16.06.2016 – Inselhopping

Nach der Isola di San Pietro zieht es uns zur Isola di Sant´Antioco. Mit der „Hauptinsel“ ist diese Isola durch einen Damm und eine Brücke (Ponte Romano) verbunden. Dort gibt es drei Marinas: Calasetta im Nordwesten, Porto Ponte Romano am aufgeschütteten Damm und die Marina in der Stadt Sant´Antioco.

Es weht ein leichter Westwind und sowohl wir als auch die Amica rollen beim Auslaufen die Genua aus. Nun hat unser „Oscar“ Pause. Zwei Meilen vor der Einfahrt in die betonnte Fahrrinne nach Sant´Antioco ruft Wolfgang wie vorher mit dem Hafenmeister abgesprochen in der Marina an. Inzwischen zeigt der Tiefenmesser zunehmend weniger unter dem Kiel an. Die Amica hat wie wir das Segel eingerollt und fährt nun unter Motor an Steuerbord neben uns her. Argwöhnisch starre ich auf die elektronische Seekarte und den Tiefenmesser. Ich warne den Käptn nachdrücklich, nicht noch näher an die Amica heranzufahren, da wir uns einem gefährlichen Flach nähern. Meiner Meinung nach müsste sich der Eingang zur Fahrrinne weiter an Backbord befinden, wohin wir jetzt auch abdrehen. Da sehen wir auch schon das Schlauchboot mit dem Hafenmeister auf uns zu brausen, während die Amica immer weiter im Kielwasser zurückbleibt. Das heißt, sie bleibt nicht nur zurück, sie bewegt sich auch gar nicht mehr! Sie ist aufgelaufen, aber wir können ihr nicht helfen, ohne uns selbst in Gefahr zu bringen. Mit Händen und Füßen erklären wir dem Mann im Schlauchboot, was passiert ist.

Während wir vor der Fahrrinne kreisen, beobachten wir das „Bergemanöver“. Amica sitzt ordentlich auf „Schiet“ und es dauert ganz schön lange, bis das Schlauchboot sie endlich in Rückwärtsfahrt von dem Flach herunterziehen kann. Glücklicherweise hat das Schiff keinen Schaden genommen! Später erklärt uns Wolfgang, dass er meinte, das Schlauchboot vor sich zu sehen und darauf zugefahren ist.

Im Gänsemarsch fahren wir dann in die betonnte Fahrrinne. Vorneweg das Schlauchboot, dahinter die Amica und zuletzt wir, immer schön mittig zwischen den grünen Tonnen an Steuerbord und den roten Tonnen an Backbord. Das Echolot meldet dabei zwischen drei bis vier Meter Wassertiefe. Erinnerungen an den Guldborgsund zwischen den dänischen Inseln Lolland und Falster werden wach!

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Im Gänsemarsch durch die Fahrrinne

Nach dem Anlegen steckt Wolfgang dem Hafenmeister 20 Euro „Benzingeld und Bergelohn“ zu, wir legen noch 10 Euro drauf. Dann geht Wolfgang als erster ins Hafenbüro, das sich über der neu herausgeputzten Bar befindet. Etwas betreten gesteht er uns, dass er 45 Euro pro Nacht hinblättern musste, obwohl er von einem wesentlich geringeren Betrag ausging. Des Rätsels Lösung: Ein neuer Betreiber hat dieses Jahr die alte Marina übernommen und die Preise kräftig erhöht.

Mit den Schiffsdokumenten und dem Müllbeutel mache ich mich auf den Weg zum Büro. Ich kann einfach keine Mülltonnen finden und sehe an den Gebäuden weiter hinten Männer in Arbeitskleidung. Als ich näherkomme, erkenne ich an einer Tür das Schild: Duschen und Toiletten. Die will ich gleich mal inspizieren!

Doch da sehe ich, dass die Arbeiter genau dort zugange sind. Leider befinden sich die Räumlichkeiten noch im Rohbauzustand. Eine Müllentsorgungsstation gibt es auch nicht, ich darf aber meine Mülltüte neben dem Bauschutt deponieren.

Nachdenklich gehe ich die Treppe hinauf ins Büro. Eine aparte, junge Italienerin empfängt mich freundlich. Gut, dass sie der englischen Sprache mächtig ist!

Sie macht Kopien vom Flaggenzertifikat, der Versicherungsbestätigung und dem Pass des „Capitano“. Dann frage ich nach der Liegegebühr. Sie schaut in die Preisliste und stellt lächelnd fest: 40 Euro pro Nacht! Aha!! – Als wüsste ich von nichts, frage ich gleich hinterher, wo denn das Sanitärgebäude mit den Duschen ist. „Leider haben wir noch keine Dusche, aber wir arbeiten hart daran, dass sie in den nächsten Tagen fertig ist,“ antwortet sie. „Und wo ist die Toilette?“ schiebe ich hinterher. „Die ist leider auch noch nicht fertig,“ erklärt die junge Dame. Bestürzt antworte ich, dass das aber ein Problem für uns ist (denn unser Fäkaltank trennt sich momentan nur in Miniportionen von seinem Inhalt). Endlich hat das Mädel eine zündende Idee! „Sie können ja die Toilette in der Bar benutzen.- Ja, ja, die öffnen um sechs oder sieben in der Früh und schließen um Mitternacht.“ – Na, wenigstens etwas!

Nun setze ich noch eins drauf und frage nach Wifi. Das gibt es leider auch noch nicht. „Oh, dann sind 40 Euro ja ganz schön viel Geld,“ füge ich hinzu. Ja, und dann kommt ein Schwall von Erklärungen, wieso leider der volle Preis fällig wird. Ich denke mir meinen Teil und das wäre: Der neue Betreiber ist ganz schön klamm! – Irgendwie tut mir die junge Dame jetzt schon ein bisschen leid und ich beschließe, den aufstrebenden Unternehmern in dieser gottverlassenen Ecke ohne weiteres Murren auf die Beine zu helfen. Ich bitte um die „Cashmaschine“, doch die wurde leider auch noch nicht von der Bank geliefert. Sie würde aber gerne warten, bis ich Geld gezogen habe, beteuert die junge Dame. Ja, darum geht es ja nicht. Leider müssen auch deutsche Rentner ihre Kosten im Auge behalten. Und jede Geldabhebung im Ausland kostet uns 5,95 Euro. Deshalb bezahlen wir vorzugsweise mit Karte. Doch was nützt es: 80 Euro Bares für zwei Nächte ohne alles wechseln den Besitzer und ich verlasse etwas fassungslos das Büro. Immerhin finde ich gleich über die Straße einen Supermarkt und kann bequem neue Getränke bunkern.

Am nächsten Tag erfahren wir die ausgleichende Gerechtigkeit!

Der Ort Sant´Antioco gehört zu den ältesten Siedlungen im zentralen Mittelmeer. Dementsprechend gibt es in der Stadt ein Archäologisches sowie ein Ethnologisches Museum, eine Festung und eine Kultstätte (Tophet). Wenn man genügend Ausdauer aufbringt, kann man alles für 13 Euro pro Person besichtigen. Wer uns kennt, weiß, dass wir in dieser Richtung sehr viel Ausdauer besitzen. Also tauchen wir am nächsten Tag in die Geschichte der Stadt und der Insel ein. Die trüben, grünen Fluten im Hafenbecken verlocken nämlich nicht gerade zum Abtauchen!

Im kleinen Ethnologischen Museum erfahren wir viel über das Leben der Menschen in früherer Zeit. Ein sehr einfaches Leben war das wohl, wobei die Ärmsten der Armen ihre Behausungen in den ehemaligen Begräbnishöhlen der Phönizier und Karthager einrichteten.

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Zuerst Begräbnisstätte, dann Höhlenwohnung

Der Herr an der Kasse führt uns anschließend mit einem deutschen Audioguide bewaffnet über das Festungsgelände, das einen schönen Panoramablick bietet. Beiläufig verweist er auf die Kapernsträucher am Festungseingang. Eine freudige Überraschung für mein Botanikerherz!

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Blühender Kapernstrauch

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Panoramablick. Hinter den Häusern liegt die Marina, dahinter sieht man den Damm und die Brücke als Verbindung zur Hauptinsel.

Im sehr empfehlenswerten Archäologischen Museum werden wir zum Einstieg per Film in deutscher Sprache über die Geschichte der Insel und der Stadt informiert. Schon seit der Steinzeit lebten hier Menschen, im 8. Jahrhundert vor Christus gründeten dann die Phönizier die Stadt Sulci. Im 6. Jahrhundert wurde diese eine karthagische Kolonie, nach dem Zweiten Punischen Krieg übernahmen die Römer das Regiment. Als das weströmische Imperium unterging, wurde die Stadt byzantinisch.

Viele der Ausstellungsstücke wurden in den zahlreichen Gräbern gefunden.

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Schmuck und Gefäße als Grabbeigabe

Inzwischen hatte sich auch der Name der Stadt geändert: Der Heilige St. Antiochus aus Mauretanien versteckte sich hier vor seinen Verfolgern in den Katakomben. Er starb 125 nach Christus als Märtyrer und über den Katakomben wurde die nach ihm benannte Basilika errichtet und der Stadtname angepasst. Seine Gebeine sind in der Kirche aufgebahrt.

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Blick in die Katakomben

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Die Gebeine des Heiligen St. Antiochus

Was mich jedoch am meisten berührt, ist der Tophet.

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Der Tophet

Dieser befindet sich auf einem Hügel auf dem Gelände des Archäologischen Museums. Die Phönizier weihten diesen heiligen Ort ihren Göttern Tinnit (weiblich) und Baal Hammon (männlich) zum Schutz ihrer Kinder. Hier verbrannten die Eltern ihre totgeborenen oder früh verstorbenen Kinder unter freiem Himmel. Sie baten dabei die Götter, die kleinen Seelen in den Himmel aufzunehmen. Anschließend füllte man die Asche in einen neuen Kochtopf aus Ton, fügte kleine Amulette hinzu und vergrub die Urne in der Erde. Dann wurde zum Gedenken an die empfangene Gnade eine Steinstele errichtet. Durch sie erhoffte man sich mehr Glück für die nächste Geburt. War die Fläche des Tophets voll mit Urnen und Stelen, bedeckte man alles mit einer Erdschicht. Darauf konnte man neue Urnen bestatten.

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Kleine Amulette für die Kinder

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Schicht für Schicht

Unterdessen wird die Bar der Marina mit Orchideen geschmückt. Am Samstag soll die Eröffnungsfeier der „neuen“ Marina stattfinden. Wir werden weder daran teilnehmen noch erfahren, ob dann alles fertig ist. Wir wüssten allerdings gerne, wie viele zahlungskräftige Kunden demnächst den vier Seemeilen langen Weg durch das betonnte Fahrwasser auf sich nehmen werden, damit die neue Marina überleben kann. Wir haben sie  jedenfalls heute verlassen  und sind zur Mittagsstunde in Calasetta gelandet. Hier werden wir uns in einer Pizzeria im Hafen das Fußballspiel Deutschland-Polen anschauen und morgen zur Südspitze von Sardinien weiterziehen.

Info zur Marina Calasetta: Großzügig angelegte, ordentliche Marina mit jeweils einer Dusche und Toilette für Damen und Herren. Gutes Wifi. Gebühr für eine Nacht: 20 Euro plus 3 Euro für Strom und Wasser. Die Duschmünze kostet einen Euro extra. Supermarkt gleich am Hafen.

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Euch allen einen schönen Fußballabend in der Bar, in der Kneipe, auf der Couch oder sogar im Stadion!

 

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