26.06.2014 – Roscoff

So ist das beim Segeln: Manche Orte möchte man verlassen, weil die Bedingungen (Wind, Tide) genau passen, und dann muss man trotzdem bleiben. Aber darüber will ich erst am Schluss berichten.

Nachdem wir  am vergangenen Donnerstag, dem 19.06. von Lezardrieux aus wieder den  Fluss Trieux  hinunter  fuhren, folgte uns eine Amel  40 , die uns irgendwie bekannt vorkam. Tatsächlich, es war die „ Beryll Grey“ mit den beiden Gentlemen, die wir vorher  in St Quay getroffen hatten. Sie hatten wohl im  Tidenhafen von Lezardrieux  gelegen. „Hello!“ – „Hello!!“ – „Wo wollt ihr hin?“ – „Zur Ile de Brehat!“-„Wir wollen nach Treguir!“-„Da kommen wir demnächst auch hin!“  ging es zwischen unseren Schiffen hin und her. Dann bogen sie auch schon in Richtung der kleinen Insel ab, während wir etwas weiter nördlich auf Westkurs gingen.  Nachdem wir das Fahrwasser „Grande Passe“ erreicht hatten, steuerten wir in die Mündung des  „Riviere de Treguier“. Gut zu wissen, dass man hier bei jedem Gezeitenstand eine zwei Meter tiefe Fahrrinne vorfindet, denn rechts und links davon breiteten sich  bereits die trocken gefallenen Uferzonen  des Flusses aus. Am ersten Ponton machten wir fest und genossen den stillen Sommerabend im sonnenbeschienenen Cockpit.

Auf dem Jaudy nach Treguier

Am nächsten Tag bummelten wir durch die „Petite Cite de Caractere“, wie sich das 3000 Einwohner zählende Städtchen Treguier im Touristenprospekt auch nennt. Viele bunte Fachwerkhäuser, kleine Geschäfte mit regionalen Erzeugnissen und eine der schönsten Kathedralen der Bretagne prägen das Ortsbild. In dieser beeindruckenden Kirche befindet sich die prächtige Grabstätte des heiligen Yves, Schutzpatron der Richter.  An jedem 18. Mai wird Treguier  von vielen Gläubigen aus ganz Europa besucht, die an der Prozession „Grand Pardon de St Yves“ teilnehmen.Fachwerkhäuser aus dem 16./17. Jahrh. Die Kathedrale St. Tugdual in Treguier Die Reliquie des Hl. Yves St. Yves, Schutzpatron der Richter Die Kathedrale im Stil der filigranen Flamboyantgotik

 Für dieses Großereignis waren wir leider einen Monat zu spät. Doch am nächsten Tag pilgerten wir immerhin in die zur Fußballkneipe umdekorierte  Pizzeria  im Stadtzentrum, um das WM-Spiel  Ghana/ Deutschland hautnah am Riesenflachbildschirm zu erleben. Als das 2:2 über die Runden gebracht worden war und Müller blutüberströmt vor dem Tor lag, lud uns die deutsch-englischsprechende Runde neben uns an ihren Tisch ein. Es waren die Eigner einer 52-Fuß Aluminium Yacht , die uns sofort aufgefallen war, als wir in Treguier einliefen. Außerdem lernten wir noch einen  der Inhaber der französischen Werft „Boreal“ kennen, die diese Yacht in Treguier gebaut hatte sowie einen Kunden der Werft, der sich gerade eine ähnliche Yacht bauen ließ. Am nächsten Tag, es war Sonntag, durften wir das schöne Schiff auch von innen bewundern. Für alle, die mit einer Aluyacht liebäugeln: Außen wie innen findet man keinen Schnick-Schnack. Alles ist sehr hochwertig, edel  und schlicht verarbeitet.  Wegen ihrer Stabilität und  ihres geringen Tiefgangs (Schwert) ist  die Yacht für alle Segelreviere dieser Welt geeignet. Allerdings würde sie kaum in einem dänischen Hafen einen Platz finden, weshalb wir doch lieber bei unserer Anima mea  bleiben. Dem freundlichen Eignerpaar wünschen wir allzeit gute Fahrt! Wasser unter dem Kiel braucht ihr ja nicht unbedingt, da ihr trocken fallen könnt.

An Bord der schönen Yacht

Der andere Werft-Kunde vom Vorabend kam übrigens am gleichen Morgen zu einem kurzen Besuch zu uns an Bord, bevor er nach Hause zurück reiste. Er lebt seit vielen Jahren in Holland, ist jedoch gebürtiger Deutscher aus – jetzt wird´s wieder lustig – REMSCHEID! Dort hat  Heinz einige Zeit gelebt und mit Zeitungsdrucken sein Studium finanziert. Natürlich kannte unser Gast den „Remscheider Generalanzeiger“. So klein ist die Welt!

Auch wir mussten weiter. Wenig Wind, aber guter Strom brachte uns schnell unserem 42 Seemeilen entfernten Ziel entgegen. Die „Sept Iles“  ließen wir an Steuerbord. An Backbord erfreuten wir uns an den roten, rundgeschliffenen Felsen der Cote de Granit Rose mit ihren bekannten Orten Perros-Guirec, Ploumanac`h, Tregastel und Trebeurden. Hier erreichten wir die Baie de Lannion und danach die Baie de Morlaix.

Einer der berühmtesten Klunker der Cote de Granit Rose Der Leuchtturm von Meen Ruz bei Ploumanac´h

Vor dem Fährhafen von Roscoff setzten wir den vorgeschriebenen  Funkspruch  ab und baten um die Erlaubnis, in die Marina einzulaufen. Als Antwort kam nur ein lautes Rauschen. Dann eben ohne Erlaubnis! Um 21.40 Uhr machten wir in der superneuen, supermodernen Bloscon-Marina fest. Sie wurde erst dieses Jahr fertig, es wird allerdings noch in verschiedenen Räumlichkeiten gewerkelt. Leider sind auch die Waschmaschinen und Trockner noch nicht installiert. Aber ansonsten ist alles pikobello! (www.plaisancebaiedemorlaix.fr)

Bloscon-Marina in Roscoff Die Baie de Morlaix

In unmittelbarer Nähe der Marina befindet sich  zwischen und auf den Felsen ein wunderschöner Garten mit farbenprächtigen exotischen Pflanzen.DSCF9299

Das hübsche Städtchen Roscoff ist 20 Minuten Fußmarsch entfernt. Schilder, auch hier stets in Französisch und Bretonisch beschriftet, weisen den Weg. Vom alten Hafen – bretonisch: Porzh Kozh- kann man in 15 Minuten zur Ile de Batz übersetzen. Sicher wird dem einen oder anderen  bei starkem Seegang auch mal kotzübel…

Immer zweisprachig: Französisch und Bretonisch Roscoff

Natürlich ist auch in Roscoff die Kirche eine der Hauptsehenswürdigkeiten. Das Kerlchen, das dort so respektlos unter der Decke hängt, möchte ich euch nicht vorenthalten. Es schert sich wohl nicht um die  vielen Heiligen, die hier in der Bretagne zahlenmäßig den Rekord halten.

Was soll man dazu sagen?

Bemerkenswert zu Roscoff ist auch, dass sich hier das Zentrum der Thalassotherapie befindet. Aus den Algen, die im klaren Meerwasser gedeihen, werden medizinische und kosmetische Produkte hergestellt.Algenernte

Um Roscoff herum breiten sich die Gemüsefelder aus. Neben Artischocken wachsen hier auch die rosa Zwiebeln, die bis 1930 von den bretonischen Männern zu den Kunden nach England gebracht wurden. Mit schwer beladenen Fahrrädern gelangten sie mit der Fähre dorthin. Kaum zu glauben, wie sie es durchhielten, mit diesen einfachen Rädern bergauf und bergab durch die englische Landschaft zu fahren! Die Engländer tauften diese Männer „Johnnies“. Immer wieder findet man alte Fahrräder, angelehnt an Häuser oder Mauern, die an diese Zeit erinnern.Erinnerung an die "Johnnies"

Vorgestern fuhren wir dann auch per Bus quer durch die Zwiebel- und Artischockenfelder ins Landesinnere nach Morlaix. Die Baie de Morlaix, in der ja die Bloscon-Marina liegt, hat ihren Namen von dem Fluss Morlaix, der hier mündet. Die gleichnamige Kleinstadt  nennt sich  zu Recht auch „Cite d´art et d´histoire“.  Sie liegt in einem Tal und wird von einem beeindruckenden Eisenbahnviadukt überspannt.Das Eisenbahnviadukt

Im Mittelalter war Morlaix das größte Handelszentrum der Bretagne. Davon zeugen unter anderem die prächtigen „Laternenhäuser“, die teilweise mit Schieferschindeln  verkleidet sind.Schieferverkleidete Häuser aus dem 15. Jahrh.

Gestern sollte es dann mit dem ersten ablaufenden Wasser um sieben Uhr morgens nach L´Aber-Wrac´h weitergehen. Am Vorabend ging ich noch einmal kurz ins Internet und entdeckte, dass  im Kontoauszug eine Abbuchung über 300 Euro angekündigt wurde.  Empfänger: Die Bloscon-Marina. Wir hatten aber lediglich für 30,38 Euro zwei Kanister Diesel an der Selbstbedienungstankstelle getankt und per Karte  bezahlt. Dieser Posten tauchte im Kontoauszug überhaupt nicht auf.  Jetzt, um 22:00 Uhr, war niemand mehr im Hafenbüro. Erst morgen früh um 7:00 Uhr würde es wieder geöffnet sein. Natürlich standen wir dort pünktlich auf der Matte, doch bis alles geklärt war – die Einzelheiten bezüglich der Diskussionen, die Rennerei zwischen unserem Schiff und dem Hafenbüro sowie die Emails und Telefonate zwischen uns und unserer Bank kann ich gar nicht in allen Einzelheiten beschreiben – war der Tag rum. Leider schlug auch das Wetter um.  Heute wurden 30,38 Euro vom Konto abgebucht, der Posten mit den 300 Euro hat sich in Luft aufgelöst. Wir haben seit heute eine stabile Westwind-Lage und  L´Arber-Wrac´h – siehe Textanfang – fällt mindestens bis nächste Woche  ins Wasser.DSCF9364

Immerhin haben wir heute Abend in einer Bar am Porzh Kozh das Spiel Deutschland/USA geschaut. War nicht übel!

 

02.07.2013 – Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Gestern haben wir auf dem „Fuselfelsen“ sprich Helgoland festgemacht. Eigentlich wollten wir noch ein bisschen in Cuxhaven bleiben, doch unsere niederländischen Stegnachbarn  meinten, angesichts der Wetterprognose sei es ein günstiger Zeitpunkt, den Sprung über die Deutsche Bucht zu wagen. Nach dem Auftanken an der Dieselstation starteten wir um 10:30 Uhr. Diesen Zeitpunkt hatten unsere Niederländischen Nordseesegler gewählt und wir folgten widerspruchslos in Ehrfurcht vor deren Erfahrung mit der Nordsee. Draußen ging die Post ab!Mit bis zu 10 Knoten  pflügte Anima mea  durchs Wasser. In der Ostsee hatten wir diese Wahnsinnsgeschwindigkeit noch nie erreicht (außer einmal in der Hanöbucht bei Gewitter). Leider nahm der  West- bis Südwestwind auf 22 bis 25 Knoten zu. Unterwegs gab DP07 (Delta-Papa 07 Seefunk) über UKW eine neue Windwarnung bekannt (W 6, in Böen 7). Darauf konnten wir jetzt leider keine Rücksicht mehr nehmen! Anima mea legte sich auf die Backe. Also reffen! Nun hatten wir das Problem, beim Aufkreuzen Höhe zu laufen. Mühsam arbeiteten wir die auf dem Kartenplotter angezeigten Meilen ab. Die Wellen türmten sich mehr und mehr auf, es rumpelte und pumpelte in Schränken und Kisten,  hin und wieder gab´s eine Salzwasserdusche. Schließlich machte sich der einsetzende Gegenstrom immer deutlicher bemerkbar. Wir waren einfach zu spät dran! Als der Seegang in der Deutschen Bucht  etwas  ruhiger wurde, rollten wir die Genua ein und liefen unter Motor und Groß in Richtung „Deutschlands einzige Hochseeinsel“.

Ansteuerung von Helgoland

Ansteuerung von Helgoland

Um 19:15 Uhr machten wir etwas erschöpft im Päckchen fest. Die Manöverkritik am Abendbrottisch ergab, dass wir einfach zu spät losgefahren waren. Am nächsten Morgen begrüßten uns die Niederländer am Steg. Auch sie hatten eine ungemütliche Überfahrt gehabt. Der Skipper gab zu, sich beim Blick in den Tidenkalender verguckt zu haben. Er hatte Hochwasser Cuxhaven mit Hochwasser Helgoland vertauscht! Und wir hatten geglaubt, eine besonders gewiefte Taktik stecke hinter der Wahl des Abfahrtstermins. Also heißt es in Zukunft: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Nun strahlt die Sonne und die blaue Nordsee kräuselt sich sanft. Wir haben gut geschlafen und sind wieder voller Tatendrang. Die Insel und ihre Düne rufen! Und vielleicht gibt´s heute Abend einen Eiergrog?

29.06.2013 – Auf los geht´s los!

Der stürmische Westwind trägt die Shantys der Klabautermänner zu uns in den Salon der Anima mea,die seit Mittwoch vor der Schleuse in Brunsbüttel im kalten Wasser des Nord-Ostsee-Kanals schaukelt.

Am Montag, dem 24.06.2013 sind wir – Christine und Heinz aus Hamburg- in Großenbroder Fähre aufgebrochen, um die nächsten 16 Monate durch die Welt zu segeln.

Wir grüßen besonders Elke und Jürgen Koch, Rolf und Margriet und Jürgen, aber auch alle, die uns von ihren Booten aus zum Abschied zugetutet und gewunken haben.

Und Tschüs!

Und Tschüs!


Zunächst ging es durch die Regattafelder der Kieler Woche nach Kiel. Vor der Schleuse in Kiel-Holtenau mussten wir zwei Stunden kreisen, bis uns endlich die Einfahrt in die Schleusenkammer gewährt wurde. Als einziges Sportboot wurden wir mit zwei Frachtern und einem Schlepper in den NOK geschleust. Kostete nur 12 Euro! Die Nacht verbrachten wir vor Anker im Flemhuder See, der bei Kanal-Kilometer 85,4 an Backbord abzweigt. Mit uns waren waren wir fünf Boote in beschaulicher Natur.

Kiel-Holtenau: In der Schleuse

Kiel-Holtenau: In der Schleuse

Am nächsten Tag schipperten wir bis Brunsbüttel. Zu unserem großen Erstaunen wurden wir bald von Bekannten begrüßt, die hier in der Nähe wohnen. Seitdem ist das Wetter leider sehr stürmisch, kalt und nass. Wir müssen noch hier bleiben, vielleicht können wir Sonntag nach Cuxhaven. Haben ja Zeit im Gegensatz zu den meisten anderen Seglern. Urlaub war eben gestern, jetzt ist Ruhestand, juchu! Unterhaltung haben wir auch. Von heute bis Sonntag ist hier 118tes Kanalgeburtstagsfest. Gerade werden auf der Bühne hier am Hafen die Shanties geschmettert. Wir liegen direkt an den Schleusen , die laufend die Riesen der Ozeane schlucken bzw. ausspucken. Sehr imposant!

Ankern auf dem Flemhuder See / Nord-Ostsee-Kanal

Ankern auf dem Flemhuder See / Nord-Ostsee-Kanal

Gestern Abend sind wir ins Restaurant „Torhaus“ essen gegangen. Dort saß schon unser Bootsnachbar von der Skippy beim Abendbrot. Ein sehr netter Herr von 77 Jahren, der nur noch allein unterwegs ist mit seiner Nauticat 44, da seine Frau aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr mitfährt. Er war früher als Obersteiger und dann als Betriebsführer auf einer Zeche im Ruhrgebiet tätig und kannte auch die Zeche, auf der mein Vater (Christine) gearbeitet hatte. Nun ist er in die Eider gefahren, weil es ihm hier zu langweilig wurde. Er hat uns sein „Beiheft zu den amtlichen Karten für die Sportschifffahrt“ geschenkt, in dem wichtige Informationen über die Gezeitenströme in der Nordsee enthalten sind. Wir haben noch ein bisschen Zeit, diese zu studieren, bevor es hinaus geht auf Elbe und Nordsee. Mal sehen, wie es Anima mea dort gefällt. Sie kennt ja bisher nur Ostseewasser.