23.10.2016 – Römischer Klüngel

Für alle „Nicht-Rheinländer“: Das Wort Klüngel bezeichnet ein System gegenseitiger Gefälligkeiten und Hilfeleistungen, wobei sich gesellschaftliche, politische und unternehmerische Interessen vermischen.

Dieses Wort kam mir immer wieder in den Sinn, als ich mich während und nach unseren Sightseeing-Touren durch Rom mit dem ersten römischen Kaiser beschäftigte. Er herrschte von 31 vor bis 14 nach Christus. Angesichts seiner schwachen körperlichen Konstitution hatte er mit einer so langen Amtszeit gar nicht gerechnet. Nach einem Start als ehrgeiziger, manchmal auch grausamer und skrupelloser Kämpfer an der Seite Caesars endete er als mächtiger, geschickt regierender Alleinherrscher, der seinem Reich Frieden und Wohlstand gebracht hatte. Viele hören seinen Namen, bevor sie den ersten Geschichtsunterricht haben, denn er wird auch am Anfang der Weihnachtsgeschichte genannt:

Kaiser Augustus. Genauer gesagt: Imperator Caesar Divi filius Augustus.

Was hat dieser Mann nicht alles angestellt, um seinen Staat neu aufzubauen, ihn nach außen und innen zu sichern und vor allem: seinem Werk auch über den Tod hinaus Dauer zu verleihen.

Dazu bedurfte es in früherer Zeit unbedingt eines fähigen Erben, möglichst eines leiblichen Sohnes, der die Erfolge des Vaters weiterführte. Notfalls konnte das aber auch ein Adoptivsohn sein, so wie im Falle von Gaius Octavius, der bereits zu seiner Zeit kurz Octavian genannt wurde. So hieß Augustus nämlich als Kind und noch lange danach.

Sein leiblicher Vater hatte den gleichen Namen, seine Mutter hieß Atia. Atia war eine Tochter der Julia und diese war die Schwester des Diktators GAIUS JULIUS CAESAR.

Über seine Oma Julia kam also Octavian schon früh in Kontakt mit dem großen Caesar. Als Octavians Vater verstirbt und die Mutter sich neu vermählt, kommt der kleine Octavian in Großmutters Obhut, was den Kontakt zum Großonkel wahrscheinlich verstärkt. Jedenfalls hält Caesar große Stücke auf Octavian und adoptiert ihn, ohne dass der inzwischen erwachsen gewordene junge Mann das weiß.

Am 15. März 44 vor Christus wird Caesar ermordet. Octavian ist nicht in Rom. Nach seiner Rückkehr erfährt er, dass er nun rechtmäßiger Nachfolger Caesars ist. Eine harte Zeit beginnt!

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Caesar und ich haben etwas gemeinsam: Sein Todestag in den Iden des Märzes ist mein Geburtstag.

Octavian ringt um Anerkennung, doch er hat kluge Berater und gute Freunde, die ihn auf dem Weg zum Ruhm begleiten. Zum Höhepunkt seiner Karriere verleiht ihm der Senat am 16. Januar 27 vor Chr. den Ehrennamen AUGUSTUS = Der Erhabene. Als Sohn des „Vergöttlichten Caesar“ nennt sich der römische Kaiser ab sofort Caesar Divi filius Augustus.

Neben seiner steilen Berufskarriere ist der gutaussehende Octavian auf der Suche nach der Frau seines Lebens! Ihre wichtigste Aufgabe: Sie muss ihm Kinder schenken, am liebsten Söhne!

Clodia, Frau Nummer 1, scheitert an dieser Aufgabe. Nach der Trennung heiratet Octavian Scribonia, die immerhin die gemeinsame Tochter Julia zur Welt bringt. Doch auch von dieser Frau lässt sich Octavian scheiden. Ehefrau Nummer 3 (Livia Drusilla) hat bereits zwei Söhne aus erster Ehe. Nun hat Octavian immerhin zwei Stiefsöhne. Sie heißen Tiberius und Drusus. Mit eigenen Kindern will es aber leider nicht klappen!

Spätestens jetzt beginnt der Klüngel!

Das einzige leibliche Kind, Julia, soll für einen blutsverwandten Erben sorgen, koste es, was es wolle! Julia scheint sich ganz schön gewehrt zu haben, aber der Widerstand ist zwecklos:

Sie muss 25 v. Chr. Marcellus heiraten. Er ist der Sohn von Octavians Schwester Octavia, also sein Neffe und somit der Cousin von Julia. Das würde den familiären Genanteil bei den gemeinsamen Kindern erhöhen! Da nützt es auch nichts, dem Schwiegersohn zu Ehren das neue Theater zu weihen. Es kommen keine Enkel!

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Das Teatro di Marcello wurde von Caesar begonnen und 13 v. Chr. vollendet. Seine Säulenordnung diente beim Bau des Kolosseums als Vorbild. 15 000 Menschen fanden hier Platz.

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Zwei, die sich hoffentlich noch immer lieben, haben sich mit Kreide in einer Mauernische verewigt:

MARIO E ANGELA SI AMANO: SEMPRE! – Mario und Angela lieben sich. Immer!

Jetzt muss der alte Schulfreund und Wegbegleiter Agrippa Tochter Julias neuer Ehemann werden. Die 25 Jahre jüngere Julia wird darüber wohl nicht begeistert gewesen sein. Auch Agrippa hat vielleicht ein Problem damit. Er ist bereits verheiratet und muss sich jetzt scheiden lassen. Doch Agrippa, der fähige Feldherr und Verwalter, macht seine Sache gut: Zwei Töchter und drei Söhne werden geboren.

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27 v. Chr. errichtete Agrippa während seiner Zeit als Verwalter in Rom das Pantheon. Nach mehreren Bränden in der ersten Hälfte des 2. Jahrh. n. Chr. von Kaiser Hadrian neu errichtet. Es ist ein Bauwerk der Superlative: Größter Kuppelbau der Antike, noch heute größter Kuppelbau von Rom, unter anderem Vorbild für das Kapitol in Washington; das einzige Tageslicht dringt durch die 9 m große, unverglaste Öffnung im Zentrum der Kuppel; Durchmesser des Raumes und Höhe des Raumes sind identisch (43,30m), die Wände 6,20 m dick

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Der Regen auf dem Marmorboden fließt durch einen Marmorgulli ab.

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Das Pantheon war den sieben planetarischen Göttern geweiht. 609 wurde es zur christlichen Kirche „Santa Maria ai Martiri“.Neben italienischen Königen wurde im Pantheon auch der Renaissancemaler Raffael beigesetzt.

Den ersten und den zweiten Enkelsohn macht Octavian sofort zu seinen Söhnen, indem er sie adoptiert. Die Stiefsöhne Tiberius und Drusus werden nicht begeistert gewesen sein, denn damit schwindet für sie die Aussicht, Nachfolger des Stiefvaters zu werden. Doch immerhin werden auch sie von Octavian adoptiert. Drusus hat nicht viel davon, denn er fällt im Krieg in Germanien. Tiberius dagegen wird zum Stellvertreter des Kaisers eingesetzt, so lange die Enkelsöhne noch zu klein zum Regieren sind. Inzwischen wurde auch der jüngste Enkel adoptiert, jedoch auf eine kleine Insel bei Elba verbannt. War er vielleicht so schwierig wie seine Mutter Julia, die ebenfalls verbannt wurde? Dort überlebt er zunächst den frühen Tod seiner älteren Brüder, wird aber nach Octavians Tod ermordet.

Und wer bleibt schließlich übrig im Kampf um den Thron und tritt die Nachfolge Octavians bzw. Augustus an?

Es ist TIBERIUS!

Was jedoch den Klüngel betrifft – man nennt es heute Netzwerk -: Der Begriff ist besonders in Köln zu Hause. Und diese schöne Stadt am Rhein wurde von Agrippa gegründet, der sie damals Colonia Claudia Ara Agrippinensium nannte. Den Namen wählte er zu Ehren seiner Enkelin Agrippina.

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