Wir kommen spät weg von Almerimar.
Der Käpt´n hält einen Ölwechsel für unerlässlich und fängt noch vor dem Frühstück damit an. Als ich vom Duschen zurückkomme, stehen Salon und Cockpit Kopf. Ich beschließe, schon mal zu frühstücken und hoffe, der Ölwechsel ist bald beendet. Doch nun muss noch das Altöl entsorgt werden. Fragt sich nur, wo! Der Käpt´n will es unbedingt herauskriegen, bevor er frühstückt. Außerdem muss das Mietauto noch zum Hafenbüro gebracht und die Hafengebühr bezahlt werden.
Ich schlage vor, meinen fertigen Blog in einem Cafe einzustellen, solange der Käpt´n noch beschäftigt ist. Wir wollen uns dann im Cafe treffen. Als ich dort ankomme, ist noch nicht geöffnet. Ich kann mich trotzdem draußen vor der Tür einloggen und fange mit der Arbeit an. Den Text und die ersten Bilder habe ich schon eingestellt, da trudelt nach und nach das Personal des Cafes ein, sperrt die Tür auf, rückt Stühle um mich herum zurecht, hängt die Blumenampeln unter die Decke der überdachten Terrasse. Ich kann unbehelligt weitermachen, doch plötzlich klappt es mit den Bildern nicht mehr. Eine Fehlermeldung nach der anderen. Und das mittendrin! Da kommt der Käpt´n um die Ecke. „Wie weit bist du?“ – „Ich hab´ hier Probleme mit den Bildern!“
Der Käpt´n verdreht die Augen, trippelt neben mir unruhig auf der Stelle, seufzt tief, atmet schwer. Ich kann doch auch nichts dafür!!! Der Käpt´n setzt sich etwas abseits irgendwo hin, während ich ratlos weiterprobiere. Da schleicht sich der Inhaber des Cafes mit seinem Smartphone an mich ran, tippt drauf rum und murmelt vor sich hin, dass es wohl wieder Probleme mit seiner Antenne gibt, denn das Internet funktioniert nicht.
„Und wann funktioniert es wieder?“-„Wenn der Techniker da war!“ antwortet der gute Mann. Na, toll! Ich rufe dem Käpt´n zu, dass ich ins Cafe gegenüber muss, um die Sache zu Ende zu bringen. „Waaas?“- Die Augen rollen wieder! Doch der Käpt´n folgt mir, wenn auch widerwillig. Das Cafe hat noch nicht geöffnet, eine Angestellte fegt aber gerade die überdachte Sitzmöglichkeit. Als ich mit aufgeklapptem Laptop und Leidensmine vor ihr stehe, lässt sie mich kurzerhand Platz nehmen. Es geht tatsächlich weiter, doch die Internetverbindung ist sehr lahm. Der Käpt´n ist nicht bereit, sich zu setzen, bleibt noch einen Moment in der Nähe stehen und ruft mir dann kurz und bündig zu: „Also, ich geh´ dann!“
Mir wird klar, dass das kein guter Tag wird! Trotzdem bringe ich meine Arbeit zu Ende und hetze dann zum Schiff zurück. Das Frühstück steht unberührt (bei 30° C) auf dem Cockpittisch. Der Salon steht immer noch Kopf. Und warum? Weil ich ja nie Zeit habe zu helfen! – Es gibt ein unschönes Wortgefecht, dessen Einzelheiten hier besser verschwiegen werden. Der Vorfall gehört jedenfalls zu den typischen Szenen unserer Ehe und verleidet mir manchmal das Schreiben. Immer diese Probleme mit dem Internet, immer im falschen Moment und dann noch das Unverständnis meiner besseren Hälfte.
Um 14:30 Uhr legen wir dann doch noch ab. Immerhin sitzen wir jetzt hier seit zehn Tagen zwischen dem scheußlichen Plastikmeer der Treibhäuser und dem mittlerweile total beruhigten Mittelmeer, was die Laune auch nicht gerade hebt. Bis zur Bucht von Almeria verläuft die Fahrt fasst wortlos. Wenigstens der Motor macht kein Klappergeräusch mehr! Plötzlich erhellt sich das Gesicht des Käptn´s und er deutet auf´s Meer hinaus: Delfine! Die ersten seit unserem Start aus Lagos. Das Eis ist gebrochen. Da kommt auch schon Cabo de Gata in Sicht.
Noch ein kleines Stück, und wir steuern hinter der Playa de los Genoveses in den kleinen Hafen San Jose.
Links auf der Hafenmauer steht ein Marinero und winkt uns zu. „Una noche?“ – „Si, una noche!“ Er deutet auf einen Platz gleich rechts hinter der Hafeneinfahrt. Wir steuern in den freien Platz zwischen den Schiffen. Ich steige vorne raus und halte Anima mea vom Steg ab. Der Käpt´n will die Mooring hochziehen, doch am Eisenring der Mauer baumelt nur ein kurzer Tampen. Die gekappte Mooringleine!
Nun muss der Käpt´n das Boot festhalten, während ich um den ganzen Hafen herumlaufe und dem Marinero mit einigen spanischen Wörtern und viel Körperspache erkläre, dass da keine Mooring ist. Ihm scheint es jetzt zu dämmern, auch er erklärt mir mit vielen spanischen Wörtern und viel Körpersprache, dass die Mooring von so elenden Nichtskönnern abgefahren wurde. Dann zeigt er uns einen anderen Platz und betont dabei, dass der noch ein bisschen näher an den Sanitäreinrichtungen ist. An- und Ablegemanöver sind für uns mittlerweile kein Thema mehr. Schnell schlüpfen wir in die freie Lücke, ich checke ein und ein entspannter Abend beginnt. Welcher Rundumblick in diesem schnuckeligen Häfchen! Aus der Loungebar nebenan dringt leise Musik an unser Ohr. Am Himmel funkeln unzählige Sterne, an den Hängen rundum glitzert das Licht in den Fenstern der Häuser. Der Idealzustand eines gemeinsamen Abends am Mittelmeer. Welches Glück, das gemeinsam erleben zu dürfen!
Es folgt eine erholsame, ruhige Nacht. Die Duschen sind wie der Hafen: Klein, aber fein! Nach dem Frühstück legen wir um 10:30 Uhr ab. Gerne wären wir hier noch länger geblieben, aber die Windvorhersage zwingt uns zur Weiterfahrt. Allerdings weht momentan nur ein leises Lüftchen, natürlich wieder mal von vorne! Doch das erlaubt uns, ganz dicht an der umwerfenden Küste des Parque Natural de Cabo de Gata – Nijar entlangzufahren.
Kleines Kanu vor großer Kulisse
Unterwegs beschließen wir, statt nach Garrucha 17 Meilen weiter nach Aguilas zu laufen. Eine gute Entscheidung, denn später werden wir erfahren, dass gleich neben der Marina von Garrucha ein Industriehafen ist. Dort wird bergeweise Kalk aus den Bergen abgeladen. Man kann sich denken, wohin der Kalkstaub bei Wind geblasen wird! Aber Wind ist wieder mal Mangelware und so muss der Motor angeschmissen werden. Scheint ja auch wieder in Ordnung zu sein, das gute Stück. – Doch es nützt nichts, wegzuhören, an was anderes zu denken, zu ignorieren….Das Klappern meldet sich zurück.
Kurz vor der Marina des Club Nautico in Aguilas ragen an der Backbordseite Masten hinter einer Steinmole hervor. Ich vergrößere die elektronische Seekarte und entdecke dort einen Hafen, jedoch ohne das Gasthafen-Logo. Also fahren wir weiter. In der kleinen Marina des Clubs ist noch ein Platz frei. Nur für eine Nacht und ohne Mooringleine! Auch hier waren wohl die Spezialisten am Werk!
Während wir durch das Hafenbecken kreisen, erklären uns die Spanier, in der „nueva marina“ seien Plätze frei. Ihre Finger zeigen eindeutig in Richtung der vorher entdeckten Steinmole mit Masten. Also geht es zurück. An der Mauer zur Hafeneinfahrt lese ich: „ Puerto Deportivo Juan Montiel“. Ach, der Hafen ist das also! Den Namen hatte ich in meinen Informationen der „Kreuzer Abteilung“ gelesen, wusste aber nicht, wo die Marina genau liegt. Wir haben nämlich kein Hafenhandbuch für die spanische Mittelmeerküste. Stattdessen habe ich mir zu Hause viele Informationen der Kreuzer-Abteilung und des Trans Ocean ausgedruckt. Die Navigation an dieser Küste ist sehr einfach und die Ansteuerung der Häfen ist problemlos. Da genügen meine Unterlagen. Notfalls schaue ich mir die Häfen vorher im Internet an. Wenn es funktioniert!
Ja, hier ist wirklich jede Menge Platz! Ganze Stege sind leer. Ein Marinero entdeckt uns und hilft beim Festmachen an der Hafenmauer direkt hinter der Tankstelle. Über eine Leiter an der Mauer gelangen wir komfortabel an Land. So hätte ich es mir in der Marina Alcaidesa gewünscht!
Es sind nur ein paar Schritte zum Hafenbüro und zu den supertollen Sanitäranlagen. Diese bestehen nicht nur aus den üblichen Waschbecken, Toiletten und Duschkabinen sondern aus drei abgeschlossenen Bädern jeweils für Damen und Herren. Jedes Bad besteht aus einer großzügigen Duschkabine mit Glastür und einem Raum mit Waschbecken- eingepasst in eine Ablage -sowie Haken für die Kleidung. Das Bad ist sehr edel mit weißen Sanitärobjekten und orangefarbenen Mosaikfliesen ausgestattet. Es gibt einen Papierspender, Fön und Mülleimer. Ein Paradies für die Körperpflege!
Spitzenmäßig günstig ist auch die Hafengebühr: Ein Tag kostet 25,97 Euro, zwei Tage 38,95 Euro und drei Tage sogar nur 51,94 Euro. Wir bezahlen für zwei Tage, kaufen im nahe gelegenen Mercadona-Supermarkt frische Lebensmittel ein und schauen den Ruder- und Segelübungen der Kinder zu, die ab elf Uhr morgens mit lautem Gekreische das Hafenbecken unsicher machen. Besonders die Mädels haben sich so viel zu erzählen, dass sie schon mal unter großem Gelächter die Hafenmauer oder die Anima mea rammen.
Die lustigen Chicas im Kajak
Als wieder Ruhe eingekehrt ist, strecken wir uns im Cockpit auf der Sitzbank aus. Es ist heiß und ein Schläfchen im Schatten wäre jetzt nicht schlecht. Da hören wir ein „Hallo!“ und noch einmal „Hallo!“ von oben. Auf der Hafenmauer steht ein Herr mit Fahrrad, lächelt uns freundlich an und sagt: „Ich liege da drüben mit meiner kleinen Maxi. Da sah ich die deutsche Flagge und dachte, dass ich mal rüberschaue.“ Es stellt sich heraus, dass er ebenfalls aus Hamburg ist, dreißig Kilometer entfernt von hier eine Ferienwohnung besitzt und im Puerto einen Dauerliegeplatz hat. Seit Mai ist er im Ruhestand und hofft, dass es ihm nicht langweilig wird. Dafür werden wir schon sorgen!
Er hat nämlich in einem Nebensatz verraten, dass er heute Nacht an Bord schlafen möchte. Am nächsten Morgen, die Wetterdaten zwingen uns dringend zur Weiterreise, fällt dem Käpt´n auf, dass der Kühlwasserschlauch undicht ist. Er hat zwar einen Ersatzschlauch, aber keine Kühlflüssigkeit, denn für die Reparatur muss die Kühlflüssigkeit abgelassen werden. Doch wo in dieser Gegend abseits vom Schuss gibt es wohl Kühlflüssigkeit? – Der Käpt´n läuft zum ortskundigen Maxi-Eigner. „Zu weit zum Laufen, aber ich fahre dich mit meinem Auto hin,“ ist die Antwort. Den Mann hat uns mal wieder der Himmel geschickt! Er freut sich sehr über die Flasche Wein als Dankeschön und wir uns über die Kühlflüssigkeit.
Es ist heiß und kein Lüftchen regt sich. Der Käpt´n ist schweißgebadet, als er die Reparatur ausgeführt hat. Dann erscheint zunächst eine 1 auf der Windanzeige, später folgt die2. Es soll ja noch besser werden, haben die Gribs gesagt. Also starten wir kurz vor der Mittagsstunde nach Nordosten Richtung Cartagena. Draußen geht der Wind auf 3, manchmal sogar auf 4 Bft. Segel hoch und Schonzeit für den Motor!
Ganze acht Meilen darf sich das eiserne Segel erholen, dann meldet unser Geonav 0 Knoten! Es ist zum Verrückt werden mit dem Wind im Mittelmeer. Noch nicht mal die Gribs verstehen seine Launen! Hoffentlich hält das unser angeschlagener Motor auf die Dauer aus.
Gegen halb acht erreichen wir die große Bucht vor Cartagena. Zunächst sehen wir nur Felswände um uns herum, doch der Plotter zeigt, dass es vor der Wand voraus nach links in die versteckte Hafeneinfahrt geht. Nun haben wir die Wahl zwischen dem Yacht Port Cartagena rechts und dem Club Nautico links. Wir nehmen den Club Nautico, wo schon ein Marinero steht und uns an die Hafenmauer direkt neben der Promenade lotst. Hinter einem hübschen Schweizer Zweimaster machen wir um 19:40 Uhr fest.
Abends flanieren die Menschen an uns vorbei. Sie rufen „Hola!“, schauen neugierig auf unseren Esstisch und werfen anerkennende Blicke auf Anima mea. Schiffe wie unseres sieht man in Spanien selten! Auch ein englisches Seglerpaar bleibt stehen. Ein Kompliment für unser Teakdeck führt zu einem lebhaften Gespräch, das leider unterbrochen werden muss, weil die Pizza Ofen um Hilfe schreit. Schade, die beiden waren so nett wie unsere englischen Freunde Nick und Marjorie.
Am nächsten Morgen finden im Hafenbecken die Drachenbootwettkämpfe statt. Zuerst rudern zwei Frauenmannschaften, dann zwei Herrenmannschaften gegeneinander. Das Fernsehen ist auch vor Ort. Eine Mordsgaudi!
Dann müssen wir einkaufen. Wie prächtig diese Stadt ist! Vor allem die Häuserfassaden im Stil der Modernisme, der unserem Jugendstil entspricht, finden unsere Bewunderung. Gehwege und Plätze sind mit Marmorplatten ausgelegt. Überall finden wir Denkmäler und Figuren, die von der Geschichte dieser alten Stadt erzählen.
Bereits die Neandertaler bemalten hier Muschelschalen. 223 v. Chr. nahmen die Karthager die Stadt ein. Sie nannten sie „Nova Carthago“, später wurde daraus Cartagena. Ihre Befestigungen sind bis heute erhalten. Am Castillo, zu dem wir mit einem Fahrstuhl hinaufbefördert werden, steht eine Büste des Stadtgründers. Im Castillo wird die wechselvolle Geschichte der Stadt anschaulich erklärt.
Von hier oben haben wir einen fantastischen Ausblick auf die Stadt, die Berge und die Häfen. Auch das Forum Romanum, eindrucksvolles Baudenkmal aus der Zeit, als Cartagena römisch war, sehen wir aus der Vogelperspektive. Wir wandern hinunter und suchen in den verwinkelten Straßen nach dem Eingang. Dann finden wir ihn gerade noch rechtzeitig, bevor geschlossen wird.
Uns ist ganz schön heiß geworden beim Erklimmen der Tribüne. Da kommt das „Yellow Submarine“ in der Calle Mayor gerade recht! 52 verschiedene Biersorten stehen auf der Getränkekarte. Der Käpt´n entscheidet sich für ein kühles Budweiser. Für mich gibt es einen Weißwein. Rapper und Dudelsackspieler machen Straßenmusik und ein frisch getrautes Brautpaar biegt strahlend um die Ecke. Mitten auf dem Platz muss der Bräutigam etwas richten. Ist vielleicht das Strumpfband verrutscht? Oder sucht er gar nach dem Internetanschluss? Ich schieße jedenfalls ein neues Foto für meine „Hochzeitsgalerie“. Das haben die beiden bestimmt nicht in ihrem Fotoalbum.
Am nächsten Morgen ist früh wecken. Bereits um halb acht sind wir auf dem Weg nach Torrevieja.
Nach alter Sitte kommt der Wind zunächst wieder von vorne. Er weht jedoch nur schwach und erzeugt moderate Wellen, die unseren angeschlagenen Motor nicht zu sehr fordern. Nach 19 Meilen können wir endlich auf Nordkurs gehen. Hoch am Wind segeln wir mit wenig Welle und 3 bis 4 Bft aus NO am Mar Menor vorbei nach Torrevieja. Sahnesegeln vom Feinsten!
In Torrevieja haben wir die Wahl zwischen drei Marinas: Die Marina International, der Club Nautico und die Marina Salinas. Wir entscheiden uns für die Marina International. Ein kleines Haar fällt uns dann doch noch in die gute Tagessuppe: Wind und Strömung in der engen Hafengasse bringen den Käpt´n beim Anlegemanöver fast zur Verzweiflung. Ist halt ein Langkieler, unsere Anima mea. Draußen auf dem Meer zieht sie sanft durch die höchsten Wellen, aber die Kunst, auf dem Teller zu drehen beherrschen ihre kurzkieligen Schwestern und Brüder weitaus besser.