Montag, der 1. Juli: Mastlos legt Anima mea ihre letzten fünf Seemeilen im Mittelmeer zurück. Still und nachdenklich schauen wir übers Wasser. Zwei Jahre Atlantik und vier Jahre Mittelmeer gehen endgültig zu Ende. Es ist, als würden wir aus einem schönen Traum erwachen!
Einfahrt in den Canal St-Louis
Dann sind wir auch schon in Port St-Louis, wo wir die vorerst letzte Nacht im Salzwasser verbringen werden.
Nachdem wir fest gemacht haben, gehe ich ins Hafenbüro. 21 Euro für ordentliche Duschen und Toiletten sowie Strom, Wasser und WiFi (das ich allerdings nicht in Gang kriege) sind wirklich preiswert! Nun noch schnell die Getränkevorräte im bereits bekannten Intermarche´ ergänzen – bei dieser Affenhitze schrumpfen sie wie Schnee in der Sonne – und zwei Kanister Diesel in der benachbarten Tankstelle auffüllen. Das reicht, um völlig verschwitzt und KO den restlichen Tag im schattigen Cockpit abzuhängen!
Um 19 Uhr öffnen die „Fresswagen“ rund um die langen Tischreihen direkt vor uns auf der Hafenpromenade. „Les Soirees du Port“ heißt die mehrtägige Veranstaltung mit einem fetzigen musikalischen Rahmenprogramm des Gesangsduos „Animation-Sunlight„.
Wir entscheiden uns für gegrillte Garnelen mit Gemüse und Pommes bzw. Kebab mit Salat und Pommes. Die Mädels im „ausgeguckten“ Wagen sind alle sehr gut bestückt, nur der Koch ist spindeldürr. Vielleicht versorgt er seine Truppe täglich mit dem, was am Abend übriggeblieben ist? Sehr gehaltvoll und „plus grasse“ und nichts für Reflux-Geschädigte! Jedenfalls stößt der Kebab dem Käptn in der Nacht arg sauer auf.
Aber trotzdem ist es ein schöner letzter Abend vor unserem „neuen Abenteuer“! Unverfälschte französische Provinz ohne Touristenrummel. Da kommt Saint Tropez nicht mit!
Der 2.Juli ist TAG 1 unserer Reise durch die Europäischen Binnenwasserstraßen.
Wir lassen es ruhig angehen!
Der Käptn hat ja leider sehr schlecht geschlafen und bekommt zum Frühstück einen beruhigenden Fencheltee. Nach dem Duschen geben wir den Schlüssel für das Sanitärgebäude ab. Da die Capitainerie erst um 8:00 Uhr öffnet, fällt die Schleusung um 8:15 Uhr schon mal flach. Die nächste Schleusung in die Rhone soll laut Schleusenplan (aus der Capitainerie) um 11:50 Uhr stattfinden.
Um 11:05 Uhr machen wir alle Leinen los und ich melde uns telefonisch in der „Ecluse“ an.
Hier eine Formulierungshilfe für alle, die – wie ich – des Französischen nicht ganz so mächtig sind wie es bei einem solchen Unternehmen eigentlich erforderlich wäre.
„Hallo, hallo! Bonjour, ici ANIMA MEA.
J´appel l´ecluse ……………. ( Name der Schleuse).
Nous allons le Rhone amont (= flussaufwärts) avec notre bateau de plaisance avec dix metres.
Nous voulons entrer a votre ecluse!“
Diesen (und alle weiteren Texte für Schleusenanrufe) habe ich in dem sehr informativen Blog querdurch-eu.blogspot.com von Gerhard Pipke gefunden. 2015 machte er „unsere“ Reise von der Ostsee ins Mittelmeer und – nach einem kurzen Spanienaufenthalt – wieder zurück nach Flensburg.
Das Problem: Der Schleusenwärter denkt dann wohl, dass man perfekt Französisch spricht und antwortet so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Also sehr schnell und teilweise unverständlich.
Ich verstehe jedenfalls nur, dass wir erst 12:20 geschleust werden. Das wäre nach der Schleusung von der Rhone „ins Meer“. Warum? – Das bleibt das Geheimnis des Schleusenwärters, der letztendlich bestimmt, wann wer in seine Schleuse darf.
Es folgt eine ziemlich langweilige Stunde mit Kreisen durchs weitläufige Hafenbecken von Port Saint-Louis. Endlich öffnet sich das Schleusentor und zwei kleine Motorboote verlassen die Schleuse. Dann gibt es endlich auch für uns grünes Licht und wir fahren hinein.
Um 12:40 Uhr haben wir die erste Schleusung hinter uns, 12 liegen in der Rhone bis Lyon noch vor uns.
Hoffentlich sind wir irgendwann nicht mehr so aufgeregt und gestresst wie beim ersten Mal! Denn obwohl wir doch schon den Göta-Älv-Kanal mit seinen vielen Schleusen kennen ist das hier unbekanntes Terrain, denn französische Schleusen sind natürlich anders als schwedische.
Schleuse St-Louis
Für heute war´s das aber mit Schleusen.
Unser Ziel ist die 42,7 Flusskilometer entfernte Vincent-van-Gogh-Stadt Arles.
Bis dort brennt uns die Sonne mächtig auf den Pelz und die grünen Fluten der entgegenströmenden Rhone lassen auch unseren Oscar hart gegenan kämpfen. Links von uns breitet sich die Camargue mit ihren Salzseen, dschungelähnlicher Vegetation, mit weißen Wildpferden und schwarzen, langhörnigen Wildstieren aus. Doch davon sehen wir leider nichts, denn der grüne Dschungelstreifen rechts und links der Rhone versperrt den Blick auf die Landschaft.
Das Motorengeräusch überdeckt leider auch den Gesang der zahlreichen Vögel, die dort leben. Aber die Zikaden machen solch einen Höllenlärm, dass sie sogar unseren Oscar übertönen.
Außer der Autofähre von Barcarin am Flusskilometer 317 begegnet uns kein einziges Schiff auf dem breiten Fluss. Auch am Ufer sieht man kaum Häuser und schon gar keine Menschenseele.
„Wie am Amazonas!“ meint der Käptn, obwohl wir da noch nie waren. Bei der roten Fahrwassertonne mit der Kilometerangabe 294,8 kommt es mir eher vor wie in der Straße von Messina. Hier strudelt und sprudelt es wild über den felsigen Untiefen im eng betonnten Fahrwasser, als hätten Scylla und Charybdis einen Ausflug in die Rhone gemacht.
Die rote Tonne zeigt: Das Fahrwasser verläuft dicht am Ufer.
Eine halbe Stunde dauert der Spuk, dann geht es bis 19 Uhr ruhig weiter und wir erreichen Arles.
Hinter der Trinquetaille-Brücke soll es am rechten Ufer (das für uns links liegt, denn wir fahren ja flussaufwärts) Liegeplätze an einem Schwimmsteg geben.
Zunächst sehen wir nur ein großes, rotes Restaurantschiff, auf dem ein Mann steht und uns irgendwelche Zeichen gibt. Wir nähern uns und er fragt, ob wir angerufen haben. „Nein, warum denn? Kann man hier anlegen?“ – Ja, kann man für eine Nacht. Vorausgesetzt, man isst im Restaurant. Geht aber heute nicht, weil Ruhetag ist. Stattdessen kann man aber eine Art „Hafengebühr“ bezahlen.
Wir sind nicht abgeneigt, wollen uns aber vorher noch den versprochenen Schwimmsteg anschauen. Der existiert tatsächlich, ist aber bereits mit einheimischen Booten belegt.
Wir kehren also um und machen am Restaurantschiff „La Peniche“ fest.
Der Chef des Hauses zeigt uns sein Reich und lässt uns für 20 Euro an seiner Seite übernachten. Wir könnten auch zwei Nächte bleiben, aber da wir keinen Strom haben und die Kühlbox bei diesen Temperaturen die Batterie gnadenlos auslutscht, verzichten wir auf eine Besichtigung von Arles.
In Anlehnung an Van-Goghs farbenprächtige Bilder – etwa 300 entstanden hier – habe ich mir Arles immer in flammenden Farben vorgestellt. Doch die Altstadt am gegenüberliegenden Ufer präsentiert sich in verschossenen grau-gelben Tönen und erst die untergehende Sonne taucht alles in ein rosiges Gewand. Arles in Rosa getaucht. Weiterlesen