Von der Ile de Porquerolles geht es am Montag, den 17. Juni, 30 Seemeilen weiter nach La Ciotat.
Der neue „Port de Plaisance“ dort besteht aus zwei Becken mit getrennten Einfahrten. Im südlichen Hafenbecken „Bassin Berouard“ gibt es einige Gastliegeplätze. Unser letzter Wegpunkt steht genau auf dieser Hafeneinfahrt, aber erkennen können wir sie nicht, als wir gegen 15:00 Uhr dort ankommen.
„Da ist doch nur eine Mauer!“, meint der Käptn. Aber ich bin sicher, dass ich den Punkt an die richtige Stelle gesetzt habe! Als wir näher heranfahren, entdecken wir die sehr schmale Einfahrt, an der sich gerade eine Horde Jugendlicher aufhält. Sie springen vom Ufer aus ins Wasser und begrüßen uns johlend. „Espagne? Belgique?“ rufen sie uns hinterher. Anscheinend haben sie in der Schule noch nie die Flagge ihres „befreundeten Nachbarlandes“ zu Gesicht bekommen.
Nach dem Festmachen gehe ich zur Capitainerie und werde sogar auf Deutsch begrüßt. Ich bezahle gleich für zwei Nächte (30 Euro pro Nacht incl. Dusche, Strom und Wasser, kein Wifi) und erfahre, dass das Sanitärgebäude (leider) nicht verschlossen ist. Merkwürdig! Hier kann also jeder Hinz und Kunz die Duschen und Toiletten der Marina benutzen?
Als ich mir die Räumlichkeiten anschaue, sieht soweit alles okay aus, doch das Kartenlesegerät an der Tür wurde offenbar „geknackt“. Am nächsten Tag wird mir auch klar, wer dafür wahrscheinlich verantwortlich ist.
Da sitzt nämlich eine Gruppe Jugendlicher auf den Stufen vor dem Sanitärgebäude und wird von mehreren Polizisten bewacht, während eine einzelne Mutter ihren Sohn zusammenstaucht und nebenbei telefoniert. Was ist hier los? – Ich erfahre es später von einer deutschen Seglerin. Die Jungs werden wohl immer wieder beim Kiffen im Sanitärgebäude erwischt, machen aber sonst keinen Blödsinn in den Duschen und Toiletten. – Na, immerhin!
La Ciotat, Port de Plaisance. Der blaue Pfeil zeigt auf die Anima mea, der rote auf die Hafeneinfahrt
Im Laufe des Nachmittags füllt sich der Gästesteg und man fragt sich, warum diese kleine Stadt mit den verlassenen Werftanlagen und den rostenden Kränen am „Alten Hafen“ (Vieux Port) so anziehend ist.
Aber seit es in La Ciotat mit dem Schiffsbau bergab ging, investiert die Stadt zunehmend in den Tourismus, ohne dabei „unangenehm“ touristisch zu wirken.
Das Denkmal für die Werftarbeiter ist von Absperrgittern umzingelt, denn überall wird in La Ciotat gebaut und verschönert.
Die hübsche, verwinkelte Altstadt ist nicht allzu weit von der Marina entfernt, um dort einzukaufen. Und noch näher liegt die Chapelle de Penitents Bleus, in der gerade eine Ausstellung der Künstlerin Clea Chantal Leandri zu bewundern ist. Ihre Bilder, Möbel und Drahtskulpturen werden von der Farbe Blau dominiert und können auch käuflich erworben werden. Mit der Preisliste in der Hand schauen wir uns die Werke an. Stolze Preise! Aber einige haben schon Käufer gefunden und hängen demnächst vielleicht in einer Villa an der Cote Azur.
Die Chapelle de Penitents Bleus liegt hinter dem Place du 8. Mai 1945. Er erinnert daran, dass Deutschland und Frankreich nicht immer Freunde waren.
Hochpreisige Kunstausstellung
Am nächsten Tag wollen wir eine kleine Wanderung zur Bucht „Anse du Mugel“ machen.
Doch vorher will ich noch schnell in einem kleinen Restaurant an der Uferpromenade den neuen Blog einstellen. Schnell geht hier jedoch gar nichts! Immer wieder wird der „Upload“ der Bilder abgebrochen, weil das Internet offenbar zu schwach ist. Dann ist die Mittagszeit vorbei und das Restaurant wird geschlossen. Aber wir sitzen immer noch auf der Terrasse und beschwören den „Ladebalken“, doch bitte durchzuhalten, bis das neue Bild endlich in der Mediendatei gelandet ist. Nach einer gefühlten Ewigkeit ist das Werk endlich vollbracht und wir können die Wanderung starten.
Im Hintergrund der Anse du Mugel liegt die Ile Verte.
Leider bleibt uns am Ende des Weges nur der schöne Blick auf das klare Wasser in der Bucht. Für den Botanischen Garten dahinter ist es mittlerweile zu spät geworden. Doch die gepflegten Oldtimer und bunten Fischerboote im Vieux Port entschädigen uns auf dem Rückweg für den entgangenen Naturgenuss.
Der Vieux Port und dahinter die Eglise Notre Dame de Assomption.
Als wir am Mittwoch Richtung Marseille zwischen der Ile Verte und der Anse du Mugel weiterfahren, erhebt sich vor uns das gewaltige Cap Bec de l`Aigle.
Tatsächlich! Wie ein Adler aus Stein erhebt es sich 155 m hoch aus dem Wasser.
Auf dem Cap Bec de l´Aigle sitzt ein echter Steinadler.
Direkt danach beginnt ein beeindruckender Küstenstrich, der geprägt ist von den „Calanques“.
Diese fjordartigen Buchten wurden von Wind und Wasser geformt und bilden die landschaftliche Hauptattraktion zwischen Cassis und Marseille.
Fünf Calanques liegen dicht hintereinander auf unserer Route, doch es ist sehr stressig, in die engen Buchten hineinzufahren. Ständig überholen uns die vollbesetzten Ausflugsschiffe, die die Touristen in den „Parc National des Calanques“ bringen.
Die Calanque „Port Miou“ mit der Kapelle am Scheitelpunkt hat uns am besten gefallen.
Ganz arm dran sind dabei jedoch die Kajakwanderer, die vor den hohen Felswänden wie Zwerge aussehen und gegen das aufgewühlte Wasser ankämpfen müssen.
Kajakwanderer unter den hellen Kalksteinklippen
Hoch über dem Wasser: Das „Guckloch“.
Schließlich kommen die kahlen und felsigen „Iles du Frioul“ in Sicht. Ihnen im Osten vorgelagert liegt die kleine Ile d´If mit dem mittelalterlichen Chateau. Hier schmachteten mehr als 300 Jahre lang alle, die gegen Staat und Kirche aufbegehrten. Nur einer, der Graf von Monte Christo, wurde hier lediglich in der Fantasie des Alexandre Dumas eingelocht. Für die Touristen, die von Marseille aus dieses ehemalige Gefängnis besuchen, gibt es allerdings auch „seine“ Zelle zu besichtigen.
Kleine Insel mit kurzem Namen: Die Ile d´Iff
Nun heißt es aber volle Konzentration beim Einlaufen in den Vieux Port von Marseille. Die Fähre nach Tunesien kommt uns bereits entgegen, ganz zu schweigen von all den kleinen und großen Sportbooten, die hier durcheinander wuseln.
Vor über 40 Jahren kamen wir hier über den Landweg im Bahnhof von Marseille an, um zwei Tage später mit der Fähre nach Korsika überzusetzen. Unsere Fahrräder hatten wir mit dem Zug vorgeschickt, doch als wir sie beim Zoll abholen wollten, war der geschlossen. Es war nämlich Sonntag, da arbeitete kein Zöllner in Marseille!
Wir waren ganz verzweifelt, denn leider hatte ich in der Eile vergessen, neue Euroschecks einzustecken. Nur noch zwei im Wert von jeweils 200 DM waren in der Hülle. Das musste für nahezu fünf Wochen reichen! Geldautomaten gab es ja damals leider nicht. Man musste zur Bank gehen und die Schecks gegen französische Franc tauschen.
Wo sollten wir jetzt bis morgen schlafen? Unser Zelt war ja am Fahrrad befestigt und alles andere Gepäck auch. Wir berieten, ob wir vielleicht die ganze Nacht auf einer Bank lagern sollten, denn Geld für ein Hotel wollten wir angesichts der knappen Finanzmittel nicht investieren.
Zufällig stand ein Mitarbeiter des österreichischen Konsulats am Zollschalter und bekam unser Problem mit. Er schilderte uns drastisch, wie gefährlich es sei, in der „französischen Metropole der Kriminalität“ die Nacht im Freien zu verbringen und fuhr uns mit seinem Auto in ein einfaches, preiswertes Hotel.
Am nächsten Morgen holten wir unsere Fahrräder ab und strampelten in der Sommerhitze nach Cassis, um dort die zweite Nacht auf dem Campingplatz zu verbringen. Ein gutes Training für die anstrengenden Touren, die uns später auf Korsika erwarteten!
Als wir am nächsten Tag auf die Fähre wollten, ließ uns der Kontrolleur nicht durch. Er behauptete, wir hätten für die Überfahrt nicht genug bezahlt. Die in Deutschland gebuchten Tickets waren nämlich in DM bezahlt worden und nicht in Franc, was er einfach nicht kapieren wollte.
Auch jetzt bekamen wir unerwartete Hilfe!
Hinter uns stand ein französisches Paar mit seinen Mopeds. Sie sprachen Deutsch aber auch Französisch, weil der Mann beim Glasfabrikanten „GEVETEX“ arbeitete, eine deutsch-französische Gesellschaft, bei der ich sogar schon einmal als Studentin gejobbt hatte.
Als die beiden Franzosen dem Kontrolleur plausibel machten, wie es sich mit dem ausgedruckten Fahrpreis verhielt, konnte er einfach nicht mehr widerstehen und ließ uns auf die Fähre.
Soweit unsere Erfahrungen vor vier Jahrzehnten.
Was also würde uns jetzt in Marseille erwarten?
Um das heraus zu kriegen, brauchen wir zunächst einmal einen Liegeplatz in Frankreichs wichtigstem Mittelmeerhafen, der vor 2600 Jahren ebenfalls in einer Calanque angelegt wurde und 3200 Liegeplätze bietet. Leider sind nur 40 davon für Gastyachten reserviert.
„Könnte schwierig werden!“, denken wir und steuern zunächst einmal den Wartesteg der Societe´Nautique de Marseille (SNM) in der Mitte des Hafens an.
Fast allgegenwärtig: Die neubyzantinische Wallfahrtskirche Notre-Dame de la Garde – 162 m hoch gelegen – ist das Wahrzeichen von Marseille.