05.06.2014 – Zum Rendez-Vous in Saint Malo

Bonjour! Vorgestern sind wir nach 9 Stunden und 25 Minuten gut in Frankreich angekommen. Anfangs hatten wir guten Wind, doch leider fast von vorne, so dass wir zunächst wieder unseren Motor anschmeißen mussten. Auf halber Strecke erfolgte bei den „ Minquiers Inseln“, die bei Flut weitgehend von Wasser bedeckt und rundum von Grundseen umgeben sind, eine Kursänderung, nach der endlich gesegelt werden konnte. Doch nach einer Stunde schlief nach und nach der Wind ein. Um die richtige Strömung beim Einlaufen nach Saint Malo zu erwischen, mussten wir schneller werden, so dass das „Eiserne Segel“ wieder ran musste. Als wir um 17:45 Uhr vor dem Sill an der Hafeneinfahrt   des Yachthafens Bas-Sablons ankamen, zeigte die Wasserstandsanzeige auf der Hafenmauer 1,7 m an. Bis die für uns erforderlichen 3,6 m erreicht waren, gingen wir an eine der beiden weißen Wartebojen .

An der Warteboje vor dem Sill

An der Warteboje

Mittlerweile hatte der Westwind wieder ordentlich aufgefrischt, aber an der Ostseite des Visitor-Pontons waren noch Plätze frei. Eine sehr „schwellige“ Angelegenheit, wie sich bald herausstellte. Anima mea tanzte trotz ihrer sieben Tonnen Gewicht bis zum nächsten Morgen wie ein Korken und wir tanzten mit. Gut, dass wir beide nicht seekrank werden. Hier wäre es sicher passiert. Eines unserer Weingläser überlebte die Schaukelei leider nicht. Während wir im Hafenbüro 31,50 Euro (ohne Internet) pro Nacht bezahlten, stürzte es vom Kartentisch. Wir hoffen, die Scherben bringen Glück, denn mir steht noch ein unangenehmes Rendez-vous bevor. Nein, nein! Es handelt sich nicht um einen französischen Kavalier sondern um einen Termin (franz. rendez-vous) beim Zahnarzt. Denn das ist der eigentliche Grund, dass wir nach Saint Malo gefahren sind, obwohl wir von Jersey aus schon einmal mit unserem „Freund“ Condor hier waren.Niedrigwasser

Auch in unserem Hafen herrscht ein gewaltiger Tidenhub

Auf der Insel Jersey waren wir ja nur halb so lange wie auf Guernsey. Die beiden Inseln sind wirklich sehr unterschiedlich. Die Hauptstadt St Helier, nach einem Eremiten benannt, ist sehr „busy“, hat rund um die Häfen viele Geschäfte und Banken sowie moderne Wohn- und Geschäftshäuser. Wir lagen ja im „Albert Harbour“ direkt in der Innenstadt. Hierher strömen die Visitor-Yachten aus allen Himmelsrichtungen. Als wir ankamen, waren fast alle Plätze mit Halberg Rassys belegt, die am nächsten Tag wieder ausliefen. Doch dann folgte eine wahre Invasion französischer Boote, die eine Regatta gemacht hatten. Zuletzt war der Hafen regelrecht zugeparkt. Zwischen den Pontons reihten sich die Päckchen, so dass man von einem Ponton zum nächsten über die Schiffe laufen konnte. Gott sei Dank hatten wir eine Box und blieben unbehelligt.

Visitor Harbour ist brechend voll!

Nach der Rassy-Vereingung kamen die Franzosen

Zunächst versorgten wir uns bei „Marcs & Spencer“ mit den Köstlichkeiten Jerseys .

Alles auf Jersey und Guernsey erzeugt.

Alles auf Jersey gewachsen!

Dann unternahmen wir einen langen Spaziergang entlang der St Aubin´s Bucht zwischen St Helier und St Aubin. Dabei bummelten wir zunächst durch den zweiten großen Yachthafen, die Elisabeth Marina, deren Umfeld uns an Hamburgs moderne Hafencity erinnerte.

Elizabeth Harbour

Elisabeth Marina

Doch im Gegensatz zum Hamburger Hafenwasser hatte das hier eine traumhaft türkisgrüne Farbe. An der Oberfläche zogen gemächlich schwimmende Fische ihre Bahnen und genossen bei ihren Stopps das wärmende Sonnenlicht .

Sie nehmen ein Sonnenbad im Hafenbecken.

Stillleben im Hafenwasser

Hier wie dort jedoch bewohnen wohlhabende Menschen die schicken Flats, beziehen ihre Unterkunft in teuren Hotels und nehmen einen Drink auf den Terassen der Bars und Restaurants, wobei es sich in St Helier überwiegend um reiche Briten handelt, deren luxuriöser, lockerer Lebenstil überall spürbar ist.

Von der Marina aus eröffnete sich schon der schöne Blick auf die geschwungene St Aubin´s Bay. Das Niedrigwasser hatte den „castle causeway“ zum Elisabeth Castle freigelegt und viele Menschen strömten zu der königlichen Burg aus dem 16. Jahrhundert.

Der Ebbe-Weg zum Elizabeth Castle

Castle Causeway zu Elisabeth Castle, St Aubin´s Bay

Bei Hochwasser fahren auch Boote auf Rädern dorthin. Zur Zeit wurden sie aber nicht benötigt und parkten am Strand.

Boote mit Rädern fahren jederzeit zum Elisabeth Castle

Boote auf Rädern

Am Ende der Bucht kam St Aubin´s Fort in Sicht, das den Hafen von St Aubin zur Meerseite hin abschirmt.

St Aubin´s Fort

St Aubin´s Fort

Im hübschen Ort machten wir eine Pause auf der Terasse eines Hafenrestaurants.

St Aubin´s Harbour

Hafen von St Aubin

Nach dem langen Marsch schmeckte der Pimms mit frischen Erdbeeren, Gurke und viel Minze besonders gut. Um uns herum viele gutgelaunte Menschen, die oft sektkühlergroße Glasgefäße mit dem köstlichen Getränk geordert hatten und so den Nachmittag bei Sonnenschein und Hafenblick genossen.

Pimms

Pimms

Nach unserer Rückkehr waren wir rechtschaffen müde und beschlossen, als Nächstes eine Busfahrt zu unternehmen. Rundreisen mit dem Bus sind hier leider nicht möglich, so dass wir mit einem Tagesticket die längst mögliche Busfahrt entlang der St Aubin´s Bay an der Westküste hoch bis zur Bucht Greve de Lecq Barracks im Norden und dann durchs Landesinnere zurück nach St Helier unternahmen.

Mit dem Traktor werden die Fischerboote an den Strand gezogen

Die Bucht Greve de Lecq Barracks. Die Fischer ziehen ihre Boote mit dem Traktor an Land.

Fazit am Ende unseres Aufenthalts auf den Kanalinseln:

Nicht nur Jersey selbst , auch alles andere, die Buchten, die Häuser, der Luxus, die Geschäftigkeit sind größer als auf Guernsey, das für unseren Geschmack mehr Charme besitzt und daher nach Sark und Herm auf Platz drei der Favoritenliste steht. Allerdings hatten wir nicht so viel Zeit, um Jersey intensiver zu erkunden, zumal am Montagmorgen beim Frühstück ein kleines Unglück passierte. Das mutmaßliche Steinchen in meinem Frühstücksbrot entpuppte sich nämlich als Zahnstückchen. Dann verspürte ich plötzlich ein „riesiges“ Loch dort, wo ein Backenzahn hätte sein müssen. Dabei war ich vor unserer Abreise noch zur Kontrolle und professionellen Zahnpflege beim Zahnarzt gewesen! Ich suchte sofort einen „Dentist“ in St Helier auf, der mir bestätigte, dass sich ein „irreparables“ Loch aufgetan hatte, das notdürftig abgedichtet wurde. Das Honorar über 45 Pfund für diese Notfallbehandlung würde mir meine Reisekrankenversicherung zurückerstatten. Doch eine grundlegende Sanierung kam auf den Kanalinseln nicht in Frage. Die europäische Krankenversicherungskarte gilt hier nicht. Die staatliche Beihilfe (wie in meinem Fall) würde nur den Anteil der Kosten, die denen in Deutschland entsprechen übernehmen. Hier aber sind die Arzthonorare sehr hoch, weshalb mir von der Beihilfestelle geraten wurde, nach Frankreich zu reisen, um dort die Behandlung durchführen zu lassen.

Und deshalb habe ich um 15.30 Uhr ein „Rendez-vouz“ bei Dr. Oliver im Stadtteil St Servan, auf das ich mich nicht besonders freue. Drückt mir die Daumen!Tour Solidor/Cite d´Alet

Saint-Servan an der Mündung des Flusses Rance. Der Turm Solidor (14. Jahrh.) beherbergt das Kap-Horn-Fahrer Museum .

 

27.05.2014 Eine Strandwanderung auf Guernsey

Gestern war Spring Bank Holiday, ein Feiertag, mit dem hier wahrscheinlich der Frühling verabschiedet wird. Ein Grund für uns, bis heute auf Guernsey zu bleiben, denn an dem dadurch verlängerten Wochenende war viel Betrieb in den Häfen der Kanalinseln zu erwarten und unser Nachbar aus Fallmouth riet uns, lieber noch zu bleiben.

Wie schön, dass vorgestern herrlichstes „Kaiserwetter“ war und wir die weitere Umgebung der Beaucette Marina erkunden konnten.

Der Norden von Guernsey hat im Gegensatz zu den Steilküsten im Süden flache Küsten mit ausgedehnten Sandbuchten. Durch Granitzungen werden diese Buchten voneinander getrennt. Es gibt hier viele kleine Seen, die durch stillgelegte Granitsteinbrüche entstanden sind. Nur einer von ihnen wurde in einen Hafen umgewandelt, und der ist jetzt die Beaucette Marina.

Anima mea zwischen Motorboot Pelican Dawn und Bavaria 36 Lollipop

Seit dem zweiten Tag unserer Ankunft liegen wir an diesem Steg in der Beaucette Marina

Zunächst wanderten wir westwärts auf dem Küstenpfad zum Fort Doyle, benannt nach Lieutenant Governor Doyle. Guernseys Küste ist gespickt mit Forts und Wachtürmen, den sogenannten Martello-Türmen, die feindliche Angriffe der Franzosen abwehren sollten. Dazwischen finden sich überall Bunker aus dem zweiten Weltkrieg, eine Hinterlassenschaft der Deutschen, deren Invasion leider nicht zu verhindern war. Gott sei Dank fallen diese hässlichen Bauten zwischen den Granitfelsen nicht allzu sehr auf, zumal sie oft von Teppichen aus Mittagsblumen oder anderen rankenden Pflanzen überwuchert werden.

Am Ende der Fontenelle Bay kam schon das nächste Fort in Sicht: Fort Le Marchant.

Fort Marchant

Fort Le Marchant

Von hier aus eröffnete sich eine sagenhafte Aussicht auf die steinige Ancresse Bay und die daran anschließende sandige Pembroke Bay.

Blick von Fort Marchant auf einen Wachturm und die Pembroke Bay

Blick auf die Ancresse Bay (im Vordergrund), dahinter ein Martello-Turm und der Strand der Pembroke Bay

Der Strand war übersät von den kringeligen Häufchen der Wattwürmer, dazwischen kleine, wie ausgestanzt wirkende Sandnäpfchen.

Wattwurmmuster

Die Heimat der Wattwürmer

Des Rätsels Lösung: Wattwürmer leben in einer U-förmigen Röhre, die einen Ein- und einen Ausgang zur Oberfläche hat. Während der Wurm an dem einen Ende der Röhre mit seiner Rüsselschnauze den Sand in sich hineinsaugt, um Nahrung heraus zu filtern, entsteht das Näpfchen. Am anderen Ende kommt der „verdaute“ Sand als Kothäufchen wieder zum Vorschein. Alle 40 Minuten muss der Wattwurm aufs Töpfchen und verarbeitet dadurch jährlich 25 kg Sand. Ein so bemerkenswerter Beitrag für den Umweltschutz ist es doch wert fotografiert zu werden!

Danach ging es auf Vogeljagd. Natürlich nur mit der Kamera! Die putzigen Kerlchen, die im Spülsaum eifrig nach Futter suchten, identifizierte ich als Alpenstrandläufer. Wer es besser weiß, darf mich gerne aufklären!

Sind das Alpenstrandläufer?

Sehen doch aus wie Alpenstrandläufer, oder?

Am Ende der Pembroke Bay entdeckten wir das Clubhaus des Royal Guernsey Golfclubs.

Royal Guernsey Golfclub Green L´Ancresse

Das gepflegte Green des Golfclubs

Wir verließen den Strand und machten uns auf die Suche nach dem La Varde Dolmen, den wir in der Nähe von Loch 17 aufspürten. Dieses 5000 Jahre alte Ganggrab ist so lang wie unser Schiff (10 m) und der größte Dolmen von Guernsey. Der größte Deckstein wiegt 10 Tonnen! (Unser Schiff wiegt vollbeladen um die 8 Tonnen) Wie haben die Menschen das damals geschafft?

Grabkammer im La Varde Dolmen

Mit der Taschenlampe wird der La Varde Dolmen inspiziert.

Dann wanderten wir den grünen Hügel, auf dem sich das Grab befindet, hinunter zur Bucht Le Grand Havre. Unterwegs fand Heinz am Rande des Greens einen einsamen Golfball. Ein originelles Souvenir, das nun in der Schatzkiste im Schapp ein neues Zuhause gefunden hat.

An dieser großen, steinigen Bucht endete früher Guernsey, das ursprünglich aus zwei Inseln bestand: Clos du Valle und Guernsey. Und nun kommt wieder Monsieur Doyle ins Spiel! Er ließ nämlich 1805 den Graben zwischen den beiden Inseln zuschütten und vergrößerte damit das Territorium. Die Gemeinde bzw. das Kirchspiel (parish), in dem sich die Beaucette Marina befindet, heißt wahrscheinlich in Erinnerung an die ehemalige Insel , Parish Valle.Le Grand Havre

Die Bucht Le Grand Havre

Nach einer kurzen Rast am windgeschützten Strand wanderten wir noch ein paar Buchten weiter und erwischten schließlich am Busstop „Cobo Bay“ den passenden Bus, der uns zum Hafen zurückbrachte.

 

 

 

26.05.14 – Herm

„ Spieglein, Spieglein an der Wand. Wer ist die Schönste im ganzen Land?“

fragte die Insel Herm , als sie mit einem eifersüchtigen Seitenblick auf die Nachbarin Sark in den türkisblauen Meeresspiegel schaute.

Dem sicher beiden Inseln wohlgesonnen Meer wird es bestimmt schwergefallen sein eine Antwort zu geben. Wahrscheinlich hat es sich sehr schnell und sehr heftig zurückgezogen. Das tut es hier vor Herm ganz besonders eindrucksvoll! Und ist die Antwort schuldig geblieben.

Wir können dem Meer nur Recht geben!

Wer eine Steilküste mit spektakulären Aussichten und blumenübersäten Wiesen und Wegrändern liebt, der ist auf Sark gut aufgehoben. Die schönsten Badebuchten und Strände dagegen findet man im nördlichen Teil von Herm. Außerdem gibt es im Süden der nur 8 Quadratkilometer kleinen Insel auch noch eine Steilküste mit einem Klippenpfad. Alles muss per Pedes erkundet werden; denn auf Herm gibt es weder Autos noch Pferdekutschen.

Wenn unser Blick von der Beaucette Marina aus nach Osten schweift, schauen wir auf die nur wenige Seemeilen entfernte Insel Herm sowie auf die kleinere Nachbarin Jethou. Während Jethou sich in Privatbesitz befindet, gehört Herm den States of Guernsey und ist verpachtet. Die Pächterfamilie lebt im schlossähnlichen Manor House, dessen Wurzeln bis ins 15. Jahrhundert zurückgehen.

Die Menschen auf Herm leben vom Tourismus und von der Landwirtschaft. Auf den blumenübersäten, saftig-grünen Wiesen grasen die kleinen, knochig wirkenden „Jersey cows“. Wie der Name schon sagt, wurden sie ursprünglich auf Jersey gezüchtet, grasen aber auf allen Kanalinseln und liefern durchschnittlich 14 l Milch mit einem Fettgehalt von circa 5,2 %, was der hier erzeugten Butter und Sahne von Natur aus eine goldgelbe Färbung verleiht. Die Kühe auf Herm haben den Ruf, die beste Milch weit und breit zu liefern. Am frühen Morgen wird „das weiße Gold“ mit dem Milk Boot nach Guernsey transportiert, und Passagiere können zum Rabattpreis mitfahren.

Wir kauften jedoch unsere Herm-Tickets am vergangenen Sonntag (18. Mai) am Travel Trident Ticket Office in St. Peter Port und waren nach einer zwanzig Minuten dauernden Fahrt auf der Insel, deren Slogan „Welcome to Paradise“ aus unserer Sicht gut gewählt ist.

Nach einem Rundgang auf der Insel nahmen wir auf dem windgeschützten Mouisonniere Beach das erste Sonnenbad des Jahres und beobachteten, wie sich das Meer immer weiter zurückzog und dabei eine zerklüftete Unterwasserwelt frei gab. Auf dem Meeresboden verteilt fanden sich kleine und kleinste Schneckenhäuser in allen Farbschattierungen, von denen die zitronengelben am schönsten in der Sonne leuchteten. Beim Stöbern am Strand hörte man nur das Knirschen der rundgeschliffenen Steine unter den Füßen und das Plätschern des ablaufenden Wassers zwischen den Felsbrocken. Dazwischen ein paar trocken gefallene Boote, auf denen die Skipper die Zwangspause bei einer Tasse Tee genossen. Einen winzigen Makel hatte allerdings das Inselparadies: Die versprochenen Puffins (Papageitaucher) wurden nicht gesichtet! Sie fehlen leider auf dem folgenden Blick ins Paradies. Vorhang auf!

1.Christine mit Grasnelken

Wo die Grasnelken blühen: Christine auf dem Klippenpfad

2.Sind da vielleicht Puffins drauf?

Sind da vielleicht Puffins drauf?

3.Belvoir Bay

Die Belvoir Bay

4.Shell Beach

Der Shell Beach

5.Mouisonniere Beach bei EbbeDer Mouisonniere Beach bei Ebbe

6.Man sitzt auf dem Trockenen.Man sitzt auf dem Trockenen

7.Das rosa HäuschenDas rosa Häuschen – So wohnt man auf Sark.

23.5.2014 – Sark

Isle of Sark – A world apart

Sark?

Es gibt so viele berühmte Inseln auf der Welt, die jeder kennt. Grönland, Mallorca, Teneriffa…Fehmarn…

Aber Sark?

Kannte ich früher auch nicht, bis ich Anfang des Jahres kurz vor unserer Abreise noch mal schnell zur Vorsorgeuntersuchung zu meinem Hautarzt nach Ahrensburg fuhr. Bei Herrn Rüpke macht das Warten im Untersuchungszimmer immer richtig Spaß, denn auf seinem Computerbildschirm auf dem Schreibtisch laufen in einer Endlosschleife ausgewählte Fotos seiner letzten Urlaubsreise. Eines dieser Fotos faszinierte mich besonders. Es zeigte eine schmale, rampenartige Straße. Links und rechts felsige, grüne Abgründe, die in knallblaues Meer stürzten. Wo konnte das sein? Zu meiner großen Freude erfuhr ich, dass Herr Rüpke seinen letzten Urlaub auf den Kanalinseln verbracht hatte. Da, wo wir demnächst auch hinwollten.

Am vergangenen Freitag, einen Tag nach unserer Ankunft auf Guernsey, sitzen wir im Bus. Da! Die Straße von Herrn Rüpkes Computerbildschirm auf einem Plakat über dem Busfenster! Daneben das Wort SARK. „Da müssen wir hin, so lange noch so schönes Wetter ist!“ sagte ich zu Heinz und so starteten wir am Samstag mit der Fähre in Richtung „ Eine Welt für sich“.

Nach einer knappen Stunde erreichten wir den tidenunabhängigen kleinen Maseline Harbour. Oberhalb der schroffen Steilküste breiteten sich grüne Wiesen mit großen blauschimmernden Flecken aus. Blue Bells in Massen!

1.Blue Bell Teppich auf der höhlenreichen Küste

Blue Bell Teppich auf der höhlenreichen Küste.

Die kleine Insel, die zum Bailiwick of Guernsey gehört, zählt gerade mal 600 Einwohner. Am Hafen stehen kleine Traktoren, mit denen man den Hügel hinauf ins Dorf fahren kann oder die das Gepäck transportieren, falls man hier seinen Urlaub verbringen möchte. Ansonsten gibt es nur die Fortbewegungsmittel zu Fuß, per Rad oder mit Pferdekutschen, die oben im Dorf warten. Also kein Verkehrslärm und keine Auspuffgase weit und breit.

Wir wanderten zunächst den verschlungenen Waldpfad ins Dorf hinauf.

2. Der Waldpfad zum Dorf hinauf

Der Waldpfad zum Dorf hinauf.

An Wiesen, Feldern und Weinhängen vorbei, steuerten wir später über die mit Wildblumen gesäumten Sandwege in Richtung „ Little Sark“. Und da war sie endlich, die Straße! „La Coupee“, die schmale Landverbindung zwischen den beiden Inseln. Gesichert durch ein Geländer, das deutsche Kriegsgefangene nach 1945 in schwindelnder Höhe bauten. Links und rechts von der „Rampe“ geht es 90 Meter in den Abgrund! Eine Treppe führt hinunter zum Strand. Drumherum das unglaublich blaue Wasser und die vielen kleinen Inseln, die je nach Wasserstand mal mehr, mal weniger zum Vorschein kommen.

3. La Coupee

La Coupee

Überwältigend schön, mehr kann man dazu kaum sagen.

4.Hier wollte ich hin!

Hier wollte ich hin!

In einem schattigen Garten eines kleinen Restaurants auf Little Sark legten wir eine Lunch-Pause ein, dann ging es zurück über La Coupee. Mittlerweile war Niedrigwasser und der Strand unterhalb des Abgrunds breitete sich in voller Größe aus.

5. Strand bei Ebbe unter La Coupee

Strand bei Ebbe unter La Coupee

„Ist das noch zu toppen?“ fragten wir uns, als wir über die Küstenpfade zurück, dem Schild „La Seigneurie“ folgend, wanderten. So erreichten wir den Sitz des einstigen Feudalherren, Seigneur of Sark. Das Herrenhaus selbst kann nicht besichtigt werden, wohl aber der im viktorianischen Stil angelegte Garten. Eingefasst von hohen Granitmauern gedeihen hier die prächtigsten Zier- und Nutzpflanzen. Plätschernde Brunnen, lauschige Bänke und ein Labyrinth vervollständigen das Ensemble. Nun haben wir schon so viele schöne Gärten gesehen, und jeder war ein Kleinod für sich. Dieser hier strahlte ganz besonders viel Harmonie und Ruhe aus, ähnlich wie der Garten um Buckland Abbey.

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La Seigneurie

Stellvertretend für die vielen Blumen , Büsche und Bäume habe ich diese filigrane Schönheit ausgewählt:

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Filigrane Schönheit

Während der abschließenden Wanderung auf dem Klippenpfad zeigte sich wieder einmal, dass die Natur auch ohne die gestaltende Hand des Gärtners die schönsten Arrangements zaubert, im Großen und, wie das Foto zeigt, im Kleinen.

8. Wandern auf dem Klippenpfad

Wandern auf dem Klippenpfad

9. Kleine Schönheiten

Kleine Schönheiten

Der Blick auf St. Peter Port erinnerte uns schließlich daran, dass es Zeit wurde, zur Fähre zurück zu gehen. Die Liste der „schönsten Orte“ hatte einen neuen Namen dazubekommen!10. Blick auf St. Peter Port und das Kreuzfahrtschiff Aurora

Blick auf St. Peter Port und das Kreuzfahrtschiff „Aurora“

 

 

 

22.05.2014 – Bei den Eseln

Mittlerweile leben wir schon eine Woche bei den ESELN. So nennen die Menschen auf Jersey die angeblich sturen und konservativen Guernseymen. Im Gegenzug werden die Bewohner Jerseys, deren lockerer Lebensstil den Menschen hier ein Dorn im Auge ist, KRÖTEN genannt. Solche Rivalitäten kennt man ja auch bei uns in Deutschland. Man denke nur an das Verhältnis der Hamburger zu den Bremern oder der Kölner zu den Düsseldorfern.

Wir finden die „Esel“ aber sehr nett. Wenn wir durch die Gegend wandern oder durch den Hafen gehen, nehmen sie meist gleich Blickkontakt auf und grüßen freundlich. Als wir gestern eine Rast auf einer Bank in Bordeaux Harbour machten, kam ein älterer Herr auf uns zu, eröffnete das Gespräch mit einer Bemerkung über das schöne Wetter, fragte dann gleich, woher wir kommen und was wir hier machen , und als er dann unsere Nationalität herausbekommen hatte, brachte er gleich seine Deutschkenntnisse in die Unterhaltung ein. Mit seinen 85 Jahren hatte er als Jugendlicher die deutsche Besatzung von 1940 bis 1945 erlebt, hegte aber überhaupt keinen Groll gegen die Deutschen. Besonders mit den Ärzten der deutschen Wehrmacht schien er gute Erfahrungen gemacht zu haben, was mit einer Bemerkung über den hohen Standard der deutschen Medizin in der heutigen Zeit endete. Schließlich bedauerte er sogar noch die deutsche Bevölkerung in Berlin, die so furchtbar unter den russischen Soldaten leiden musste. Da half auch unser Einwand, schließlich hätten ja die Deutschen den Krieg angefangen, wenig. Mit Handschlag und „Nett, euch getroffen zu haben!“ verabschiedete er sich schließlich, um seine an Alzheimer erkrankte Frau im Pflegeheim zu besuchen.

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In Bordeaux Harbour trafen wir einen netten älteren Herrn.

Ein völlig gegensätzliches Erlebnis hatten wir heute. Wir besuchten das Haus des Schriftstellers Victor Hugo in St. Peter Port. Das sogenannte „Hautville House“ bewohnte der aus Frankreich geflüchtet Romancier („Der Glöckner von Notre Dame“, „Les Miserables“) während seines Exils auf Guernsey. Hugo war ein vielseitig begabter Mensch. Er beherrschte die Kunst des Wortes, konnte aber auch sehr gut malen und hatte handwerkliche Fähigkeiten. So machte er aus seinem Haus ein Gesamtkunstwerk, wozu er alten Hausrat sammelte und zur Ausgestaltung seiner Wohnräume verwendete. Das Haus gehört heute der Stadt Paris und kann nur während einer Führung besichtigt werden. An unserer Führung, von einer jungen Französin in englischer Sprache durchgeführt, nahm außer uns ein älteres englisches Paar teil. Im Gegensatz zu uns schienen sie mit Hugos Leben und Werk gut vertraut zu sein. Sie stellten während der Führung immer wieder zusätzliche Fragen, darunter auch, was denn mit dem Haus im Jahre 1940 geschehen sei. Das Wort „deutsch“ wurde wohl vermieden, da sie merkten, woher wir kamen. Uns fiel sofort das Wort „Hunnen“ ein, ein Schimpfwort der Briten für unkultivierte Deutsche. Die junge, gebildete Französin schien sichtlich verunsichert über die peinliche Frage. Dann erklärte sie, das Haus sei damals in Privatbesitz und dadurch „ geschützt“ gewesen . Es sei aber einmal ein hoher deutscher (offensichtlich gebildeter) Offizier zu Besuch gekommen, der sich aus Interesse an Hugo das Haus angesehen habe. Diese Erklärung nahmen die Hugo-begeisterten Engländer sichtlich erleichtert zur Kenntnis und wir waren aus der Schusslinie. Die Führung endete jedenfalls ohne weitere Zwischenfälle. Außer seinem Kindle hat Heinz jetzt auch eine deutsche Ausgabe von „Les Miserables“ („Die Elenden“) im Bücherbord. Die „Hunnen“ geloben Besserung!

2.Hauteville House3.H für Hugo, Hautville und House4.Blick vom Red in den Blue Drawing Room5. Garibaldis Room6.Hier schlief der Dichter

Victor Hugos „Villa Kunterbunt“

Eine ganz andere Unterkunft besichtigten wir gestern bei einer Wanderung von der Marina entlang der Küste in Richtung St. Peter Port. Sozusagen für die Ewigkeit gebaut handelte es sich um ein zehn Meter langes Langgrab. Der Le Dehus Dolmen wurde in der Jungsteinzeit errichtet, wo offensichtlich schon Recycling angesagt war, denn einer der Decksteine stand vorher irgendwo als Standbild in der Landschaft herum und zeigt das Gesicht eines bärtigen Mannes mit Waffen.

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Der Dolmen und die bärtigen Männer

Neben diesen sehr alten Zeugen von der Besiedelung der Kanalinseln gibt es die verschiedensten Bauwerke, die fast immer zeigen, dass diese „Stücke Frankreichs, die ins Meer gefallen sind und von England aufgelesen wurden…“ (Victor Hugo) stets heiß umkämpft waren. Castle-Ruinen, Forts und Wachtürme sowie Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg sind Spuren der Normannen, der Briten und zuletzt der Deutschen, die sich diese schönen Eilande unter den Nagel reißen wollten. Nun sind die Inseln zwei unabhängig verwaltete Bailwicks (Vogteien), nur außen- und verteidigungspolitisch vom United Kingdom vertreten. Als Fremder kann man die Inseln heutzutage nur noch dauerhaft besetzen, wenn man über ein Millionenvermögen verfügt. Da uns die entsprechenden Mittel fehlen, müssen wir uns so langsam Gedanken über die Weiterfahrt machen. Dazu haben wir morgen Gelegenheit, denn das schlechte Wetter ist nun da und wird erstmal bleiben. Außerdem muss ich unbedingt noch von unseren Besuchen auf den kleinen Kanalinseln Herm und Sark sowie von einer Küstenwanderung im Südosten Guernseys berichten. Ganz nach dem Motto:

„Willkommen im Paradies!“

10.Fort Doyle

 

11.Bunker der deutschen Wehrmacht

 Fort Doyle und ein deutscher Bunker

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Castle Cornet in der Hauptstadt St. Peter Port