Drei Tage in „The Sticks“ reichen, um einzukaufen, im Internet zu surfen und lecker essen zu gehen. Letzteres ist eher ein Zufallstreffer. Es ist wieder mal so heiß, dass mir allein bei dem Gedanken an Kochen der Schweiß ausbricht. Wir beschließen deshalb, die Pizzeria in Burriana zu testen. Doch schon am Hafenausgang stoppen wir ab. Das kleine Lokal mit der Hafenblick-Terrasse hat gerade wieder eröffnet. Noch sind fast alle Tische frei. Irgendwie spüre ich, dass wir hier einkehren sollten. Der freundliche Wirt von „Rita & Pepa“ bringt uns die übersichtliche Speisekarte. Während wir sie studieren, laben wir uns an der köstlichen Aioli und dem Bauernbrot, das gleich auf dem Tisch steht. Auch der gut gekühlte Rose´ schmeckt ausgezeichnet. Mutig ordern wir als Vorspeise „Calamares Romesco“, die als gut erkennbare-da unversehrte Tintenfische- im „Vierer-Pack“ gegrillt und wunderbar gewürzt auf der Platte liegen. Sogar der Käpt´n mit seiner „Fisch-Allergie“ vernichtet zwei der Burschen ohne zu meutern. Eigentlich sind wir jetzt satt, doch wir haben ja noch Kalbsfilet und Seebarsch bestellt. Ein verdauungsfördernder „Mahou Barril“ beendet schließlich das Schlemmermahl. Um gut 50 Euro leichter, aber beschwingt und glücklich „rollen“ wir an Bord zurück. Das Lokal ist jetzt übrigens voll mit Einheimischen besetzt. Doch wir sind ja ohnehin schon länger die einzigen Deutschen auf weiter Flur, zumindest, was die Häfen betrifft.
Am übernächsten Morgen verspricht der Wetterbericht guten Segelwind. Und tatsächlich: Von den gut sechs Stunden können wir vier an der grünen Küste entlang nach Porto las Fuentes segeln. Auf bewegter See nähern wir uns schnell unserem Ziel, müssen unterwegs sogar die Segel reffen.
Kurz vor der engen Hafeneinfahrt muss der Motor angeschmissen werden. Nachdem die Segel geborgen sind, schaukeln wir über die hohen Wellen in den Hafen. Der arme Motor muss ordentlich arbeiten und wird gründlich durchgerüttelt. In kürzester Zeit verwandelt die Hitze der Maschine den Salon in eine Sauna.
Über Funk frage ich in der Marina nach einem Anlegeplatz. Hinter der engen Hafeneinfahrt steht dann auch schon ein Marinero und winkt uns in eine enge Gasse auf einen freien Platz. Von hier aus ist es nur ein Katzensprung zum Hafenbüro und zu den schnuckeligen Sanitäranlagen. Doch wie wir aus dieser „Mausefalle“ wieder heil rauskommen sollen, raubt dem Käpt´n zum Schluss fast den Schlaf.
Porto las Fuentes gehört zu der Ortschaft Alcocebre, die einige hundert Meter südlich des Hafens beginnt. Hier gibt es jede Menge Hotels und Restaurants, die überwiegend von spanischen und französischen Touristen besucht werden. Genau wie in Burriana entdecken wir auch in Las Fuentes kaum Schiffe aus anderen Ländern. Wenn, dann sind es Franzosen, die sich hierher verirren. Das einzige deutsche Motorboot aus Rüdesheim ist verwaist.
Doch immerhin finden wir in Alcocebre an der Uferpromenade das Restaurant „Benimar“, in dem man perfekt Deutsch spricht, allerdings mit „Rachen-Effekt“. Hier brutzeln und servieren die Schweizer Thomas und Karin aus dem Berner Oberland ihre ausgezeichneten Rösti-Gerichte.
Es ist wieder so schwül-heißer Tag gewesen, an dem einem das Wasser aus allen Poren strömt. Man möchte pausenlos unter der kalten Dusche stehen und am liebsten nur im Schatten liegen und dösen. Erst am Abend werden die Temperaturen erträglich. Doch wehe, ich koche in unserer Kombüse! Die Wärme bekomme ich die ganze Nacht nicht aus dem Schiff heraus. Also gibt es meist Salate. Doch manchmal muss es auch was „Warmes“ sein, so wie heute Abend.
Natürlich ist das Lokal bereits ausgebucht, doch die nette Schweizerin verspricht, in 20 Minuten einen Tisch für uns zu haben. Wir möchten dann nochmal „zurückch-kehren“. Die Zeit reicht gerade für einen Cocktail nebenan in der Musik-Kneipe, wo die englische „Oldie-Band“ gerade ihre Instrumente aufgebaut.
Nach Caipi und Mojito werden wir unter dem großen, alten Olivenbaum mit „leckchersten Röschties“ verwöhnt. Von nebenan dringen die Klänge aus den Siebzigern an unser Ohr. Ein perfekter Abend!
Rösti-Teller
Vier Nächte verbringen wir in Las Fuentes. Trotz der Hitze machen wir eine kleine Wanderung am Wasser entlang, wo sich der Parc Natural Serra d´Irta über die piniengrünen Hügel erstreckt. Doch auf den unbefestigten Wegen vermiesen uns die zahlreichen Autos, die zum Campingplatz fahren oder von dort kommen, die Laune, da wir ständig in eine Staubwolke gehüllt werden.
In der ersten kleinen Bar am Ortseingang müssen wir erstmal den Staub aus der Kehle spülen. Der junge „Camarero“ serviert uns ein eiskaltes „Schweppes“ mit Eis, dann wird er von der „Patronin“, die hinter der Theke in der kleinen Bude steht, gnadenlos „zusammengefaltet“. Das heißt, sie klagt offensichtlich der Mutter des jungen Mannes ihr Leid: Er sorgt nicht dafür, dass neue Getränke kalt gestellt werden, er wäscht das schmutzige Geschirr nicht ab, und, und, und….aber ständig tippt er auf dem Smartphone herum. Alle können es mitanhören, der junge Mann sagt nichts, sitzt nur bedröppelt daneben. Auch die Mutter erhebt keinen Widerspruch, steigt schließlich ins Auto und ist weg. Dann schleicht auch der junge Mann – offensichtlich ist er jetzt entlassen – zu seinem Fahrrad, tippt auf seinem Smartphone herum und saust schließlich davon. Ob er bei „facebook“ sein Leid mit den Freunden geteilt hat?
Am Montag, dem 27. Juli, soll es laut Wetterbericht guten Segelwind geben. Der Käpt´n platzt fast vor Aufregung, doch der Marinero hilft beim Ablegen, und so wird alles halb so schlimm wie befürchtet. Nach 12 ½ Meilen geben wir auf. Wir haben ständig vier bis fünf Bft aus Nordost. Die angesagte Winddrehung auf Ost bleibt aus. Fast drei Stunden muss unser Sorgenkind gegen Wind und Welle ankämpfen. In Benicarlo kann es endlich auskühlen.
Die große Marina Benicarlo bietet viele freie Plätze. Vereinzelt wird sie von französischen Yachten angelaufen. Deutsche „Transitos“? Fehlanzeige! Obwohl sich Bernd auf der „Esperanca“ an unserem Steg gegenüber auch als „Transito“ bezeichnet.
Als wir anlegen, sehen wir sofort die alte Bavaria mit „Hamburg“ am Heck. „Unsere Heimatstadt!“ sagen wir dem Marinero, der sofort energisch an die Bordwand klopft. Kurz darauf steckt Bernd seinen Kopf aus dem Schott heraus. „Moin, Moin!“, rufe ich ihm zu. Er „schwäbelt“ zurück, dass er als Heimathafen Hamburg gewählt hat, aber eigentlich aus Stuttgart kommt. Später erfahren wir dann mit und mit viele gruselige Einzelheiten über Bernds jüngstes Schicksal. Es geht um Anfeindung und Vertreibung. Ort der Handlung: Der Nachbarhafen Vinaros, wo Bernd jahrzehntelang im Club Nautico auf seinem Schiff lebte. Dann passierte etwas, das wir eigentlich gar nicht wissen wollen, was aber so schrecklich gewesen sein muss, dass Bernd nach Benicarlo flüchtete.
Laut Bernd ist das Internet im Hafen „gehackt“ worden. Er konnte nicht mehr in sein Email-Konto, hat es aber jetzt wieder hingekriegt. Ich habe keine Lust auf ähnlichen Stress und verzichte auf Email-Verkehr. Bernd schlägt vor, uns mit seinem Wagen zu Vodafon zu fahren. Dort könnten wir ein Modem für den Computer erwerben und unabhängig vom Hafen-Wifi überall in Spanien ins Internet kommen. Davon hatten uns Heidi und Franz auch schon erzählt. Also nehmen wir das Angebot dankbar an. Mit dem älteren Daimler geht es in die Stadt. Schön, dass es eine Klimaanlage im Wagen gibt. Noch schöner wäre, wenn sie auch Zigarettenrauch absaugen könnte, denn Bernd ist offensichtlich Kettenraucher. Aber es ist nicht weit zum Stadtzentrum. Bei Vodafon stellen wir uns in die Warteschlange. Dann trägt Bernd der jungen Dame am Tresen unser Anliegen vor. Fehlanzeige! Sie hat keine Modems für Computer. Schon gar nicht „Prepaid“. Man muss einen Vertrag abschließen. Dann könnte sie immerhin die Sim-Karte dafür verkaufen. Aber kein Modem. Sie weiß auch nicht, wo man es bekommt.
Bernd ist sprachlos. Wir winken ab. Nicht so schlimm! Es ging ja auch bisher ganz gut mit dem Wifi in Häfen oder Restaurants. Wir laden Bernd zu einem Kaffee ein, da kann er in Ruhe seine Zigarette rauchen. Doch schon im Auto wird der nächste Glimmstängel vernichtet. Dann noch schnell zu Lidl und zum Hafen zurück. Geht natürlich auch nicht ohne Qualm. Aber das war es wert! Die Schapps sind wieder gut gefüllt mit Getränken und vor allem der deutschen Salami für den Käpt´n.
Am Abend gehen wir ins Schnellrestaurant „Ali Baba“ direkt neben der Marina. Während Heinz eine Tüte Kebab „solo carne“ verdrückt, gelange ich mit Codewort „Hello Kebab“ ins Internet, wo ich unbeschadet meine Emails und das Konto checke. Dann wird auch schon die wagenradgroße Pizza Margarita neben das Laptop gestellt.
Am nächsten Morgen dränge ich den Käpt´n zu einer Wanderung. Die wahnsinnige Hitze mit Temperaturen über 30 Grad C. verursacht mir nicht nur ständige Schweißausbrüche sondern auch geschwollene Füße. Gegen die Schweißausbrüche hilft nichts, gegen geschwollene Füße hilft Bewegung. Dafür hat auch der Käpt´n vollstes Verständnis und wandert ohne Groll mit mir durch die Welt.
Heute geht es am Wasser entlang nach Peniscola. Das spanische Wort „cola“ bedeutet „Schwanz“. So gesehen vermutet man vielleicht hinter dem Namen Peniscola etwas doppeldeutig Eindeutiges. Es gehört jedoch in der spanischen Schreibweise über das „n“ in „Penis“ eine Tilde, die ich auf meiner Schreibtastatur nicht zur Verfügung habe. Mit der Tilde jedenfalls sieht das Ganze schon wieder eindeutig weniger doppeldeutig aus. Kann ja auch gar nicht sein, denn schließlich war Peniscola Exil des „Gegenpapstes“ Benedikt XIII.
Auf unserem Weg nach Benicarlo waren wir bereits an diesem 64 Meter hohen Felsen mit den dichtgedrängten Häusern, dem Leuchtturm und der Festung vorbeigefahren. Den Hafen am Fuße des Felsens konnten wir allerdings nicht anlaufen, da hier nur Boote bis acht Meter Länge hineinpassen.
Peniscola von See her gesehen
Peniscola von Land her gesehen
Gut sieben Kilometer müssen wir nun wandern. Es ist kaum Wind und die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel. Die wenigen Bäume an der Uferpromenade beschatten leider nur die Fahrbahn für den KFZ-Verkehr. Bevor ich hier an einem Hitzschlag sterbe, kaufe ich mir einen Strohhut. Eine gute Investition! Ich muss nämlich wieder mal dringend zum Frisör und finde in Peniscola einen Figaro, der mir- wie üblich – die Haare nach dem Schneiden so schrecklich „styled“, dass ich das Meisterwerk stets umgehend unter der Dusche zerstöre.
Mein neuer Hut
Jetzt setze ich stattdessen meinen neuen Hut auf und kann mit dem Sightseeing weitermachen. Bevor wir die Festung erklimmen, gönnen wir uns eine Erfrischung. Mein „Diablo“ schmeckt teuflisch gut! Er besteht aus Granatapfelsaft, Orangengranizado ( ein Wassereisbrei) und einer Kugel Himbeereis.
Es ist ein Vergnügen, durch die steilen Gassen von Peniscola zu wandern. Wir haben ja so langsam einen Hochhauskoller und freuen uns über die alten, hübsch herausstaffierten Häuser.
Enge Gasse in Peniscola
Auch an den Farben des Meeres können wir uns nicht satt sehen.
Dann tauchen wir in die Geschichte der alten Festung ein. 1234 von Jaime I erbaut, anschließend Sitz der Herren von Peniscola, lebten hier von 1294 bis 1307 die Tempelritter.
Ja, so warn´s, die oiden Rittersleut!
1411 zog sich Papst Benedikt XIII hierher als „Gegenpapst“ zum Papst in Rom ins Exil zurück. Mit bürgerlichem Namen hieß er Don Pedro de Luna. Als Spross einer adeligen Familie 1325 in der Nähe von Zaragossa geboren, wurde er von seinen königlichen Anhängern in Avignon zum Papst gewählt und später fallengelassen. Er überlebte den Vorwurf der Ketzerei bei den Urteilen des Konstanzer Konzils und mehrere Giftanschläge. Unter dem Beistand der beiden einzigen Kardinäle, die ihm noch treu geblieben waren, verstarb er hier friedlich und fest davon überzeugt, der wahre Papst zu sein.
Die verschiedenen Raubvögel im Park erwecken dann aber doch unser Mitleid, wie sie da in der Wärme angebunden auf dem Rasen hocken und von den Besuchern angestarrt werden. Da hilft auch der Hinweis nicht, dass es sich um Tiere handelt, die nach Unfällen und Krankheit hier „behütet“ werden.
Mit dem Bus fahren wir nach Benicarlo zurück. Als wir am Abend neue Gribs herunterladen, steht schnell der Entschluss fest: Morgen segeln wir nach Sant Carles de la Rapita.
Es wird ein wunderschöner Segeltörn bei drei bis vier Windstärken aus Südost. Leider müssen wir in der großen Sant Carles Marina ziemlich lange kreisen, bevor uns ein Marinero einen Platz zuweist. Trotzdem kommen wir an diesem perfekten Segeltag nur auf eine Motorstunde. Das für morgen angekündigte Gewitter zieht bereits am Abend auf. Auch heute verdunkeln Gewitterwolken den Himmel und bringen Regen. Die Temperatur sinkt auf ein erträgliches Maß! Nach langer Zeit halten wir uns mal wieder unter Deck auf ohne zu schwitzen.
Wir liegen hier im südlichen Teil des Ebro-Deltas in einem Naturpark. Im Schilfgürtel leben zwar viele Mücken. Doch schließlich brauchen die Fledermäuse, die abends durch den Hafen flattern, auch etwas zu fressen. Und die zahlreichen Fische springen ebenfalls ständig aus dem Wasser und schnappen nach den kleinen Plagegeistern. Von den 600 in Europa existierenden Vogelarten leben hier allein 325 verschiedene Spezies. Die brauchen natürlich auch Futter für sich und ihre Brut. Uns sind die Blutsauger eher lästig. Aber dagegen haben mal wieder die Schweizer ein „Qualitätsprodukt“ entwickelt. Es heißt „Antibrumm“ und garantiert weltweit eine ungestörte Nachtruhe wenn´s um Mückchen, Fliegen, Bremsen, Flöhe und Zeckchen geht. In diesem Sinne: Guats Nächtli!