In der Taverna Porto auf Zakynthos lodert schon das Feuer im Grillkamin, als wir auf der überdachten Terrasse vor dem Flachbildschirm Platz nehmen. Kurz darauf setzt sich ein junges deutsches Paar aus Ratingen an den Nebentisch. Einen Tisch weiter kommt ein Paar aus der Schweiz dazu. Alle warten gespannt auf den Anpfiff des WM-Vorrundenspiels Deutschland gegen Schweden.
Die Schweizer wollen nicht so recht raus mit der Sprache, wem sie die Daumen drücken. Sind eben eine „neutrale Nation“. Die junge Frau aus Ratingen hüllt sich derweil in eine große schwarz-rot-goldene Flagge. Sie ist ein echter Fußballfan und fiebert die ganze Zeit mit, während Deutschland eine Chance nach der anderen durch die Lappen geht und Schweden das erste Tor schießt.
Später setzt sich ein Paar aus Neuseeland neben mich. Wir haben ihre Yacht auf unserem Weg von Kalamata bis hierher nach Zakynthos schon zweimal getroffen und uns über die schwarze Flagge mit großer weißer Feder und der Aufschrift New Zealand gewundert. Haben Kiwis ein weißes Federkleid? Und überhaupt: Neu Seeland hat doch eine ähnliche Nationale wie Australien, nur einen Stern weniger auf dem blauen Hintergrund….?
Der Skipper klärt mich auf: An seinem Heck flattert die Flagge eines Rugby-Clubs! Er gibt zu:„ It is not legal„, aber in Griechenland kräht eh kaum ein Hahn danach, ob man sich an die Regeln der Flaggenführung hält.
Wir unterhalten uns noch über dieses und jenes, da geht plötzlich ein Aufschrei durch die Taverne. Nur ich habe das Ausgleichstor nicht mitbekommen! Aber meine Hoffnung auf einen Sieg der deutschen Mannschaft wächst wieder. Zumal auch die Griechen um uns herum mit Deutschland fiebern und viel positive Energie durch den Äther fließt!
Dann ist die reguläre Spielzeit zu Ende und fünf Minuten Nachspielzeit geben unseren verbliebenen 10 Nationalspielern (Boateng ist ja vom Platz geflogen) eine allerletzte Chance.
Scheint aber nicht zu klappen!
Die Minuten verstreichen und alle glauben: Die WM 2018 findet ab sofort ohne Deutschland statt.
Dann wieder ein Aufschrei! Und sogar die Griechen springen von den Stühlen hoch und jubeln: Toni Kroos hat auf dem aller-allerletzten Drücker das Siegtor für uns geschossen.
Efcharisto! Danke!
Nur das Schweizer Paar sitzt mit „neutraler“ Mine an seinem Tisch und ordert schnell die Rechnung.
Der Fußballzirkus geht also weiter. Wo wir wohl das nächste Spiel erleben werden? Vielleicht auf der Insel Kefalonia? Sie ist nämlich unser nächstes, 28 Seemeilen entferntes Ziel.
Vor genau 11 Monaten liefen wir die größte Ionische Insel zum ersten Mal an. Damals ankerten wir in der Bucht von Ay Eufimia und bekamen morgens einen gehörigen Schreck. Über Nacht hatte sich das Wasser völlig beruhigt und wir sahen wie durch eine Fensterscheibe, dass unser Anker sich nicht eingegraben hatte, sondern auf der Seite lag! Wäre in der Nacht Wind aufgekommen, hätte das böse ausgehen können.
Wir haben dann schnell den Anker hochgezogen und sind schnurstracks hinüber zum griechischen Festland und dann weiter nach Patras gesegelt, ohne einen Fuß auf die Insel Kefalonia zu setzen.
Heute kommen wir zum zweiten Mal nach Kefalonia, womit sich der Kreis schließt:
Wir haben den Peleponnes umrundet!
Heute wollen wir nach Sami, das nur 3,5 Seemeilen südlich von Ay Eufimia liegt.
Unsere Hafenführer (Rod Heikell, Griechische Küsten und Per Hotvedt, Hafenguide Griechenland 1) versprechen beide Längsseits-Liegeplätze im Hafen. Da müssen wir uns diesmal wenigstens keine Sorgen um den Ankerhalt machen.
Um die Mittagszeit sind wir da und am nördlichen Wellenbrecher, wo man laut Hafenführer längsseits gehen darf, liegt noch kein einziges Schiff.
Auf dem Weg dorthin werden wir aber regelrecht zurückgepfiffen.
Auf dem West-Quay gegenüber dem Wellenbrecher steht ein „Kugelblitz“ mit blauem XXXL-T-Shirt und gelber Warnweste. Er fordert uns auf, von der Mauer wegzubleiben.
Jetzt erkennen wir auch, dass es sich bei dem Häuschen auf dem Quay um das „Harbour-Office“ des „Harbour-Service“ handelt. Der soll wohl im Auftrag der Stadtverwaltung im Hafen von Sami für „Recht und Ordnung“ sorgen.
Wir drehen gehorsam um, fahren wieder hinaus und steuern zunächst die Außenseite des West-Quays an, wo uns ein junger, schlanker Mann im gleichen Outfit superfreundlich beim Festmachen hilft.
Seine erste Frage: „Wie lange wollt ihr bleiben?“ Antwort: „Drei Tage.“
„So lange?“ – „Ja, es sind ja für die nächsten Tage Gewitter angekündigt.“
„Da muss ich erstmal meinen Boss fragen“, sagt er und rennt zum Harbour-Office. Der Boss verlässt nach kurzer Diskussion seinen Ausguck und ist schließlich bereit, uns für drei Tage aufzunehmen. Wir sollen aber besser in den Innenhafen wechseln, denn: „It is not save“.
Dann dreht er sich auf dem Absatz rum und verzieht sich wieder in sein Häuschen.
Wir erklären dem jungen Mann, dass wir einen Längsseits-Liegeplatz brauchen und fragen, warum wir nicht am Wellenbrecher anlegen dürfen. „Das geht heute nicht. Wir erwarten drei große Schiffe,“ ist seine Erklärung.
„Aber am Südkai im Hafen sind laut unserem Hafenführer auch noch ein paar Längsseits-Plätze, “ sage ich.
Dazu nimmt der junge Mann erstmal keine Stellung, will aber seinen Boss fragen. Die beiden diskutieren wieder, wobei der Kugelblitz uns demonstrativ den Rücken zukehrt und dann auf seinem Moped davonrauscht. Wie ein geprügelter Hund kommt der junge Mann zu uns zurück, schüttelt bedauernd den Kopf, meint, wir sollen aber auf jeden Fall zusätzlich eine Spring legen und holt den Bon, auf dem die Hafengebühr für drei Tage ausgewiesen ist. Die 27 Euro und „ein paar Gequetschte“ will er später kassieren.
Der „Kugelblitz“ auf seinem Moped vor dem Harbour-Office
Wir vertäuen unser Boot mit vier dicken Leinen, befestigen das stabile Fenderbrett an der Mauer und bringen alle Fender zwischen Bordwand und Brett aus. Mittlerweile stürmen immer mehr Yachten in den Hafen hinein, denn der Wind nimmt ordentlich zu und drückt immer höhere Wellen in die Bucht. An unserer Mauer werden sie schließlich abgebremst und pressen sich mit lautem Gurgeln durch die torartigen Öffnungen in der Mauer. Dadurch knallen sie nicht in voller Wucht gegen die Mauer, aber trotzdem macht unser Schiff regelmäßig Sprünge wie eine Katze, der man auf den Schwanz getreten ist.
Die Außenmauer am West-Quay
Wir sitzen im Cockpit und halten bei jedem Hopser die Luft an. Ein Ablegemanöver ist mittlerweile zu riskant. Wir könnten dabei an die Mauer gedrückt werden und schweren Schaden nehmen. Denn sogar im Hafenbecken geht es mittlerweile hoch her!
Einige Yachten haben Schwierigkeiten, rückwärts anzulegen, weil sie vom Wind weggedrückt werden. Und drüben am inneren Wellenbrecher müht sich der Kugelblitz mit den Trossen einer großen Motoryacht ab, die erst nach mehreren Versuchen fest vertäut ist.
Ein britisches Paar hat besonders viel Mitgefühl mit uns und redet auf den Kugelblitz ein, als er – ohne auch nur einen Blick auf uns zu werfen – auf seinem Moped zum Ausguck zurückkehrt. Auch der Käptn versucht es noch einmal, denn es ist sehr wohl noch Platz am Wellenbrecher und auch am Südkai.
Nein, er hat kein Erbarmen und beruft sich darauf, uns ja gewarnt zu haben.
Dann reißt auch noch die Vorleine und Anima mea schrappt mit der Scheuerleiste so heftig die Mauer rauf und runter, dass die Metallschiene und das Teakholz, auf der sie aufgeschraubt ist, beschädigt wird.
Als der junge Mann auch noch die Hafengebühr kassieren will, erkläre ich, dass wir hier natürlich keine drei Tage bleiben werden und nur für heute bezahlen. Er setzt ein gequältes Lächeln auf und meint, das kann jetzt aber schlecht geändert werden. Wie bitte???
Mein strenger Lehrerinnenblick veranlasst ihn dann aber doch, zum Boss zu schleichen. Nach heftigem Wortwechsel kehrt er zurück, schnappt sich den Bon und kassiert 10 Euro. Ab da sind wir auch für ihn gestorben….
Gott sei Dank beruhigt sich der Wind am Abend und der Seegang nimmt deutlich ab. Irgendwann kommt kein Schiff mehr dazu. Am Wellenbrecher sind noch Lücken, aber der „Boss“ schließt die Tür an seinem Ausguck zu und entschwindet auf dem Moped an uns vorbei, als wären wir Luft.
Wir wären gerne länger auf Kefalonia geblieben, hätten uns einen Mietwagen geliehen, den unterirdischen See in der Melissani-Grotte besichtigt und sicher noch ein schönes Sümmchen beim Supermarkt und in den Tavernen gelassen.
Ob der „Boss“ vom Harbour-Service an sowas überhaupt gedacht hat, als die „dummen Deutschen“ nicht bereit waren, drei Tage an der Außenmauer entlang zu schrappen?
Als wir nach einer unruhigen Nacht um 5:30 Uhr wach werden, ist es draußen ganz still geworden. Doch das wird laut Wetterbericht nicht mehr lange so bleiben. Also Leinen los und schnell nach Ithaka, wo wir drei Stunden später im geschützten Hafen von Vathi den Anker werfen und frühstücken.
Dicke Wolken über der Bucht von Vathi
Um 10:20 Uhr setzt monsunartiger Regen ein. Wir stellen alle Eimer und Schüsseln ins Cockpit und fangen in einer Stunde fast zwei Kanister Regenwasser auf.
Immer mehr Schiffe suchen Zuflucht in der großen Bucht und der Platz wird allmählich knapp.
Vor uns geht ein Franzose mit zerfetzter Rollfock vor Anker.
Der Franzose
Welch ein Schaden! Und reparieren kann das hier niemand. Da sind wir mit unserer Scheuerleiste noch gut dran. Die kann der Käptn im Winterlager wieder zusammenleimen.
Rundum toben Gewitter. Trotzdem fahren manche Crews mit ihrem Beiboot an Land.
Plötzlich ertönen laute Rufe!
Der Katamaran „Intermezzo“ treibt herrenlos durchs Ankerfeld. Zwei Männer von anderen Booten springen beherzt in ihr Dinghi und pushen den Kat weg von den Schiffen, die er zu rammen droht.
Um schneller draußen zu sein, schläft der Käptn bei offener Luke im Salon. Mitten in der Nacht reißen ihn wieder laute Schreie aus dem Halbschlaf. Dieses Mal treibt eine britische Yacht durch´s Ankerfeld, während es in Strömen regnet.
Die kurze Regenpause am nächsten Morgen nutzen wir, um im Eiltempo die nötigsten Einkäufe zu erledigen. Kaum sind wir an Bord zurück, geht das Gepladder schon wieder los. Immerhin löst das die Salzkruste aus allen Ritzen!
Nach dem Regen soll Sturm aus Westen kommen. Da kann es in Vathi ungemütlich werden und das nächste Fußballspiel können wir auch noch knicken!
Am Mittwoch ist es morgens um sechs Uhr windstill und trocken. Bis mindestens zwölf Uhr soll es mit höchstens vier Beaufort blasen. Zeit genug, um die sichere Lefkas Marina ( www.d-marin.com )zu erreichen.
Dramatischer Morgenhimmel
Um 11:15 Uhr haben wir den Kanal von Levkada, der durch die Salzmarschen zwischen der Insel Levkada und dem Festland ausgebaggert wurde, hinter uns. Über UKW-Kanal 69 melde ich mich beim Hafenbüro der Marina. Für zwei Nächte können wir eine Mooring bekommen. Danach sei leider alles durch die zurückkehrenden Charterschiffe belegt. Na, immerhin können wir heute vielleicht noch eine neue Starterbatterie bekommen und die deutsche Nationalmannschaft beim Kampf gegen Südkorea anfeuern.
Wir sind nicht die einzigen, die sich hier vor dem angekündigten Sturm in Sicherheit bringen wollen. Also müssen wir am Marina-Eingang warten, bis ein Marinero mit seinem Schlauchboot kommt und uns zum Liegeplatz führt. Dort hilft er beim Festmachen und gibt mir ein Kuvert mit den Anmeldeformularen.
Als ich sie ausgefüllt habe, gehe ich zum blauen „Tower“, wo sich das Büro befindet. Unterwegs werfe ich einen Blick in die Sanitärgebäude. Alles edel und gepflegt, mit Zea Marina und erst recht nicht mit Kalamata Marina zu vergleichen.
Doch die große Marina mit 620 Liegeplätzen hat noch viel mehr zu bieten: Hotels, Restaurants, Charterservice, Supermarkt, Wäscherei, Schiffsausrüster und technischer Service (z.B. Volvo, Wartung von Rettungsinseln, Segelmacher) und Winterstellplätze.
Wer keinen Platz in der Marina ergattert, kann vielleicht im Stadthafen gegenüber unterkommen oder notfalls zwischen Stadthafen und Marina ankern.
Die Stadt Lefkas ist nur fünf Gehminuten entfernt. Dort finden wir einen deutsch sprechenden Schiffhändler (THALASSA MARINE; Tel. +312645020040), der in Athen eine AGM – Starter – Batterie für uns bestellt. Und auf die neuen Festmacherleinen gibt es 25% Preisnachlass (die Batterie ist ja auch teuer genug).
Als auch noch die Bettwäsche in der Wäscherei abgegeben ist, können wir zum gemütlichen Teil des Tages übergehen: Fußball gucken im Marinarestaurant.
Gemeinsam mit Anja und Rolf von der SY Charm versuchen wir, die Deutschen anzufeuern. Doch die kommen gegen die südkoreanischen Kampfmaschinen überhaupt nicht in die Gänge.
Aus-Ende-vorbei! Es fließt anschließend eine ganze Menge Uzo, mit dem der Frust runtergespült werden muss. Aber Dank Anja und Rolf wird es ein lustiger Abend, der mit einem Extra-Uzo an Bord der Charm und noch einem Extra-Uzo an Bord der Anima mea endet.
Inzwischen hat sich der Sturm weitgehend gelegt. Viele Charteryachten sind heute ausgelaufen. Auch Anja und Rolf sind nach Ithaka aufgebrochen. Wir haben noch einen Tag Verlängerung herausgeschunden, denn unsere Batterie kommt erst morgen früh. Dann müssen wir um zehn Uhr weg, weil samstags Abgabetag für die Chartercrews ist und wir liegen auf einem Platz der Firma „Sunsail“.
Wir haben wieder mal Glück gehabt: Ein sicherer Liegeplatz bei wirklich fiesem Starkwind. Ein Schiffshändler, der unermüdlich rumtelefoniert hat, um die passende Batterie zu besorgen und ein Speiselokal, das uns heute Abend einen genussvollen Abschied von Lefkada bereiten wird.
Es ist die älteste Taverne von Lefkas und heißt EFTICHIA.
Das Stifado und die Gemüsepastete waren ein Gedicht!
Mal schaun, was heute auf den Teller kommt….