07.07.2019 Sur le Pont….

Eins vorweg: Wir sind sehr dankbar, dass für uns in Avignon noch ein Platz an der Hafenmauer frei war.

Aber: Die Mauer befindet sich direkt neben der Haupteinfallstraße („Tout les directions!“) von Avignon. Das bedeutet: Fast rund um die Uhr tobt über uns der Straßenverkehr mit „Tüüüt-tüüüt! Brrrumm, brrrumm und stink, stink.“

 Gleich neben dem kleinen Rhonehafen tobt der Verkehr. Statt der Straße war dort früher ein schützender Graben vor der mächtigen Stadtmauer. Sie wurde im Auftrag der Päpste im Mittelalter gebaut und ist fast noch vollständig erhalten.

Doch es gibt natürlich auch viel Positives zu Tag 3 (4.Juli) und Tag 4 (5.Juli) unserer Reise zu berichten!

Die Capitainerie zum Beispiel ist ein kleines Schmuckstück.

Sie befindet sich auf der anderen Seite der „Autobahn“ in einem kleinen Haus direkt unter der Stadtmauer.

Hier schaltet und waltet eine junge, hübsche Hafenmeisterin. Außer ihrem kleinen Büro gibt es noch einen Aufenthaltsraum für die Gäste des Hafens. Man kann sein Smartphone oder das Laptop aufladen und hat recht gutes WiFi. Recht gut heißt: Das Signal ist prima, doch der Datenfluss schwankt erheblich, was den Upload von Fotos sehr schwierig gestaltet. Immerhin konnte ich hier die wichtigsten Fotos für den letzten Blog hochladen. In der Stadt dagegen lief diesbezüglich gar nichts!

Fazit: Frankreichs Internet erscheint mir bisher sehr bescheiden!

Die Waschmaschine in der Capitainerie dagegen funktioniert super und ist auch noch kostenlos! Das habe ich bisher nur einmal erlebt und zwar in Italien, wo ich diesen Service allerdings nicht in Anspruch genommen habe. – Hier schon, denn wir schwitzen uns fast tot bei Tageshöchstwerten von 38°C. Die frische Kleidung, die man morgens anzieht, ist bereits nach dem Frühstück durchgeschwitzt.

Ein richtiges Highlight sind Toilette und Dusche. Die Hafenmeisterin putzt selbst und zwar sehr penibel! Wie in einem Hotel liegen im Regal Handtücher und Badematten bereit, der Duschvorhang hat keine Stockflecken und der Spiegel ist blank. Leider gibt es nur eine Toilette und eine Dusche, was morgens zu langen Wartezeiten ähnlich denen an Schleusen führt. Bleibt noch zu erwähnen, dass wir für diese gute Unterkunft pro Nacht lediglich 23 Euro bezahlen.

Leider schließt die Hafenmeisterin die Tür ihres Häuschens erst um 8:30 Uhr morgens auf und so ist es dann auch schon wieder 11:00 Uhr, als wir zu unserer ersten Besichtigungstour durch die Stadt aufbrechen können.

Dorthin gelangen wir durch eines der sieben Stadttore, die heute natürlich nicht mehr mit Fallgitter und Zugbrücke gesichert sind.

Hinter der Mauer ist es zunächst ganz ruhig. Die Häuser in den engen Gassen sind aus hellem Sandstein gebaut und strahlen „Backofenhitze“ ab. Viele haben starken Renovierungsbedarf, doch zur Zeit werden einige Macken durch bunte Plakate abgedeckt, die auf die verschiedenen Veranstaltungen im Rahmen des heute beginnenden Festivals hinweisen. Es sind meist Theaterstücke, die in den vielen kleinen und großen Theatern der Stadt aufgeführt werden.

 Vollgepflastert mit Plakaten. Sogar die Mülltonnen müssen dafür herhalten!

In das Festival d´Avignon ist natürlich auch die Hauptsehenswürdigkeit der Stadt – der Papstpalast – mit einbezogen!

Im Ehrenhof des Papstpalastes nämlich findet alljährlich die feierliche Eröffnung dieses Festivals statt, das vom Schauspieler und Regisseur Jean Vilar gegründet wurde und mittlerweile eines der bedeutendsten europäischen Sommerfestivals ist. Auch unsere Bootsnachbarn „nach vorne raus“ sind deshalb zum ersten Mal auf eigenem Kiel extra aus Paris angereist. Sonst hatten sie immer ein Hotel gebucht, doch das muss man sich früh überlegen, denn schon lange sind alle Unterkünfte von den Besuchern aus nah und fern belegt.

Wir sind richtig froh, die nächsten Stunden im schattigen Papstpalast verbringen zu können! Der Eintritt von 11,50 Euro (Rentnertarif „reduit„) beinhaltet auch die St.Benezet-Brücke, die es nicht „gratuit“ gibt.

Der Papstpalast

Dann bekommen wir einen Audioguide und tauchen ein in die geschichtlichen Irrungen und Wirrungen der Kirche und ihrer Päpste.

Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, welche Macht und welchen Einfluss das Oberhaupt der lateinischen Kirche früher hatte und wie verstrickt es in die Politik der weltlichen Herrscher war!

Und so waren es auch politische Intrigen, die im Jahre 1305 den zum Papst gewählten Erzbischof von Bordeaux dazu veranlassten, nicht in den Vatikan nach Rom überzusiedeln, sondern im heimatlichen Frankreich alles „unter Kontrolle zu halten“.

Dieser ehemalige Erzbischof mit Namen Bertrand de Got ernannte im Jahre 1309 als Papst Clemens V. das strategisch günstige Avignon zum neuen Papstsitz.

Clemens V. folgten weitere sechs Päpste auf den Thron in Avignon, von denen schließlich Gregor XI im Jahre 1376 nach Italien zurückkehrte. Das wiederum löste eine Doppelwahl aus, nach der es einen Papst in Avignon und einen im Vatikan gab.

In Avignon herrschte Clemens VII, in Rom Urban VI., was das „Abendländische Schisma“ auslöste.

Ein lustiger Begriff für ein großes Drama, das mich in meiner Jugend im Geschichtsunterricht aus meinen Tagträumen riss! Hatte mein Lehrer wirklich gerade laut und bedeutungsvoll „Schisma“ gesagt?

Was in meinen Ohren irgendwie unanständig klang, war der Begriff für die zeitweilige Glaubensspaltung innerhalb der lateinischen Kirche, hervorgerufen durch die konkurrierenden Papstansprüche in Rom und Avignon.

Was daraus folgte, ist mit einem Tollhaus zu vergleichen!

In Pisa wurde ein Konzil einberufen und beide Päpste – der in Rom als auch der in Avignon – wurden für abgesetzt erklärt. Stattdessen wurde ein neuer Papst mit Namen Alexander V gewählt. Da man als Papst aber eigentlich nicht „rausfliegen“ kann, gab es nun drei Päpste.

Das alles verschärfte den Konflikt zusätzlich, der erst beim Konzil von Konstanz beendet wurde. Vier Jahre tagte das Konzil zwischen 1414 und 1418, dann löste der neu gewählte Papst Martin V alle anderen ab und aus war mit Schisma!

Im Papstpalast von Avignon darf nicht fotografiert werden. Gut so, denn man ist voll beschäftigt mit seinem Audioguide. Betritt man einen der durchaus beeindruckenden, aber recht kahlen Räume, scannt man ihn mit der kleinen „Zaubertafel“ und schon taucht man ein in die Pracht und den Prunk der mittelalterlichen Papstresidenz.

Anschaulich erfährt man während des Rundgangs, wo in den Schatzkammern das Geld versteckt wurde, wo einst die Legaten und Botschafter empfangen und bewirtet wurden, wo der Papst schlief und sich im Bett an den noch heute erhaltenen wunderschönen Wandmalereien ergötzte, in welchen Kapellen er betete und wo er Messen zelebrierte.

Für mich als leidenschaftliche Köchin am beeindruckendsten: Die Küche mit dem riesigen, 18 m hohen Rauchfang über dem glühenden Feuer, wo sogar Pfauen gebraten wurden. Dieses edle Geflügel war dem Papst vorbehalten, denn es war ein Symbol der Allwissenheit und Unsterblichkeit. Nach dem Braten wurden die bunten Kopf- und Halsfedern wieder auf die krosse Haut drapiert, so dass ein lebensecht wirkender Pfau auf der Servierplatte saß. Lecker!

Auch wenn zeitgenössische Aussagen von einem „grandiosen Palais von märchenhafter Schönheit und ungemeiner Wucht“ sprechen: An die „vatikanische Konkurrenz“ kommt der Papstpalast von Avignon unserer Meinung nach nicht heran. Doch der entstand ja auch erst zu Beginn der 16. Jahrhunderts, als Papst Julius II mit dem Bau des Petersdoms begann und Michelangelo und Raffael mit der Gestaltung der Sixtinischen Kapelle und der Stanzen beauftragte. Von 1474 bis 1476 war dieser kunstsinnige Papst übrigens Erzbischof von Avignon!

Am Abend zieht es uns dann nochmals in die Stadt, wo die Straßenkünstler ihren Beitrag zum Festival leisten und am Papstpalast in wechselnden Farben Ornamente, Sterne und „Schneeflocken“ erstrahlen.

Die Kathedrale und der Papstpalast sind Kulisse für eine bunte Lichtershow.

Die Cathedrale Notre-Dame-des-Doms schauen wir uns am nächsten Tag an. Die Rückseite der goldenen Marienfigur auf dem Turm können wir von unserem Liegeplatz aus sehen. Die Bausubstanz ist teilweise älter als der Papstpalast, die Innenausstattung ist Barock. Hinter dem Altar hängen die Portraits des Avignoner Päpste, von denen zwei (Benedikt XII und Johannes XXII) hier bestattet sind.

In einer Seitenkapelle entdecken wir eine kleine Figur, die einen schweren Stein auf den Schultern trägt.

Saint Benezet

Es ist der heilige Benezet, ein Hirte, dem ein Engel im Traum befahl, eine Brücke über die Rhone zu bauen. So entstand das berühmte Wahrzeichen von Avignon, das den reißenden Wassermassen der Rhone jedoch nicht standhielt und seit 1660 nur noch vier der ehemals 22 Bögen besitzt. Diese überspannten einst den Fluss zwischen der Stadt und der Ile de la Barthelasse, wo man eigentlich unter (sous) und nicht auf (sur) le Pont tanzte.

Nachdem wir neben der Kathedrale den schweißtreibenden Anstieg zum Rocher des Doms – eine parkähnliche Gartenanlage auf einem Felsen – bewältigt und die schöne Aussicht auf die Landschaft genossen haben, gehen wir noch zur St.-Benezet-Brücke.

Sur le Pont d´Avignon“ gehörte immer zum Standartprogramm meines Musikunterrichts. Mit dem Liedchen im Kopf wandere ich bis zum Ende des Brückenfragments und schaue in die grünen, schnell strömenden Fluten, die aus dieser Höhe betrachtet leichten Schwindel verursachen.

Da schau ich doch lieber mal für ein Erinnerungsfoto in die Kamera!

Morgen werden wir uns ein kleines Stück bis zur Abzweigung Richtung Lyon von ihnen mitnehmen lassen. Dann geht es scharf rechts ab zur Schleuse Avignon, wo uns die Rhone auf dem Weg nach Norden wieder entgegenströmt.

Blick vom Rocher des Doms auf den Nebenarm der Rhone (vorne) und dahinter auf den Hauptarm, der zur Schleuse Avignon führt.

 

 

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