05.08.2015 – Aus dem Schatzkästchen geplaudert.

Unsere Anima mea ist klein aber fein und findet fast in jedem Hafen Beachtung. Wir  sind immer sehr stolz, wenn plötzlich jemand auf unseren Schwimmsteg steigt oder auf dem Ponton stehen bleibt, das Schiff taxiert, den Daumen hebt und uns anerkennend „Bueno“ oder „Very good!“ zuruft.

Es gibt an Bord jedoch einen „Ausrüstungsgegenstand“, den man bei keinem Schiffshändler erwerben kann. Einerseits, weil er unsichtbar ist, andererseits, weil er mit keinem Geld der Welt zu bezahlen wäre: Die Schatzkiste unserer Erlebnisse.

Hier, in der friedlichen, gepflegten Sant Carles Marina ( www.santcarlesmarina.com) fühlen wir uns sehr wohl und füllen das Schatzkistchen bis zum Rand mit neuen Eindrücken.

Nachdem die Gewitter am Freitag abziehen, bestellen wir uns an der Rezeption der Marina einen Leihwagen. Es ist nicht ganz so preiswert wie eine Buchung über das Internet, aber hier im Ort gibt es keine Leihwagenstation. Doch im 15 Kilometer entfernten Vinaros sitzt die Firma  „DAVIMA“, deren Prospekt wir auch schon in der Marina Benicarlo  gesehen hatten. Die nette junge Dame an der Rezeption ruft dort für uns an und erfährt, dass zum Mietpreis noch jeweils 10 Euro für das Bringen und Abholen des Wagens anfallen. Wir willigen ein und stehen am Sonntagmorgen an der Rezeption einem älteren, untersetzten Herrn gegenüber, der offensichtlich schon etwas genervt auf uns wartet, obwohl wir pünktlich auf der Matte stehen. Ohne uns richtig zu begrüßen, eilt er zum Tresen und beginnt ein energisches Gespräch mit der jungen Dame. Diese übersetzt, dass die Anlieferung am heutigen „Domingo“  30 Euro kostet. Auch, wenn es nur 10 Euro sind, wir sind etwas verärgert und fühlen uns von dem bärbeißigen Herrn über den Tisch gezogen. Unsere Einwände, dass davon nicht die Rede war und wir auch ohne weiteres hätten ab Montag buchen können, fegt er vom Tisch und bellt zu der jungen Dame hinüber: „Dann fahre ich jetzt zurück und bringe das Auto am Montag!“ Dazu fällt mir nur das Wort „Milchmädchenrechnung“ ein, kann das aber weder in Englisch noch in Spanisch übersetzen. Der Käpt´n hat langsam die Faxen dicke. Ich versuche hingegen, die schlechte Laune des Wadenbeißers nicht persönlich zu nehmen. Wer weiß, vielleicht ist seine Frau mal wieder fremdgegangen oder der Sohnemann hat das neue Auto an die Wand gefahren….Ich möchte jedenfalls endlich mal wieder was anderes sehen als Hafen und lenke ein. Irgendwie wird der Spanier nun doch zugänglicher. Die Personalien des Fahrers werden aufgenommen und nach der Bezahlung schreitet der Händler mit einem energischen „Jetzt kehts loss“  zum Ausgang. Auf dem Parkplatz  strebt er einem weißen Fiat Panda entgegen. Eine kleine Macke am Heck ist in den Unterlagen vermerkt. Hoffen wir, dass es dabei bleibt und uns niemand an die Karre fährt. Mit diesem Herrn hier möchten wir nicht um die Kaution streiten! Dann gibt er uns noch eine Broschüre mit Reisetipps und wünscht gute Fahrt. Fast hätte er die Fahrzeugpapiere wieder mitgenommen! Scheint doch ein bisschen gestresst und durcheinander zu sein, der Gute.

Plötzlich steht das junge spanische Paar vom Boot  gegenüber vor uns. „Gutes Auto!“ ruft der junge Mann, „haben wir gestern gemietet!“ „Aber der Händler ist so unfreundlich gewesen,“ sage ich. „War er bei mir auch, aber das Auto ist okay,“ antwortet der junge Mann. Also doch die Frau oder der Sohn, die schlechte Laune machen!

Unser Panda

Unser Panda im Feuchtgebiet

Nach dem Frühstück stürzen wir uns ins Vergnügen. Ich schlage für´s erste eine Tour ins Ebro-Delta vor. Gleich hinter dem Hafen biegt die Straße in dieses zweitgrößte Delta des Mittelmeeres ab.

Reisfelder und Lagunen im Ebro-Delta

Nach dem Nil- Delta ist das Ebro-Delta das zweitgrößte am Mittelmeer. Auf dem Luftbild ist nur ein Teil davon zu sehen.

In den Kanälen und Seen stehen die grauen und weißen Reiher reglos im Wasser und harren der Beute, die da kommen möge. Möwen und Seeschwalben schwirren durch die Luft und im See „La Tancada“ suchen sogar einige Flamingos nach Nahrung.

Flamingos im Ebro-Delta

Flamingos im Ebro-Delta

Leider sind auch viele Vögel auf der Straße verunglückt. Sie wurden Opfer des Autostroms, der sich von und zu den Stränden rund um das Delta bewegt. Kreuz und quer fahren wir durch die schmalen Wege im Delta, steigen auf Aussichtstürme und wandern durch die Dünen am Golf de Sant Jordi. „Ich hab das Gefühl, ich sitze in einem Reistopf,“ sage ich zum Käpt´n, denn durch die Klimaanlage dringt der typische Kochgeruch. Wahrscheinlich ist es der Duft der blühenden Ähren auf den ausgedehnten Reisfeldern.

Reisfeld im Ebro-Delta

Reisfeld im Ebro-Delta

In meinem Spanien-Reiseführer (National Geographic Traveler) finde ich eine passende Autotour. Thema: Priorat-Wein und Templerburgen. Da ist doch für jeden von uns etwas dabei: Für den Käpt´n die Templer und für mich der Wein.

Über die Schnellstraße geht es am Montag zuerst nach Tortosa. Dann sind wir auch schon in den Bergen. Immer wieder eröffnen sich tolle Ausblicke auf das blaue Band des Ebro, der sich zwischen den Bergen hindurchschlängelt. Hinter der Ortschaft Rasquera soll es mit einer kleinen Fähre, die nur durch die Strömung bewegt wird, auf die andere Seite des Ebro nach Miravet gehen. Diese Fährverbindung existiert schon seit dem Mittelalter, und nur drei Autos gleichzeitig können transportiert werden. Doch da entdecken wir das handgemalte „Umleitungs“-Schild. Die Fähre wird gerade restauriert und ist außer Betrieb.

Castell de Miravet

Castell de Miravet

Handgemalte Umleitungsbeschreibung
Handgemalte Umleitungsbeschreibung

So fahren wir in Mora über die Ebro-Brücke zur Templerburg in Miravet.  Beim Gang durch das alte Städtchen bieten sich malerische Ausblicke auf den Fluss. Er ist die Lebensader für dieses Gebiet, versorgt Felder, Gärten und Obstplantagen mit dem nötigen Wasser. Die Pfirsiche, die der alte Mann  unten im Dorf verkauft, schmecken köstlich. Immer steiler geht es durch die stillen Gassen bergan, bis wir schließlich die Burg erreicht haben. Leider geschlossen! Aber der Ausblick von hier oben ist grandios.

Miravet am Ebro

Miravet am Ebro

Das Tal des Ebro bei Miravet

Das Tal des Ebro bei Miravet

Außer zu Fuß durch das Dorf und dann über Stock und Stein die Felsen hinauf kann man auch über eine Straße nach hier oben gelangen. Nur wenige Autos stehen auf dem Parkplatz vor der Burg. Aus einem Wagen mit Schweizer Kennzeichen steigt ein älterer Herr und knippst die Festungsanlage der Templer. „Wenn Sie ein kleines Stück den Fußweg zum Dorf hinuntersteigen, können Sie ein wunderschönes Bild über die Dächer auf den Fluss machen,“ sage ich zu ihm. Und schon sind wir im Gespräch. Er erzählt, dass er hier auf einer Finca in den Bergen lebt. Er schwärmt vom Klima, das ihn vom Rheuma befreit hat. Er beschwert sich über das teure Leben in der Schweiz, wo man ihm all das sauer verdiente Geld abknöpfen will. Auch, dass es in der Schweiz immer enger wird. „Zu viele Menschen in dem kleinen Land!“ sagt er. Wir erfahren auch, dass er ein Hotel in Sri Lanka gekauft hat, wo er vielleicht auch leben möchte. Natürlich spricht der ehemalige Geschäftsmann auch über die Wirtschaft in Spanien. Er lobt die gute Infrastruktur und sagt: „Hier kann man was machen!“ Ich sage ihm, ich hätte gelesen , dass Herr Varoufakis Spanien das gleiche Schicksal wie Griechenland prophezeit. „Nein, nein, das wird nicht passieren,“ meint er zuversichtlich. Dann trennen sich unsere Wege. Er steigt wieder in sein Auto, wir klettern den Berg hinunter und fahren weiter nach Falset und von dort ins Weinbaugebiet Priorat. An den Rebstöcken leuchten dunkelblaue, kleine Trauben. Ich probiere eine. Sie schmeckt jetzt schon zuckersüß, obwohl die Reben erst im September und Oktober geerntet werden. Die Häuser der einsamen Bergdörfer sind aus dem ockerfarbenen Sandstein der Berge gebaut und fügen sich wohltuend in die Landschaft ein. Wenn doch auch die Küstenorte so geschmackvoll gestaltet wären!

Typisches Bergdorf

Typisches Bergdorf

Garnatxa Negra

Die Rebsorte Garnatxa  Negra

Dann kommen wir nach Escaladei. Hier begannen im Mittelalter französische Mönche mit der Weinherstellung. Bis heute wird diese Tradition hier fortgesetzt.

In einem der Weinkeller buchen wir eine Führung nur für uns allein und erfahren viel Interessantes über die Weinherstellung. Die anschließende Weinprobe verführt mich zu einem sehr teuren Einkauf, doch an Bord ist auch der Käpt´n, der sich als Fahrer beim Verkosten zurückhalten muss, überzeugt von der Qualität des Rose´ „Pla dels Angels“ mit 14,5% Alkoholgehalt. Und auch der rote „Scala Die Garnatxa“ schmeckt ihm vorzüglich.

Weinkeller in Escaladei/ Priorat

Weinkeller in Escaladei/ Priorat

Weinprobe

Weinprobe

Es ist schon später Nachmittag und wir müssen so langsam zurück nach Sant Carles de la Rapita. Auf verschlungenen Pfaden finden wir eine Abkürzung und sind bei anbrechender Dunkelheit zurück an Bord.

Am Dienstag wollen wir unseren letzten Tag mit Auto für eine Stadtbesichtigung in Tarragona nutzen. Über die Schnellstraße geht es zügig in die Provinzhauptstadt. Doch der Verkehr in der Stadt ist abschreckend. Auch die Straßen sind vollgestopft mit Menschen. Es ist heiß und laut. „Hast du Lust, hier herumzulaufen?“ frage ich den Käpt´n. „Nicht wirklich,“ kommt die Antwort. Viel lieber möchten wir wieder in die Berge. Der Käpt´n liebt nämlich das Kurvenfahren mit dem wendigen Panda und schon verlassen wir die Verkehrshölle, nehmen die N 420 Richtung Reus und wechseln bei der Abzweigung nach Alcaniz auf die N 232 Richtung Vinaroz. Auch heute kommen wir durch unterschiedlichste Bergregionen. Dort, wo der Ebro fließt, wachsen in den Tälern Obst und Gemüse. Dann kommt eine Gegend, wo die Viehzucht vorherrschend ist. Einen Bergrücken weiter sind wir plötzlich in einer heideähnlichen Landschaft mit Sandboden und Wacholderbüschen. Schließlich bewundern wir einen Landstrich mit terrassierten Hängen, durchzogen von kunstvoll gesetzten Steinmauern. Hier wachsen überwiegend Oliven- und Mandelbäume. Und plötzlich erhebt sich vor uns ein steil aufragender Felsen mit einer Burg. Darunter kleben die Häuser einer Stadt, umgeben von einer gewaltigen Stadtmauer aus dem 15. Jahrhundert. Es ist die Stadt Morella zwischen Aragon und Valencia.

Schon Römer und Araber bauten hier auf 1072 m Höhe eine Festung, doch die jetzige Burg wurde von den Mauren zwischen 950 und 960 erbaut. Bis 1911 wurde sie für militärische Zwecke genutzt und war Zeuge der verschiedenen Kriege innerhalb Spaniens.

Von weit her sichtbar: Über Morella thront die Burg

Von weit her sichtbar: Über Morella thront die Burg

Wir parken das Auto am Ortseingang beim Hotel „El Cid“ und wandern an der Stadtmauer hoch in die Altstadt. Enge Gassen, hübsche Häuser, Läden mit Erzeugnissen aus der Region und natürlich einige Restaurants und Cafes reihen sich aneinander. In einigen Straßen gibt es links und rechts des Weges Laubengänge, die mich an die Altstadt in Bern erinnern.

Laubengänge

Laubengänge

Am Museum der Fiestas von Morella stehen die riesigen Figuren „Los Gigantes“. Diese Figuren wurden 1939 geschaffen und sind das Symbol der Stadtgeschichte. Diese wurde lange Zeit von friedlich miteinander lebenden Muslimen und Christen geprägt. Bei Prozessionen und Festen repräsentieren die Figuren die Stadt Morella und die Menschen, deren Bräuche, Kultur und Religion bis heute fortleben.

Zwerg unter Riesen

Zwerg unter Riesen

Wir besuchen die erzbischöfliche Basisika Santa Maria La Mayor, wo mir die mittelalterliche Darstellung des Jüngsten Gerichts hinter dem Chor besser gefällt als der prunkvolle, goldglänzende Altarraum. Jesus in der Mitte hat den Vorsitz bei diesem Gericht, flankiert von Maria und dem Heiligen Johannes. Ihn begleiten die zwölf Apostel. Unter Jesus als Weltenrichter wiegt der Erzengel Michael die Seelen. Rechts von ihm wandern die Heiligen in den Himmel, links die Verdammten in die Hölle.

Das Jüngste Gericht

Das Jüngste Gericht

Dann folgt der Anstieg zur Festung hinauf.

Die Burg von Morella auf 1072 m Höhe

Die Burg von Morella auf 1072 m Höhe

Hier oben ist die Luft so klar und frisch, dass es fast ohne Mühe gelingt. Wir durchstreifen die verschiedenen Räumlichkeiten und werden auf dem Gipfel mit einem herrlichen Blick auf Morella und das Umland belohnt.

Blick auf Stadtmauer und Stadt sowie Viadukt (links im Hintergrund)

Blick auf Stadtmauer und Stadt sowie Viadukt (links im Hintergrund)

Morella, dieser spanische Edelstein, wird ganz oben im Schatzkästchen der Erinnerungen abgelegt.

Den kleinen Panda können wir am Mittwoch ohne Schramme abliefern. Wir haben unsere Kilometerbegrenzung von 750 km um 69 Kilometer überschritten und müssen 8,12 Euro nachzahlen. Unser „Wadenbeißer“ schenkt uns die zwölf Cent. Ein „Gefällt mir“  kann er dafür für sich verbuchen.

 

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