Das weiß wohl jeder: Das antike Rom erstreckte sich über sieben Hügel.
Ihre Namen kennt sicher nicht jeder: Palatino, Capitolino, Aventino, Celio, Esquilino, Viminale, Quirinale.
Die Fläche dieses antiken Stadtgebiets beträgt 143 Quadratkilometer, wogegen die Gesamtfläche Roms heute 1285 Quadratkilometer beträgt.
Was auch jeder weiß: Rom wurde der Sage nach von Romulus und Remus gegründet.
Auf deren Spuren begeben wir uns am 5. Oktober in der Hoffnung, dass viele Touristen zum Petersplatz strömen, um dort um 10:30 Uhr mittwochs in den Genuss des Papstsegens zu gelangen und gleich im Anschluss Dom und Vatikanische Museen zu besichtigen.
Die Rechnung scheint aufzugehen! Trotz des herrlichen Wetters erhalten wir an der Ticketkasse am Kolosseum zügig unser Sammelticket für Kolosseum, Forum Romanum und Palatin (Palatino) für 12 Euro pro Person.
Um zur Keimzelle Roms zu gelangen, muss man zuerst auf den Monte Palatin hinauf. Im Museo Palatino findet man dann das Modell eines Hüttendorfes. In einer der Hütten lebte Romulus auf dem Palatin.
Das Hüttendorf
Die ausgegrabenen Mauern der „Casa Romuli“ kann man zwischen den Resten der verschiedenen Residenzen und Paläste römischer Kaiser in Natura besichtigen.
Casa Romuli
Für den Unkundigen sind es nur ein paar Mauerreste, alte Steine, wie man sie an vielen Ausgrabungsorten findet.“ Ach, hier soll der Romulus gelebt haben?“ wird er vielleicht sagen und dann schnell weitergehen, um sich „spektakuläreren“ Bauten zuzuwenden.
Kennt man jedoch die Geschichte dieser Steine, werden die Mauern lebendig und mit ein bisschen Fantasie zur Bühne einer aufregenden Story!
Es ist im 8. Jahrhundert vor Christus, als die Vestalin Rea Silvia ihren Dienst verrichtet. Vielleicht kümmert sie sich gerade um das Herdfeuer im Tempel der Vesta, vielleicht ist sie auch auf dem Weg zum Hain der Camenae außerhalb der Stadtmauer. Dort holt sie frisches Wasser an der Quelle der Nymphe Egeria, um anschließend damit den Tempel zu reinigen. Sie hat sich in ihr Leben als Vestalin gefügt, obwohl ihr Onkel Amulius ihr Schreckliches angetan hat. Als Königstochter war sie eigentlich dazu berufen, einen Thronerben zu gebären. Doch der Onkel hat ihrem Vater Numitor, König von Alba Longa, den Thron entrissen. Dann hat er sie gezwungen, Vestalin zu werden und damit ein Leben in Keuschheit zu verbringen. Darüber wacht streng der Pontifex maximus, der oberste Priester. Schon, wenn sie das heilige Feuer verlöschen ließe, würde sie zur Strafe von ihm ausgepeitscht, denn das verhieße Unglück für Rom. Den Verlust der Keuschheit würde sie jedoch nicht überleben! Bei lebendigem Leibe begraben würde man sie, damit ihr Fehltritt dem römischen Gemeinwesen nicht zum Verhängnis werden könnte.
Die Bildnisse berühmter Vestalinnen im Forum Romanum
Das Forum Romanum: Am unteren Bildrand ein Teil des Atriums (heute Wiese), links davon der Tempel der Vesta. Im Atrium lebten die Vestalinnen.
Plötzlich wird es dunkel um sie herum. Sie spürt, wie jemand über sie herfällt. Es ist kein geringerer als der Kriegsgott Mars persönlich, der sie vergewaltigt!
Sie darf niemand von dem Erlebnis erzählen. Auch keine der anderen fünf Priesterinnen darf davon erfahren. Teilweise sind sie ja noch Kinder zwischen sechs bis zehn Jahren, die für mindestens 30 Jahre zum Dienst in den Tempel berufen wurden.
Es fällt ihr schwer, ihren Aufgaben im Tempel wie gewohnt nachzukommen. Aus Salzwasser und Getreideschrot bereitet sie dort die „mola salsa“ für die Kulthandlungen. Das „suffimen“ aus der Asche ungeborener Kälber darf jedoch nur die dienstälteste Vestalin herstellen. Ob sie schon bemerkt hat, dass etwas nicht stimmt? Denn allmählich rundet sich der Bauch, ist kaum noch unter den gerafften Gewändern zu verbergen.
Als Vestalin genießt sie hohes Ansehen, ist wohlhabend und kann frei über ihr Vermögen entscheiden. Wenn sie ins Theater oder in den Zirkus geht, wird sie von einem Leibwächter – dem liktor – begleitet. Dort sitzt sie auf einem Ehrenplatz, unterhält sich mit den Politikern und hat Einfluss auf sie. Was sonst nur verheiratete Frauen dürfen: Sie fährt mit einem Wagen, wenn sie zu Opferhandlungen in die Stadt muss. Doch all diese Aufgaben fallen ihr zunehmend schwerer und die Sorge um die Zukunft wächst. Und eines Tages setzen die Wehen ein.
Was sie als verheiratete Königstochter überglücklich gemacht hätte, jetzt bedeutet es doppeltes Leid: Sie bringt Zwillinge zur Welt!
Natürlich wird sie zum Tode verurteilt, doch der Flussgott Tiberinus rettet sie. Obendrein erfährt ihr Onkel Amulius von den beiden kleinen Jungen, die sie geboren hat. Um sie als Thronfolger auszuschalten, beauftragt er Diener damit, sie in einem Weidenkörbchen am Fuße des Hügels Palatin im Tiber auszusetzen, der gerade Hochwasser führt.
Dort, wo später das Forum Romanum stehen wird, befindet sich das Heiligtum der Göttin Rumina in der Nähe eines Feigenbaums. Als das Hochwasser bald nach der Aussetzung sinkt, bleibt das Körbchen an einem Zweig des heiligen Baumes hängen, kippt und die beiden Babys purzeln in den Schlamm. Das gefällt ihnen gar nicht, und sie schreien los!
Das Geschrei dringt an die feinen Ohren einer Wölfin, die gerade ihre Jungen säugt. Neugierig macht sie sich auf die Spur der Schreihälse, zieht sie aus dem Schlamm und leckt sie sauber. Schnell greifen sich die beiden hungrigen Knaben eine Zitze und saugen die warme Milch in sich hinein. Da soll noch einmal jemand das Märchen vom bösen Wolf erzählen!
Die Legende von Romulus und Remus in Stein gemeißelt (Ostia Antica)
Aber nicht nur die Wölfin, auch ein Specht versorgt die beiden Kinder mit frischem Futter, so dass sie wachsen und gedeihen. Klar, dass Wölfe und Spechte bei den alten Römern als heilige Tiere verehrt wurden!
Die Welt ist klein in der damaligen Zeit und die Hirten des Königs sind nicht weit! Einer von ihnen heißt Faustulus. Er entdeckt das Familienidyll in der Wolfshöhle und nimmt die Kinder Romulus und Remus mit nach Hause zu seiner Frau. Dort werden die „Wolfskinder“ zu gestandenen Hirtenbuben erzogen.
Es kommt, wie es kommen muss: Eines Tages bekommen die Zwillingsbrüder Streit mit den Hirten ihres Opas Numitor, weil sie ihnen immer wieder Tiere abjagen. Während Romulus mit seiner Beute beschäftigt ist, schnappen sich die „Geschädigten“ Remus und schleppen ihn zu ihrem Herrn. Ersatzpapa Faustulus will Remus helfen, eilt zu Numitor und deckt das tragische Familiengeheimnis um die beiden Kinder auf. Bei genauerem Hinsehen erkennt nun auch der Opa, dass ihm die Gesichtszüge der Jungen bekannt vorkommen und alle sind glücklich, wieder miteinander vereinigt zu sein. Natürlich wollen die Enkel ihren Großvater als rechtmäßigen König wieder auf dem Thron sehen und erschlagen den bösen Onkel Amulius.
Nun ist Numitor wieder König! Aus Dankbarkeit erlaubt er seinen Enkelsöhnen, an der Stelle, wo sie ausgesetzt wurden, eine Stadt zu gründen. Der Opa hat offensichtlich keine Erfahrung mit Enkeln!
Wenn ich meinen beiden Enkeln ein Geschenk mitbringe und sage: “Es ist für euch beide!“ gibt es über kurz oder lang bestimmt Streit. So auch bei Romulus und Remus. Noch bevor der erste Stein steht, streiten sie sich darüber, wer den Namen der Stadt bestimmt und wer in ihr oberster Herrscher ist. Schließlich sind sie ja Zwillinge und am gleichen Tag geboren! Da ist es noch schwieriger mit dem Bestimmen!
Jetzt muss das Orakel helfen! Da gibt es viele Möglichkeiten zu orakeln, aber auf jeden Fall – da sind sich alle einig – offenbart es den Willen der Götter. Die Brüder entscheiden sich für das Vogelschau – Orakel. Ob es nun um Adler oder Geier geht, ist mir nicht ganz klar geworden. Jedenfalls müssen möglichst viele der entsprechenden Vögel in einer gewissen Zeit gesichtet werden. Für den besseren Überblick begibt sich Romulus auf den Monte Palatino (51 m hoch) und Remus auf den Monte Aventino (47 m hoch). Romulus gewinnt, was Remus als echter Zwilling natürlich nicht so einfach akzeptiert, wie sich noch zeigen wird.
Romulus macht sich sofort ans Werk. Zuerst zieht er die „Heilige Furche“ für die Stadtmauer. Sie entspricht wohl dem Pomerium. Der Begriff kommt von post moerium = hinter der Mauer und bedeutet das rituelle Ende einer Stadtgründung, was auf die Etrusker zurückgeht.
Ob Romulus die Furche mit einer Hacke oder einem Pflug gezogen hat, weiß ich nicht. Jedenfalls wurde sie mit weißen Steinen (erinnert an unsere Grenzsteine) markiert und grenzte das Stadtgebiet gegen das Umland ab.
Innerhalb des Kreises befanden sich der Palatin mit der Casa Romuli als heiliger Ort, mit den Tempeln der Magna Mater (Kybele), der Victoria und des Apollon.
Die Reste des Apollo-Tempels auf dem Palatin
Später wurden dort auch die Residenzen von Augustus, Nero und Domitian sowie prachtvolle Villen reicher Römer gebaut.
Kaiser Nero
Hinter der weißen Linie begann Romulus mit dem Bau der Stadtmauer. Jenseits davon mussten die Toten bestattet werden. Auch der Tempel der Kriegsgöttin Bellona und das Marsfeld hatten dort ihren Platz, denn alles, was mit Tod und Krieg zu tun hatte, wurde aus der Stadt hinter die Stadtmauer verbannt.
Und dort hockte nun Remus am Aventin-Hügel, der auch nicht zur neuen Stadt gehörte! Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sauer er zu seinem geschäftigen Zwillingsbruder hinüberschaute!
Schließlich hielt er es wohl nicht mehr länger aus und sprang keck über die Mauer in die Stadt hinein. Das war jetzt kein einfacher Zoff unter Brüdern sondern eine Verletzung von Recht und Gesetz, mindestens mit Hausfriedensbruch vergleichbar. Was muss sich bis dahin an Hass und Neid bei den beiden aufgestaut haben? Jedenfalls erschlägt Romulus seinen Bruder im Zorn (Kain und Abel lassen grüßen!).
Romulus gibt sich anschließend als guter Herrscher der Stadt, aber es hapert an Frauen! Doch ohne Frauen keine Kinder und damit kein Bevölkerungszuwachs. Da beschließt er, durch eine List sein Städtchen zur Stadt zu machen.
Er läd zu (waffenlosen) Kampfspielen ein. Auch seine Nachbarn, die Sabiner, kommen gern mit Kind und Kegel. Plötzlich erscheinen Krieger und klauen den Sabinern die Sabinerinnen weg! Ohne Waffen können die Männer nur noch die Flucht ergreifen, kommen aber später wieder. Inzwischen haben sich die Sabinerinnen in Rom gut eingewöhnt. Mi ihren Kindern im Arm werfen sie sich im Kampf den Sabinern entgegen, damit diese ihre römischen Männer am Leben lassen.
37 Jahre herrscht Romulus über seine Stadt. Bei einer Heerschau auf dem Marsfeld verfinstert sich plötzlich die Sonne, dunkle Wolken und Sturm ziehen auf. Als das Naturschauspiel vorüber ist, ist Romulus verschwunden. Sein Vater Mars hat ihn in seinem feurigen Wagen zu den Göttern gebracht.
Die Stadt am Tiber
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