Mit leichter Verspätung lande ich am 17.09. auf dem kleinen Flughafen Bastia-Poretta. Hinter der Scheibe vor der Passkontrolle entdecke ich zwischen den vielen Wartenden den Käptn. Als er mich sieht, winkt er mir glücklich zu. Kurz danach ziehe ich meinen Koffer vom Gepäckband und so erwischen wir noch den 21-Uhr-Bus nach Bastia.
Um einem Katamaran Platz zu machen, liegt Anima mea jetzt längsseits an einem anderen Steg. „Na, wie geht´s?“ rufe ich ihr zu und schlüpfe glücklich unter Deck. Wir öffnen eine Flasche Wein und ich packe meine Mitbringsel aus: Pfefferwürstchen und ein Buch aus dem Antiquariat. Ich weiß nicht, worüber sich der Käptn mehr freut, über die herzhafte Wurst oder über „Im Kielwasser des Odysseus“ von Göran Schild, zweite Auflage, F.A. Brockhaus Wiesbaden 1955, denn möglichst bald wollen auch wir im Kielwasser des berühmten Griechen segeln.
In der Nacht gibt es ein heftiges Gewitter. Dann folgt ein Regentag. Ich verstaue meinen Kofferinhalt und mache „rein Schiff“. Wir essen gemütlich an Bord (Pfefferwürstchen!) und haben uns viel zu erzählen. Es ist schon spät, als wir in die Koje sinken.
Am nächsten Morgen ist großes Palaver auf dem Steg. Wir fragen die Franzosen gegenüber, was los ist. „In der Nacht ist bei uns eingebrochen worden. Die Signalpistole ist weg!“ Später erzählt uns der Marinero, dass an unserem Steg 13 Schiffe aufgebrochen wurden, wobei gezielt die Signalpistolen entwendet wurden. Kein Spaß für die Eigner, denn zum Verlust der Pistole kommen auch noch die Reparaturkosten für das beschädigte Schott. Und wir haben davon nichts mitbekommen! Zumindest ich habe geschlafen wie tot, aber der Käptn erinnert sich jetzt an Männerstimmen in der Nacht, glaubte aber, es seien die Fischer, deren Boote ebenfalls an unserm Steg liegen.
Am Montag bezahlen wir die aufgelaufenen Liegegebühren und essen eine Abschiedspizza in der Stadt. Am nächsten Morgen, es ist Dienstag, der 20.09., verlassen wir nach genau drei Wochen Port Toga und nehmen Kurs auf Elba.
Die See ist ruhig, der Wind weht mit einem Beaufort und die Sonne strahlt. Heinz montiert den Autopiloten und ich decke den Frühstückstisch im Cockpit. Während ein weiteres Pfefferwürstchen den Weg alles Irdischen geht, verschwindet ganz langsam die Insel Korsika hinter uns. Um 10:30 Uhr frischt der Wind auf drei bis vier Beaufort aus SO auf. Wir setzen die Segel und rauschen bei ruhiger See hoch am Wind mit 5,5 Knoten unserem Ziel entgegen. 16,5 Seemeilen dauert der Spaß, dann ist Elba erreicht, doch der Wind kommt jetzt genau von vorne. Nach dem Gastflaggenwechsel wird unser „Oscar“ angeschmissen. Ein bisschen wehmütig verstaue ich die französische Trikolore und den korsischen „Mohrenkopf“ im Flaggenkästchen. So ist es immer, wenn wir ein Land verlassen, in dem wir uns längere Zeit wohl gefühlt haben.
Aber jetzt wartet „Bella Italia“ auf uns! Und was wir im Moment davon sehen, nämlich die südliche Küste von Elba, sieht sehr vielversprechend aus.
Capo Poro schaut uns an
Um 16:00 Uhr biegen wir um das steil aufragende Capo Poro in den Golfo di Campo ein. Der Hafen „Marina di Campo“ besteht nur aus einer Mauer, an der schon alle Liegeplätze besetzt sind. Aber das Wetter ist ruhig, die Kühlbox gut gefüllt und die Batterien sind randvoll. Da können wir gleich mal die Bordkasse schonen und in der schönen Bucht mit dem langen Sandstrand vor Anker gehen.
Der Strand von Marina di Campo
Ein kleines, blaues Schiffchen mit deutscher Flagge sucht sich ebenfalls gerade einen Ankerplatz. Auch auf anderen Yachten flattert Schwarz-Rot-Gold. So viele Deutsche wie hier haben wir auf ganz Korsika nicht gesehen. Dort ist es mittlerweile schon herbstlich still auf dem Wasser geworden, während hier noch viel Leben herrscht. In der Hochsaison kriegt man hier bestimmt kein Bein auf die Erde bzw. keinen Anker in den Grund!
Marina di Campo
Mit Blick auf die pastellfarbenen Häuser, den alten Wachturm, die grünen Berge und das blaue Wasser genießen wir unser erstes Abendbrot in italienischen Gewässern. Kaum habe ich den Tisch abgeräumt, bemerkt der Käptn: „Das wird ja so schwellig!“ – Stimmt, es kommt zunehmend Bewegung in die Bude, obwohl kaum Wind weht. Ich erinnere mich, dass ich auf den Gribs viel Braun über Südkorsika und Sardinien gesehen hatte. Braun bedeutet viel Wind, der südlich von uns das Wasser in Wallung bringt und dadurch den Schwell verursacht, der uns hier tanzen lässt. Anima mea hatte wohl in Bastia zu viel Disco-Musik gehört. Jetzt gebärdet sie sich genauso wild, wie die peitschenden Rhythmen und das irre Gekreische, das dort von Donnerstag bis Samstag die Nächte hindurch durch den Hafen schallte. Immer wieder balanciert der Käptn zur Ankerkette, kontrolliert, ob der Anker hält, während ich Küchenpapier zwischen die klirrenden Teller im Tellerbord und Handtücher zwischen die Töpfe im Topfschrank klemme. Das kleine, blaue Schiffchen tanzt wie ein Korken auf und ab und versinkt dabei fast im Wellental. Es wird stockdunkel. Um uns herum klirrt, scheppert, knarzt und klappert es wie wild, während Anima mea wilde Bocksprünge macht.
Irgendwann gehen wir zu Bett. Im Salon kriegt der Käptn kein Auge zu, doch die mitgebrachten Ohrstöpsel kommen heute natürlich nicht in Frage. Die ganze Nacht tigert er zwischen Cockpit und Koje hin und her, während ich mich quer in der Vorschiffkoje verklemme, um nicht wild umher zu kullern. Zwei Stunden Schlaf sind mir tatsächlich vergönnt, dann wird das Stampfen und Krachen so laut, dass ich bis zum Morgen nur noch hoffe, dass der Anker hält. Nach dieser Nacht in der Vorschiffkoje weiß ich nun mit absoluter Gewissheit, dass ich nicht seekrank werde!
Auch der Morgen bringt keine Erlösung. Nun hat auch noch der Wind zugenommen und kommt genau aus östlicher Richtung. Dort wollen wir eigentlich hin, doch gegen Wind und Welle und bei dem gewaltigen Schwell kommt das nicht in die Tüte!
Wir essen ein Brot aus der Hand und bereiten unter Verbrühungsgefahr eine Tasse Kaffee zu. Mit wachsendem Erstaunen beobachten wir die (überwiegend deutschen) Yachten, die, eine nach der anderen, in diese aufgewühlte Bucht einlaufen. Während sie von den Wellen hin und her und rauf und runter geworfen werden, fahren sie ihre Ankermanöver! Dabei sind auf der relativ kleinen Insel Elba die Wege kurz und nur wenige Meilen westwärts wäre man in ruhigem Wasser!
Wir überlegen nicht lange und ändern unseren vorbereiteten Kurs auf dem Kartenplotter. Um 10:45 Uhr bergen wir den sehr fest sitzenden Anker und schaukeln aus der Bucht hinaus. Es geht in die gleiche Richtung, aus der wir gekommen sind. Am westlichen Ende von Elba gehen wir auf Nordkurs und fahren entlang der beeindruckenden Westküste in ruhigem Wasser. Doch da braut sich neues Unheil zusammen. Rechts von uns hängen in den Bergen dicke, graue Wolken. Plötzlich ein Donnerschlag! Gewitter auf dem Wasser sind für mich der Horror!
Gewitter
Im Hinblick auf Gewitterböen reffen wir sofort das Großsegel. Kaum habe ich die Regenjacken aus dem Schrank geholt und das Schott dichtgemacht, fällt ein gewaltiger Platzregen auf uns nieder. Doch das Gewitter verzieht sich in die Berge und schon wird der Himmel blauer und blauer.
Der Käptn steht im Regen
Die Süßwasserdusche hat unserem Schiff gutgetan. Ich reibe den frischen Lackanstrich und die vom Flugrost befreiten Chromteile trocken, immer einen Blick auf die wunderschöne Küste von Elba, die mich so begeistert, dass ich den mangelnden Nachtschlaf glatt vergesse.
Dann nähern wir uns Elbas Hauptstadt.
Doch auf das ganze „Hafengedöns“ haben wir heute keine Lust mehr. Anker werfen und ein Stündchen schlafen wäre das Richtige!
Cala della Concia
Also fahren wir zu der kleinen Bucht Cala della Concia gegenüber von Portoferraio. Drei Schiffe liegen hier schon vor Anker, doch dicht unter dem Ufer ist für uns noch Platz. Durch das glasklare Wasser schimmert der grünliche Seegrasteppich. In dem dichten Kraut fasst der Anker erst nach dem dritten Versuch. Dann stellen wir den Motor aus und machen es uns im Cockpit gemütlich. Trotz der tollen Kulisse fallen uns schnell die Augen zu. Nach dem ausgiebigen Nachmittagsschläfchen sind die Gräuel der vergangenen Nacht schnell vergessen. Es ist wie beim Kinderkriegen: Trotz Wehen bekommt man ein neues Kind, weil Kinder einfach Freude machen.
Leuchtendes Portoferraio
Am Abend ziehen sich über den Bergen neue Gewitterwolken zusammen. In der Ferne zucken Blitze. Gegen Mitternacht werde ich wach. Draußen weht es heftig. Die Ankerkette ruckt etwas, doch der Käptn schnarcht friedlich nebenan.
Die Bucht von Portoferraio
Morgens ist der Himmel fast blank geputzt. Die Silhouetten der Berge heben sich scharf dagegen ab, Portoferraios Häuser leuchten uns auf der anderen Seite der Bucht verlockend an. Nach dem Frühstück brechen wir auf. Unterwegs rufe ich die Darsena Medicea über VHF-Kanal 09. Prompt kommt eine Antwort. Englisch mit starkem italienischen Akzent! Wir können einen Platz im Stadthafen bekommen. Der Marinero käme uns in seinem Boot entgegen und wird beim Festmachen helfen.
Wir machen direkt an der Uferpromenade fest. Wieder einmal ist ein Traum wahr geworden. Wir sind auf dem Toskanischen Archipel angekommen. Nach Meinung der Britischen Admiralität in der Hauptstadt der „größten, reichsten und schönsten seiner Inseln“.
Anima mea in der Darsena Medicea direkt neben den Fischern
Neuerdings kommt der Reichtum sicher auch mit den Touristen ins Land. Das bekommen wir zu spüren, als wir zum Hafenbüro gehen und den Liegepreis erfahren. 61 Euro für eine Nacht soll der Spaß kosten! Aber darin enthalten sind Strom und Wasser am Steg sowie Müll und Wifi an Bord, gibt die Sekretärin zu bedenken. Wir müssen lächeln und interessehalber fragen wir nach dem Preis für die Hauptsaison. 105 Euro ist die Antwort der Sekretärin. Na, da nehmen wir doch glatt zwei Nächte. Man gönnt sich ja sonst nichts. Außer, dass wir wohl morgen nicht duschen werden. Das kostet nämlich 2,70 Euro extra und ist in einer öffentlichen Sanitäranlage im Rathaus der Stadt, nicht weit weg von unserem Liegeplatz.
Das Rathaus
Nach einem ersten Stadtrundgang sind wir uns jedoch einig: Ein Tag wäre zu wenig gewesen für diese kleine, aber geschichtsträchtige Hauptstadt mit den tollen Ausblicken auf den „sichersten Hafen der Welt“. Das ist jetzt kein Zitat des Käptns, sondern das Urteil von keinem geringerem als Lord Nelson!
Impressionen vom ersten Stadtbummel:
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