Am nächsten Tag ziehen Sue und Mike weiter nach Syrakus. Wir können ihnen nicht hinterherwinken, denn heute müssen wir früh aufstehen. Es fährt nämlich pro Tag nur ein einziger Bus zum Ätna. Und den wollen wir kriegen.
Zurzeit ist der Ätna 3340 m hoch
Bereits um 8:00 Uhr sind wir am Ticketschalter der AST-Busse. Keine Warteschlange! Dann ein paar (lebensgefährliche) Schritte über die Straße und wir sind an der Bushaltestelle vor dem Bahnhof. Der Bus steht schon bereit. Um 8:15 Uhr geht es los.
Mühsam quält sich der Bus durch die verstopften, engen Straßen von Catania. Die Busfahrer hier haben echt Nerven wie Stahlseile. Es dauert eine Ewigkeit, bis wir die heruntergekommenen Vororte hinter uns gelassen haben.
Die junge Frau vor uns kramt in ihrer Tasche nach einer Plastiktüte. Dann übergibt sie sich. Immer und immer wieder würgt sie lautlos in die Tüte. Morgenübelkeit oder Reisekrankheit? Der junge Mann neben ihr jedenfalls leidet sichtlich mit.
Die Straße windet sich jetzt stetig bergauf durch grünes, blühendes Hügelland. In der fruchtbaren Vulkanerde gedeihen Wein und Zitrusfrüchte prächtig. In Nicolosi, das sich „Tor zum Ätna“ nennt, machen wir eine kurze Pause und einige Passagiere steigen zu. Dann geht es weiter. Links und rechts der Landstraße blicken wir auf Lavafelder.
Auf 1.923 m Höhe endet die Busfahrt an der Drahtseilbahn. Hier stellen wir uns wieder am Ticketschalter an. Wir müssen entscheiden, ob wir für 30 Euro pro Person nur bis auf 2500 m Höhe auf den Ätna hinaufwollen oder von dort aus mit einem Geländebus bis auf 2900 m weiterfahren wollen. Das kostet dann 65 Euro.
Angesichts der Tatsache, dass wir nie wieder die Chance haben werden, dem Krater von Europas höchstem aktiven Vulkan so nah zu kommen, entscheiden wir uns für die teure Variante.
Es geht zügig weiter. Schon schweben wir in einer Sechserkabine bergaufwärts. Die grünen und weißen Tupfer der Pflanzenpolster verzaubern die grauen Aschefelder zu einem Naturkunstwerk. Dazwischen stapfen immer wieder kleine Wandergruppen die steilen Hänge hinauf.
Pflanzenpolster mit Seilbahnschatten
Als wir an der Endstation aussteigen, sind wir froh, die teure Variante gewählt zu haben. Von hier aus hat man zwar einen schönen Blick in die Ferne, doch 30 Euro wäre uns das nicht wert gewesen.
Am Ausgang der Seilbahnstation warten schon die Geländewagen. Alles ist prima organisiert. Die Besucher werden zügig auf die Fahrzeuge verteilt und schon geht es über die staubige, steile Schotterpiste durch bizarres Lavageröll. Erinnerungen an unsere Busfahrt durch den Timanfaya- Nationalpark auf Lanzarote werden wach.
Als wir aussteigen, nehmen uns Führer in Empfang. Unserer heißt Pepe. Er erklärt uns auf Englisch, dass die letzten Ausbrüche 1983 und 1985 am Südhang die Seilbahn, die Provinzstraße und die Skiliftanlage zerstörten. Ja, richtig gehört! Im Winter wird hier Ski gefahren. Pepe berichtet, dass im vergangenen Winter zwei bis drei Meter Schnee auf dem Ätna lagen.
Beim verheerenden Ausbruch von 2001 wieder das Gleiche: Seilbahn, Straße und Skilift zerstört. Dann 2002 ein neuer Ausbruch, bei dem sich zwei Lavaströme bildeten. Am Südhang – also hier – nahm die Lava den gleichen Weg wie im Jahr zuvor. Am Nordhang zerstörte der Lavastrom in wenigen Tagen die Touristenstation Ätna Nord-Piano Provenzana.
Der letzte Ausbruch war dieses Jahr im Frühjahr. Pepe hat es buchstäblich hautnah mitbekommen. Er stand mit einem BBC-Team hier oben, als ihm plötzlich die Brocken um die Ohren flogen. Einer traf ihn am Kopf. Stolz zeigt er uns die rote Narbe zwischen den tiefschwarzen Haaren. Trotzdem liebt er „seinen“ Vulkan.
Pepe
„Kann das jederzeit ohne Vorwarnung passieren?“ will jemand wissen. Pepe erklärt, dass der Hauptkrater mit entsprechenden Instrumenten ständig überwacht wird. Zurzeit ist es deshalb verboten, noch weiter hinaufzusteigen. Doch in der Umgebung des Hauptkraters brodelt es an so vielen Stellen, dass man das nicht alles überwachen kann. Hier passieren wie in seinem Fall ganz unvorhergesehene Eruptionen.
Gut, dass Pepe nicht von einer der gewaltigen „Bomben“ getroffen wurde, die kugelrund geformt überall herumliegen. Sie bilden sich, wenn der Ätna dicke Magmatropfen ausspuckt, die dann mit hoher Geschwindigkeit rotierend durch die Luft fliegen.
Ich sitze auf einer Bombe
Wir wandern nun um den Krater von 2001/02. Unglaublich: Man muss nur ein kleines Loch in die schwarze Erde kratzen, dann wir es richtig heiß. Und dazu die Ausblicke auf den brodelnden Krater und die von ihm geformte Landschaft. Wirklich beeindruckend!
Kraterführung
Am Ende der Führung wartet schon ein Geländebus auf uns. Dann geht es wieder hinunter zur Seilbahnstation. Wir haben noch jede Menge Zeit bis zur Busabfahrt und machen erstmal Pause auf der Terrasse des Seilbahnrestaurants. Wie klar und frisch die Luft hier oben ist!
Als wir wieder zur Bushaltestelle hinunterfahren, sind wir ganz allein in der Gondel. So langsam hüllt sich der Ätna wieder in ein Wolkenkleid. Er raucht zwar immer ein bisschen, doch das meiste, was er „ausatmet“ ist Wasserdampf.
Bis 16:30 Uhr haben wir immer noch viel Zeit. Was also tun? Die Holzhäuschen mit den Andenken haben wir schnell abgeklappert. Also wandern wir ein Stück die Straße entlang zum Crateri Silvestri, der zuletzt 1986 ausbrach und eine beeindruckende Landschaft geformt hat. Ein Fotografenteam hat sie als Kulisse für Aufnahmen mit der wahrscheinlich hübschesten Mitarbeiterin der Funivia dell´Etna (die einzige Gesellschaft, die auf dem Südhang des Ätnas die Ausflüge bis zu den genehmigten Kraterzonen durchführt) gewählt. Leider funken die „blöden“ Touristen immer dazwischen, wenn sie mal wieder Anlauf nimmt, um werbewirksam vor die drei Linsen zu laufen.
Vorne das Fotomodell, hinten die Touris
Nun wird es aber Zeit für uns, den einzigen Bus zurück nach Catania zu erwischen. An der Bushaltestelle warten schon eine Reihe der Fahrgäste, die mit uns hierher kamen. Auch die junge Frau mit dem morgendlichen Brechreiz sitzt auf einer Mauer. Von ihrem Begleiter keine Spur.
Dann kommt der Bus. Wir steigen ein. Die junge Frau ebenfalls. Suchend blickt sie nach draußen, doch der Platz neben ihr bleibt leer. Dann verlässt sie den Bus und telefoniert. Anschließend spricht sie draußen mit dem Busbegleiter, der bei der Busabfahrt die Fahrgäste gezählt und während der Fahrt Ansagen gemacht hat. Wartend stehen sie draußen, während der laufende Motor vor sich her brummt.
Verschwitzt und abgekämpft tauchen endlich der junge Mann und noch ein paar andere junge Männer auf, die wohl von einer Wandertour zurückgekehrt sind. Dann geht es mit zehnminütiger Verspätung los. Das junge Paar diskutiert miteinander. Dann verzieht sich der junge Mann auf die beiden freien Sitze vor ihnen und schläft ein. Auch andere Passagiere streifen ihre klobigen Wanderschuhe ab und rollen sich auf dem Sitz zusammen, um sich von den Strapazen der Ätnabesteigung zu erholen.
Die junge Frau schaut stumm aus dem Fenster. Übergeben muss sie sich auf der Rückfahrt nicht mehr. Vielleicht doch schwanger?
Während ich aus dem Fenster auf die vorbeihuschenden Zitronenhaine schaue, sehe ich, dass der Käptn neben mir ebenfalls eingenickt ist. Beim Stopp in Nicolosi wird er wieder wach. Gut, dass er ein erholsames Schläfchen gemacht hat, denn es wird eine unruhige Nacht.
Im Hafen von Catania ist nämlich das „Disco-Fieber“ ausgebrochen. Gleich aus zwei „Open-Air-Discos“ dröhnt die Musik und lässt uns erst um drei Uhr morgens ruhig schlafen. Die italienische Lebensfreude hat eben auch etwas von einem aktiven Vulkan, der regelmäßig im heißen Mittelmeersommer zu brodeln beginnt.
Kraterrand
Tolle Tour habt Ihr da gemacht…ich werde an Euch denken denn ich habe hier von meinem Besuch in Catania noch original Olivenöl vom Ätna…das schmeckt schärfer und pfeffriger als normales Olivenöl und dann kann man beim Salatkauen vom Vulkan träumen….
Lieber Gruss, Jürgen
Toll, dass wir dich so inspirieren können! Guten Appetit!