Im Allgemeinen. Hier in Sizilien aber auch im Besonderen.
Der Grund dafür ist Europas größter Vulkan: der ÄTNA. Er steht dort, wo Afrika und Europa zusammenstoßen und sich immer wieder aneinander reiben, dass es nur so kracht und zischt. Denn der größte Teil Siziliens gehört geologisch zur afrikanischen Platte, während nur der Norden zur eurasischen Kontinentalplatte gehört.
Wer hier lebt, muss täglich damit rechnen, dass glühende Lavaströme Haus und Garten verschlucken oder Erdbeben das Dach über dem Kopf einstürzen lassen.
So geschehen 1693, als ein Beben ganz Südostsizilien zerstörte. Im Nordosten der Insel traf es zuletzt Messina. 1908 verwüstete das stärkste je in Europa gemessene Erdbeben auch noch die letzten antiken Gebäude, die nach dem ebenfalls verheerenden Beben von 1783 übriggeblieben waren. Noch viel schlimmer: 80 000 Menschen wurden von den Trümmern begraben oder fanden in der anschließenden Flutwelle den Tod.
Schon von weitem erkennbar: Messina ist eine moderne Stadt
Doch nicht genug damit, dass Naturkatastrophen diese von Griechen gegründete Stadt beutelten. Auch Karthager, Römer, Sarazenen, Normannen und Spanier machten den Menschen an dieser strategisch wichtigen Stelle des Mittelmeeres mit Überfällen und Belagerungen das Leben schwer. Im Zweiten Weltkrieg hatten sie es schließlich auch noch den Deutschen zu verdanken, dass die Angriffe der Alliierten Messina durch Luftangriffe zerstörten.
Kein Wunder, dass Messina heute überwiegend aus erdbebensicheren Neubauten besteht. Was alt aussieht, wurde kunstvoll rekonstruiert. So auch „Il Duomo„, die Kathedrale, die ursprünglich im Jahre 1197 erbaut wurde. Daneben erhebt sich der freistehende Glockenturm von 1933 mit einer astronomischen Uhr und goldenen Figuren, die zur vollen Stunde in Bewegung kommen und die Geschichte der Stadt lebendig werden lassen.
Ein Meisterwerk der Rekonstruktion: Der Innenraum der Kathedrale von Messina
So gibt es für uns auch nicht viel mehr zu besichtigen als diese schöne Kirche. Nach einem kurzen Stadtbummel füllen wir unsere Vorräte auf und tanken in zwei Runden per Kanister an der sehr nah gelegenen Autotankstelle Diesel. Eine Herausforderung ist dabei die Überquerung der zweispurigen „Raserstrecke“, die am Hafengelände entlang aus der Stadt hinausführt.
Das Barometer sinkt beständig während der drei Tage in Messina und schließlich verwandeln sich die dicken Dunstschleier über den Bergen in graue Regenwolken. Bei einem kurzen, kräftigen Schauer bieten uns bei einem Spaziergang die mächtigen Bäume an der Uferpromenade Schutz, denn der Regenschirm ist längst „eingemottet“. Zu uns gesellen sich ein paar andere Passanten, die ebenfalls nicht nass werden wollen. Bei schönem Wetter treffen sich hier die Kinder zum Fußballspielen und die Jugendlichen zum Abhängen. Manche stecken auch die Köpfe zusammen und tauschen kleine Tütchen aus….
Beliebter Treffpunkt bei Regen und Sonnenschein
In der kleinen Marina del Nettuno werden wir an Bord kräftig durchgeschaukelt. Das liegt zum einen am Gezeitenstrom in der Straße von Messina und zum anderen am regen Schiffsverkehr der Fähren, Kreuzfahrer und Handelsschiffe, die geschäftig durchs Wasser quirlen, während die Statue der Madonna della Lettera ihnen den Weg weist.
Das vergoldete Standbild der Gottesmutter, die nach der Legende durch die Hand ihres Sohnes geführt, einen Brief an die Stadt Messina sandte, steht an der Hafeneinfahrt und ist das Wahrzeichen der Stadt Messina. Auf der insgesamt 35 Meter hohen Säule leuchtet in weißen Lettern der Satz: VOS ET IPSAM CIVITATEM BENEDICIMUS (Wir segnen euch und die Stadt)
Am Donnerstag, dem 8. Juni, scheint wieder die Sonne, und ein leises Lüftchen weht aus Norden. Bei Stillwasser legen wir um 7:35 Uhr ab. Nach 20 Minuten steht die Genua und der Motor hat Ruhe. Der Wind bläst von achtern mit angenehmen drei Bft ins Vorsegel und mit etwa vier Knoten ziehen wir nach Süden in Richtung Taormina. Wo sich kürzlich die Mächtigen dieser Welt trafen und Mister „America first“ mal wieder für schlechte Stimmung sorgte, wollen wir nach 26 Seemeilen an eine Boje gehen.
Doch Wind und Wellen nehmen beständig zu. Gleichzeitig erhöht der Tidenstrom die Fahrt um zwei Knoten. Kein Wunder: Es ist gerade Vollmond, also „Springtide“. Der Wind hält sich mal wieder nicht an den Wetterbericht, bläst inzwischen mit beständigen vier Bft und haut dazwischen regelmäßig Böen von fünf bis sechs Bft heraus. Anima mea schlingert mit gereffter Genua über die Wellenberge, die sich von hinten mit weißen Schaumkronen heranschieben.
In der Bucht von Taormina sehen wir durchs Fernglas die Yachten an den Bojen tanzen. Kein Wunder, denn Wind und Wellen drücken genau in die Bucht unter der Stadt, die auf einem Sporn der Pelirotani-Berge gebaut wurde. Von dort schaut sie auf den ewig rauchenden Ätna. Leider können wir uns heute nicht zu den Gästen dieses meistbesuchten und bekanntesten Ferienortes von Sizilien zählen!
Taormina im Vorbeisegeln
Auch der nahe gelegene Hafen von Naxos (Giardini) kommt bei dieser Windrichtung nicht in Frage. „Worst case“ ist angesagt, denn nun müssen wir in die angeblich teuerste Marina an der Nordost-Küste ausweichen: Marina Riposto dell` Etna.
Riposto
Im Hafenhandbuch steht: „Ansteuerung bei Tag und Nacht problemlos.“, doch die Wellenberge schieben sich bis zur Hafeneinfahrt, wo sie kreuz und quer laufen. Kurz vorher wird der Motor gestartet und die Genua eingerollt. Mit halsbrecherischen Auf- und Abwärtsbewegungen kommt uns eine auslaufende Yacht entgegen. Ein Mitglied der Männercrew steht heldenhaft auf dem Vorschiff und fotografiert mit dem Smartphone die Bolzerei durch die Brecher. Ich bleibe lieber im sicheren Cockpit und melde mich schon mal über Funk im Hafen an.
Wie es sich für eine gute Marina gehört, wird prompt und auf Englisch geantwortet. We are wellcome! Hoffentlich machen sie uns hier nicht zum Bettler…
Ein Marinero kommt uns im Schlauchboot entgegen, führt uns zu einem geschützten Platz, hilft beim Anlegen und lässt uns dann erst mal Zeit fürs „Relaxen“. Mit einem Anlegebier stoßen wir auf den ersten Törn dieses Jahres an, bei dem wir von A bis Z (33 Seemeilen) nur gesegelt sind. Doch wir gehen davon aus, dass der eingesparte Diesel wieder von der Hafengebühr aufgefressen wird.
Aber dann die Überraschung: „Nur“ 52 Euro will die reizende junge Dame an der edlen Rezeption von mir haben. Dafür gibt es: Strom, Wasser, sehr schöne Sanitäranlagen mit Laundry, Wifi an Bord und eine herrliche Aussicht auf den Ätna (ital. Etna), der im Schein der untergehenden Sonne seine glutrote Rauchfahne in die Luft bläst.
Ätnas Rauchfahne im Abendrot
Von hier aus könnten wir diesem gewaltigen Vulkan gut einen Besuch abstatten. Doch auch 52 Euro sind viel Geld. Deshalb klappere ich telefonisch die verschiedenen Clubs in Catania ab. Die erste Nummer existiert angeblich nicht, bei der zweiten geht keiner ran. Beim Club Nautico jedoch ertönt am anderen Ende „Pronto?“.
Mein Gesprächspartner versteht mich zwar, ist aber nur sehr begrenzt der englischen Sprache mächtig. Trotzdem gelingt es, für den nächsten Tag einen Liegeplatz für 40 Euro zu reservieren. Darin ist alles enthalten, was wir brauchen: Trinkwasser, Strom, Dusche, Toilette und Wifi.
Als ich Heinz die frohe Botschaft verkünde, überrascht er mich mit einer Einladung auf die „Secret Breeze“. Wir hatten das englische Paar bereits auf Salina, dann in Milazzo und zuletzt in Messina getroffen, uns aber nur freundlich zugewinkt bzw. in Milazzo ein paar Worte miteinander gesprochen. Nun hatte Sue Heinz an der Rezeption getroffen und uns für sechs Uhr auf ein Glas Wein eingeladen.
Es wird ein unterhaltsamer Nachmittag mit Sue und Mike aus Ipswich. Auch sie sind mit ihrem Schiff seit einigen Jahren unterwegs und wollen im Herbst nach Griechenland und später nach Kroatien, wo ein Familientreffen ansteht. Doch zunächst wollen wir alle nach Catania.
Leider ist mal wieder kein Wind und wir müssen die 17 Seemeilen motoren. Kurz vor dem „Loch“ brist es plötzlich heftig auf. Um uns herum wirbelt das Wasser wie im Gezeitenrevier von England oder Frankreich. Der Wind steht gegen den Strom und eine unangenehme See baut sich vor der Hafeneinfahrt auf. Aber im riesigen Hafen von Catania ist alles wieder ruhig und wir können das Großsegel bergen, das wir zur Stabilisierung hochgezogen hatten.
Über Funk versuche ich, den Club Nautico zu erreichen. Doch keiner geht ran. Gut, dass ich die Telefonnummer abgespeichert habe. Das vertraute „Pronto?“ erklingt sofort. Dann winkt auch schon jemand vom Steg des Clubs und wir machen fest in Catania.
Sue und Mike finden wir in einer anderen Marina. Heute kommen sie zu uns an Bord. Wir bewirten sie mit Wein und Käse sowie einem superleckeren Chutney aus Portugal. Das hatte eine portugiesische Ehefrau im letzten Winter für ihren segelnden Ehemann aus Kürbissen und Walnüssen hergestellt, damit es ihm auf dem Weg nach Griechenland das Leben versüßt. Gemeinsam mit seinem Bruder Pedro segelte Henrique dann die „Ou Mun“ übers Mittelmeer, wo wir sie in Messina an unserem Steg trafen. Als ich Henrique mit „Bom dia“ begrüßte und nach der Bedeutung des ungewöhnlichen Namens fragte, kamen wir sofort ins Gespräch, und schließlich endete das Ganze in einer Einladung an Bord des ehemaligen Piloten und seines Bruders, ebenfalls Expilot. Dort erfuhren wir dann viel über Griechenland, das die beiden bereits kannten und als nächstes Ziel ansteuern wollten. Auch, dass die Ou Mun aus China stammt und ihr Name für das chinesische Makao steht. Dann verriet Henrique uns, dass sie zum Anstoßen in einem neuen Hafen stets Champagner aus der Kühlbox holen, gestern aber zu müde dazu waren.
Und so kommen wir an diesem Spätnachmittag auf Sizilien auf einem portugiesischen Schiff aus China zu einem Gläschen französischen Champagner, zu portugiesischem Käse und dem leckeren Mus der portugiesischen Ehefrau, von dem wir zum Abschied ein großes Glas mitbekommen.
Sue und Mike an Bord der Anima mea