint die junge Dame im Laden. Also fahren wir nach unserer Rückkehr an Bord mit unserem „Poros“ und dem Laptop noch einmal nach Mourtos.
Der „Experte“ schließt den Laptop ans Stromnetz an und drückt den Startknopf. Nichts! Er versucht es erneut. Da! Ein rotes Licht leuchtet an der Seite. Kurz darauf ein weißes….Doch der Startknopf reagiert zunächst noch immer nicht. Aber dann, nach intensivem Drücken des Startknopfes erwacht dieser zu neuem Leben und der Computer fährt hoch. Ein Blick auf den Akkuzustand sagt: Null Prozent! – Wo, zum Teufel, sind die 99 % geblieben?
Auch der „Experte“ hat keine Erklärung dafür und freut sich mit mir über die schnelle „Heilung“. Einen Lohn will er partout nicht annehmen, noch nicht mal ein kleines Trinkgeld.
„That´s Greece!“
Ich bin jedenfalls erleichtert und schwebe anschließend wie auf Wolke sieben mit dem Käptn durch die kleine Marina Mourtos. Hier gibt es Strom, Wasser und Mooringleinen an allen Plätzen sowie einen Namen und eine Telefonnummer an der Scheibe des winzigen Hafenbüros:
VIVIAN, +30 697 033 3752
Nachdem alles ein so gutes Ende genommen hat, gönnen wir uns zum herrlichen Sonnenuntergang über den Sivota-Inseln noch einen Aperol Spritz und beschließen, morgen in die Marina umzuziehen.
Am nächsten Morgen rufe ich gegen elf Uhr bei Vivian an. Wir können kommen!
Also Anker hoch, Wilfried „Tschüss!“ zurufen und ab in den Hafen.
Mourtos, links im Bild die Marina
Wir sind gerade im Hafenbecken, da erscheint schon ein drahtiger, weiß gekleideter Herr älteren Semesters auf einem kleinen Motorrad. Er zeigt uns unseren Platz zwischen zwei größeren Segelyachten und hilft beim Festmachen. Dann schiebt er unseren Stecker in den Stromkasten, reicht uns den angeschlossenen Wasserschlauch und kassiert für Strom und Wasser eine Pauschale von zehn Euro.
Wir können bis Montag bleiben, danach haben wir bereits für zwei Nächte einen Platz in der Gouvia Marina auf Korfu reserviert.
Der Herr Hafenmeister bleibt noch ein bisschen bei mir stehen und fragt schließlich, woher genau wir kommen. Ich glaube, er hat bereits unsere Hamburg-Flagge unter der Saling entdeckt, denn als ich „aus Hamburg“ sage, will er immer mehr Details wissen. Dann schwärmt er regelrecht von unserer „Perle“, von „Sankt Michael“ und der „Elbe Philharmonie“, die er schon mehrmals besucht hat. Und zwar war er bereits im kleinen als auch im großen Konzertsaal! – Wie bitte? – Ich habe bisher ohne Erfolg versucht, Konzertkarten für den großen Saal zu ergattern und dieser smarte Gentleman aus Griechenland besitzt nach eigener Aussage eine „Open card“, mit der er kostenlos in die „Elphi“ kommt! Außerdem kennt er einen prominenten Fernsehjournalisten und besitzt mehrere Häuser in Norddeutschland (in bester Wohnlage). Und seine deutsche Ehefrau ist in einer sehr bekannten Werbeagentur tätig.
Wenn das alles stimmt, betreibt dieser Mann, der fließend Englisch und Italienisch spricht, den Hafenmeisterjob lediglich als Hobby.
Nach eigener Aussage ist er für die Marina verantwortlich. Und die ist wirklich Top!
Alles ist sauber und gepflegt, alles funktioniert. Die Preise gleichen denen von 1990 in Dänemark:
60 Euro kassiert die hübsche Vivian für vier Nächte. Würde ich mich in ihr Häuschen bemühen, könnte ich sogar mit Karte bezahlen!
Heute ist uns auch Wilfried in den Hafen gefolgt. Der Ankerplatz ist ziemlich leer geworden, denn es ist zum Wochenende stärkerer Wind angesagt. Das „Mo“ in MoWi stammt übrigens von Wilfrieds Frau Monika, die (heiß ersehnt) sein Einsiedlerleben nächste Woche beenden wird.
Der Computer hat den neuen Blog-Text ohne zu mucken geschluckt. In einer der schicken Bars von Mourtos werde ich ihn heute Abend ins Netz stellen. Dann trinken wir noch einen Aperol Spritz auf Jakob, unseren „Großen“, der heute acht Jahre alt geworden ist und nach den Sommerferien schon in die dritte Klasse kommt.
Hier, in einer Atmosphäre, die ich mit dem Ausdruck: „Die Leichtigkeit des Seins“ beschreiben kann, müssen wir uns langsam von Griechenland verabschieden.
Am Montag werden wir Mourtos und die Sivota Inseln verlassen. Bei der Hafenbehörde in der Gouvia Marina auf Korfu werden wir ausklarieren. Dann folgt noch ein Ankerstopp auf der Insel Othonoi.
In unserem treuen Begleiter Griechische Küsten von Rod & Lucinda Heikell eröffnet sie den Reigen der griechischen Häfen und Ankerplätze, „die gern von Yachten angelaufen wird, die den Seeschlag von Italien nach Korfu unterbrechen möchten.“
Für uns wird Othonoi das letzte Fleckchen auf unserer Reise durch das grandiose, liebenswerte und gastfreundliche Griechenland sein.
Nisis Othoni (Othonoi) in unserem zweiten Hafenguide Griechenland 1 von Per Hotvedt.