11.06.2019 SAVOIR VIVRE

Am 1.Juni verlassen wir Beaulieu-sur-Mer bei wenig Wind und viel Sonnenschein.

Hinter dem Cap de Nice leuchtet uns das Häusermeer von Nizza entgegen. Wie ein breiter Streifen aus weißen Legosteinen zieht es sich von Ost nach West an der großen „Baie des Anges“ (Bucht der Engel) entlang und endet erst am Flughafen, der ebenfalls direkt am Meer liegt und nach Paris der größte Airport Frankreichs ist.

Leuchtturm auf dem Cap de Nice

Von hier haben wir einen besonders schönen Blick auf das imposante, schneebedeckte Bergmassiv der Seealpen, dass sich in der Ferne hinter der Hauptstadt der Cote Azur erhebt.

„Schneeblick“ ist neu, aber weiße Häusermeere haben wir in den letzten sechs Jahren schon oft gesehen. Das beeindruckendste Beispiel war der Blick von der Akropolis über Athen bis nach Piräus, wo am Ende das Meer einen knallblauen Kontrast bildete. Und da wir ohnehin nicht alles ansehen können, verzichten wir auf einen Spaziergang über Nizzas berühmte „Promenade des Anglais“ – auch prächtige Uferpromenaden haben wir schon viele gesehen – und erreichen schließlich das westliche Ufer der Bucht.

Hier erheben sich ganz andere Berge! – Sie wurden von Menschenhand geschaffen und umschließen die Marina Baie des Anges.

Bergeweise Appartements!

Rod Heikell schreibt dazu: „Beim ersten Anblick der gigantischen Appartementhäuser des Architekten Andre´Minangoy kann einen das blanke Entsetzen packen.“ – Darauf können wir gerne verzichten und steuern lieber den großen Yachthafen Antibes-Vauban an.

Nach 14,6 Seemeilen legen wir dort an der Tankstelle an und ersetzen den verbrauchten „Dieselwind“. Dann gehe ich zum Tower, in dem sich das Marina-Büro befindet.

Hier spricht jeder Mitarbeiter gutes Englisch. Klar! In diesem berühmten und beliebten Hafen mit 1700 Liegeplätzen tummelt sich die Welt.

Was mir schon seit Beaulieu-sur-Mer beim Kontakt mit den Menschen auffällt:

Italiener sind locker, herzlich und unkompliziert. Franzosen sind förmlich, sehr höflich und korrekt.

Ich mag beides!

Der Monsieur am Schreibtisch checkt die Lage. Ja, es ist etwas für uns frei. – Hoffentlich nicht so teuer! Und dann kommt´s: 26,40 Euro pro Nacht mit allem drum und dran. Sogar das WiFi funktioniert, wie sich später herausstellt, auch in der hintersten Ecke der Marina wunderbar.

Das ganze Wochenende verbringen wir in Antibes.

Hinter dem Strand mit der alten Stadtmauer liegt der Port Vauban. Dahinter erhebt sich auf einem Hügel das „Fort Carre´“, das bei Dunkelheit in den Farben der französischen Trikolore angestrahlt wird.

Wegen Christi Himmelfahrt haben auch die Franzosen ein langes Wochenende, das anscheinend viele für einen Kurzurlaub in dieser hübschen, alten Stadt nutzen. Entsprechend quirlig geht es in den engen Altstadtstraßen rund um die Kathedrale, die eiserne Jugendstilmarkthalle und das Grimaldi-Schloss mit dem Picasso-Museum zu.

Wenn wir einen Ort neu erkunden, fangen wir meist bei der Kirche an.

Also gehen wir auch hier zunächst zur Kathedrale, in der heute Taufen stattfinden. Von Mama mit Tüllkleidchen und Kränzchen festlich herausgeputzt, trägt Papa sein Töchterchen stolz auf dem Arm, während ein kleiner Täufling schon in der Lage ist, an Papas Hand die Stufen hinaufzutappern.

Kathedrale Notre-Dame-de-la Platea d´Antibes

Schon ab dem 5. oder 6. Jahrhundert wurde hier an der Stelle eines griechischen Tempels mit dem Bau einer christlichen Kirche begonnen. Denn Antibes ist, wie viele Küstenorte hier, eine griechische Gründung, die damals noch Antipolis hieß.  

An der Stelle des heutigen Grimaldi-Schlosses errichteten dann später die Römer ein Castrum und bauten Antibes weiter aus. Danach war Antibes in Besitz der Grafen der Provence, die 1608 aber ihre Rechte an den französischen König verkauften.

Grimaldi-Schloss mit Picasso-Museum

Und nicht zuletzt wegen Pablo Picasso sind wir hierhergekommen!

Nach dem Zweiten Weltkrieg zog es den damals schon „unangefochtenen Meister der Moderne“ ans Mittelmeer zurück, wo ihm der Museumsdirektor von Antibes das Grimaldi-Schloss als Atelier zur Verfügung stellte.

 

1946 fotografierte Michael Sima Picasso in seinem Studio im Grimaldi-Schloss. Das süße Eulchen verewigte Picasso sogar in einigen seiner Werke.

Toneule (im Vordergrund)

Picassos Themen waren in dieser Zeit durch das Mittelmeer und die griechische Mythologie beeinflusst, was sich für uns – ganz überraschend – in seinem Werk „Ulysse et les sirenes“ („Odysseus und die Sirenen“) – zeigt.

Nun hat uns doch tatsächlich hier an der Französischen Riviera die Vergangenheit eingeholt!

Lange Zeit sind wir den Spuren des guten, alten Odysseus gefolgt, bis wir ihm am Kap CirceoArrivederci“ gesagt haben. Und jetzt steht er vor uns: Festgebunden am Mast widersteht er den Sirenen, die ihn und seine Mannschaft mit ihrem betörenden Gesang ins Verderben locken wollen.

 Pablo Picasso: Ulysse et les sirenes, 1947

Auf der Uferpromenade hoch über dem Meer treffen wir dann noch auf einen anderen Künstler, der hier seine Spuren hinterlassen hat.

Der französische Maler Henry Edmond Cross (eigentlich H. E. Delacroix), einer der bedeutendsten Vertreter des Pointillismus, tupfte 1908 die Altstadt von Antibes auf die Leinwand.

Antibes von Cross

Im Museum Grenoble kann man das Original bewundern.

Nun ist es Zeit, für das leibliche Wohl zu sorgen!

Nach all den Pizzas und Pastas ist jetzt das französische Pendant angesagt: Crepes und Galettes.

Ein herzhaftes Galette für den Käptn und ein süßes Crepe mit Cidre für mich.

Am Montag machen wir uns auf den Weg nach Frejus in der Baie de St-Raphael. Mit 25 Seemeilen Entfernung bildet die Stadt ein gutes Etappenziel.

Der Wetterbericht kündigt wieder wenig Wind und viel Sonne an.

Um 9:30 Uhr verlassen wir Antibes, um 11:00 Uhr passieren wir die Iles de Lerins. Zu diesen beiden flachen Inseln gehören die größere Ile Ste-Marguerite und – für uns dahinter – die kleine Ile-St-Honorat.

Auf Ile-St-Honorat steht ein Kloster, auf Ile Ste-Marguerite ein Fort, das 1665 zum Staatsgefängnis umfunktioniert wurde. Berühmtester Gefangener: „Der geheimnisvolle Mann mit der Eisernen Maske“.

Das Fort Ste-Marguerite (auch Fort Royal genannt)

War es ein unehelicher Sohn Ludwig XIV.? Oder sein Zwillingsbruder? Oder ein Minister des Herzogs von Mantua? Oder gar eine Frau? – Keiner weiß heute genau, wer damals durch die Gitterstäbe auf die schöne Ankerbucht östlich des Forts um die Ecke lugte. Übrigens nicht durch eine Eisen-, sondern durch eine Bastmaske! Ist ja auch viel angenehmer auf der Haut zu tragen…..

Durch die flache Durchfahrt zwischen dem Festland und der Insel steuern wir problemlos nach Rod Heikells Anweisung im Handbuch „Französische Mittelmeerküste und Korsika“.

Danach sind wir im Golf de Napoule und blicken an Steuerbord wieder auf ein weißes Häusermeer. Nicht ganz so groß wie Nizza, aber auch berühmt und wohlbekannt! – Die Rede ist von Cannes, das sich Dank eines englischen Lords im 19. Jahrhundert vom Fischerdorf zum „Cowes des Mittelmeers“ mauserte.

Lord Brougham wurde hier nämlich wegen einer Choleraepidimie an der Weiterreise nach Italien gehindert. Schließlich gefiel ihm und seiner kranken Tochter Eleonore Louise das Fischernest so gut, dass er sich eine Villa bauen ließ und seinen Freund, den französischen Bürgerkönig Louis Philippe dazu brachte, in Cannes einen Hafen zu bauen.

Und neben all den Palmen, die in Cannes den „Boulevard de la Croisette“ säumen, gibt es hier ja auch noch die „Goldene Palme“ auf den Filmfestspielen zu gewinnen. Dieses Jahr fiel sie an den südkoreanischen Regisseur Bong joon-ho für seinen kapitalismuskritischen Thriller „Parasite“.

Die Filmfestspiele fanden im Mai statt und das Häusermeer ist geblieben. Also wollen wir auch hier keine „Pause“ machen.

Wir haben schon fast den ganzen Golf überquert und nähern uns dem zerklüfteten Kap Pointe de l´Aiguille, als der Wind plötzlich und schnell zunimmt und Reffen angesagt ist. Da passiert das, was man in einer solchen Situation am wenigsten gebrauchen kann: Das Fockfall, das sich beim Reffen in der Trommel am Vorstag aufrollt, bekommt einen sogenannten „Überläufer“ und versagt seinen Dienst. – Da hilft alles nichts: Wir müssen den Motor anschmeißen und umkehren. Während der Rückfahrt muss der Käptn nach vorne turnen und per Hand das Fall ab- und dann wieder aufrollen.

Kurz vor Cannes hat er das geschafft. Die Frage ist nun: Ankern vor Ile Ste-Marguerite oder doch Häusermeer?

Wir entscheiden uns für die Randlage des Häusermeers und laufen den Port Pierre-Canto an. Hier gilt es nur noch, in die enge „Parklücke“ zu kommen, ohne den edlen „Daysailern“ vom Typ „Tofinou 9,5“ keinen Kratzer zu verpassen. Denn eine Reling zum Anfassen und Abhalten haben die Schmuckstücke leider nicht!

Die Tofinou 9,5 wurde von Joubert/Nivelt designt und bei Latitude 46 Classic Yachts Construction auf der Ile de Re´an der Französischen Atlantikküste gebaut.

Wir genießen den Anblick dieser schönen Boote, die Ruhe in der edlen Marina (pro Nacht 34,90 Euro) und das gute WiFi an Bord. Mehr brauchen wir heute nicht mehr!

Am nächsten Morgen kommen wir trotz der schlimmsten Befürchtungen des Käptn heil aus der Parklücke und machen einen neuen Anlauf über den Golf de Napoule.

Der Wind ist über Nacht eingeschlafen und Segel müssen erst gar nicht gesetzt werden. So wird es eine gemütliche „Kaffeefahrt“ mit tollen Ausblicken auf das Esterel-Gebirge, das zu den ältesten geologischen Formationen Frankreichs gehört.

 Roter Porphyr lässt das Esterel-Gebirge leuchten.

Frejus haben wir als Ziel gestrichen und stattdessen das 24 Seemeilen entfernte Ste-Maxime im Golfe de St-Tropez ins Auge gefasst. Vor allem, weil für die nächsten Tage viel Wind „on the nose“ angesagt ist und Rod Heikell uns einen Autoverleih in Ste-Maxime verspricht.

Schon vor 12 Uhr mittags legen wir am Ankunftssteg an und bekommen einen freien Liegeplatz. Im Nachhinein haben wir riesiges Glück gehabt, denn erstens steht das Pfingstwochenende bevor und zweitens ist Pfingstregatta im Golf. Alle Häfen sind zu den Feiertagen ausgebucht: St-Tropez, Marines de Cogolin, Port Grimaud und Sainte-Maxime.

Ich bezahle zunächst bis Sonntag (stolze 42 Euro pro Nacht und kein WiFi weit und breit) mit der Option, danach „nachzurüsten“. Der Windy-Wetterbericht sagt nämlich wieder fiese Böen für die nächsten Tage an. Wir richten uns stets nach den Böen und nicht nach dem angekündigten „Normalwind“, denn erfahrungsgemäß entwickeln sich die Böen gerne zum Normalwind.

 Besonders hübsch: Die bunten Blumenbeete in Ste-Maxime

Unser Liegeplatz liegt strategisch sehr günstig. Zum Sanitärgebäude mit Waschmaschine zwei Minuten, zum großen Parkplatz drei Minuten, zur Kirche drei Minuten, zum Altstadtzentrum vier Minuten.

Der Ort ist hübsch und hat alles, was man braucht: Gute Busverbindungen nach St-Tropez, Port Grimaud, Frejus und St-Raphael. Jede Menge Restaurants und Geschäfte, ein Spielkasino (brauchen wir nicht), Banken und einen Europcar-Autoverleih.

Am nächsten Morgen (Mittwoch, 5.6.) gehen wir gleich nach dem Frühstück zu Europcar. Hinter dem Tresen sitzt eine junge Dame mit begrenzten Englischkenntnissen. Trotzdem kommen wir schnell ins Geschäft. Wir sind in ihrem Computer gespeichert, da wir schon „alte Kunden“ bei Europcar sind. Kleine Autos wie wir sie gewöhnt sind, gibt es hier überhaupt nicht. Also wird es ein größeres Modell. Was genau, werden wir sehen, wenn wir es morgen abholen.

Dann suchen wir einen Bankautomaten, denn diese Ecke der Cote Azur ist echt hochpreisig und das Geld geht weg wie warme Semmeln.

Bei der „Societe Generale“ stecke ich meine Karte in den Automaten, wähle „Deutsch“, wünsche eine Quittung und tippe als Wunschbetrag 300 Euro ein. Nach Eingabe der PIN spuckt der Automat zunächst meine Karte und dann die Quittung über 300 erhaltene Euro aus. Weiter passiert nichts! – Plötzlich erscheint auf dem Display: “Ihr Geld wurde einbehalten.“ – „Mon dieu!“

Glücklicherweise hat die Mittagspause noch nicht begonnen und die Bank ist auf. Sie besteht aus einem relativ kleinen Raum mit „gläsernem“ Nebenraum. Der Herr im Hauptraum steht an seinem Computer (Arbeitsplatte an der Wand) und berät einen Kunden. Im „Glasraum“ am Schreibtisch sitzt eine junge Dame, die gerade mit einer Kundin beschäftigt ist. In der Zwischenzeit checke ich auf dem Smartphone mein Bankkonto. Die 300 Euro sind bereits vorgemerkt!

Endlich kann ich mein Anliegen vorbringen. Der Angestellte spricht nur wenig Englisch, aber die junge Dame beherrscht es besser. Ihre erste Reaktion: „Das tut uns leid. Aber kein Problem! Wenn Sie wieder zu Hause sind, gehen sie mit der Quittung zu Ihrer Bank. Die geben Ihnen das Geld zurück.“

Abgesehen davon, dass ich frühestens in drei Monaten zu meiner Bank gehen kann, glaube ich das nicht.

Schließlich schuldet mir ja die „Societe Generale“ 300 Euro und nicht die Sparkasse Holstein! Und was noch schlimmer ist: Ich habe nur eine Quittung über eine Auszahlung in den Händen! Wie soll ich beweisen, dass ich kein Geld bekommen habe?

Aber so leicht lass ich mich nicht abwimmeln! – Ich rufe den „Auslandsservice“ der Sparkasse an und werde in meiner Annahme bestätigt. Die französische Bank muss handeln. Das heißt: Sie muss das Protokoll des Geldautomaten überprüfen und feststellen, dass sie das Geld nicht ausgezahlt hat. Dann müssen sie mir das Geld (inzwischen wurde es bereits vom Konto abgebucht) zurücküberweisen.

Ich bitte den Berater am anderen Ende der Leitung, dies der jungen Dame persönlich zu erklären, was auch erfolgt. Nun kommt Leben in die Bude! Mit meinem Smartphone und meinem Berater am anderen Ende verschwindet die junge Dame ins Obergeschoss und kehrt nach geraumer Zeit zurück. Dann setzt sie eine Reklamation für mich auf, die sie an ihren Chef „im Irgendwo“ weiterleiten will und entschuldigt sich mit den Worten, dass sie das zum ersten Mal erlebt hat. Wahrscheinlich ist es passiert, als gerade der Geldautomat neu bestückt wurde. Ich erhalte eine Kopie der Reklamation und ihre Unterschrift als zusätzliche Bestätigung. – Mit sehr gemischten Gefühlen und fast leerem Portemonnaie suche ich den nächsten Geldautomaten. Der will mir nur 200 Euro geben. Auch gut! Aber blöd ist: Egal, welchen Betrag ich abhebe, es werden immer 5,95 Euro Gebühr fällig.

Es gibt Banken im Internet, die dieses Geschäft gebührenfrei anbieten. Ich bleibe aber lieber bei der Sparkasse Holstein. Deren Berater haben mir während unserer Reise schon mehrfach aus der Patsche geholfen! Das macht für mich die Gebühren wieder wett.

Nach drei vollen Waschmaschinenladungen ist mein Frust irgendwann abgearbeitet. Abends schlüpfen wir in frisch bezogene Betten und stehen am nächsten Morgen um 8:30 Uhr bei Europcar auf der Matte. Eigentlich war 10:00 Uhr für die Übergabe ausgemacht, doch dann kam die Reservierungsbestätigung von Europcar per Email mit der Ansage: Übergabe 8:30 Uhr, bei Verspätung drohen „Busgelder“.

Am Tresen ist man darüber erstaunt, aber was soll´s. So haben wir mehr vom Tag!

Dann kommt die Frage: „Wäre Automatikschaltung in Ordnung?“- Antwort des Käptn: „Non!“

Dann steht das Auto vor der Tür.

Ein rotbrauner Peugeot „RIFTER“: riesig, mit allem Komfort und zurück, z.B. Schiebedach, Einparkhilfe und Navi.

 Kennzeichen FD-961-ZP. Muss man wissen, wenn man an den Parksäulen in Frankreich ein Ticket zieht. Grund: So kann man sein nicht verbrauchtes Ticket nicht an andere weitergeben.

Leider steht im Mietvertrag eine Kilometerbegrenzung von 750 km für drei Tage. Da müssen wir Prioritäten setzen und mit der längsten Tour anfangen.

Ich programmiere das Navi mit dem ersten Ziel: Riez in der Haute-Provence.

Bald zeigt sich die Schönheit der provenzalischen Landschaft.

 Mohnfeld

Hügel und Täler mit glasklaren Bächen. Grüne Wälder und blütenübersäte Wiesen. Felder voller Mohnblüten. Schmucke Dörfer mit braunen Feldsteinhäusern und bunten Fenstern. Kaum Industrie, keine hässlichen Reklameschilder am Straßenrand und kein Müll im Straßengraben. Stattdessen Müllstationen mit Containern zur Mülltrennung, die sogar dem Hintergrund, vor dem sie stehen, angepasst werden (z.B. durch ein Felsen- oder Heckenoutfit).

Im beschaulichen Riez ist nicht viel los. Die (verschlossene) Kirche nennt sich „Kathedrale Notre Dame de l´Assomption“, denn der Ort war früher Bistum und im Jahre 439 sogar Tagungsort eines Konzils.

Die Kathedrale in Riez

In einer Creperie essen wir ein köstliches Crepe. Es ist mit Apfelkompott gefüllt, garniert mit Vanilleeis und Sahne. Alles aus eigener Herstellung und ohne Zusatzstoffe. Auch das ist ein Unterschied zwischen Italien und Frankreich:

In Italien ist man gerne und gut. In Frankreich ist man gerne, gut und sehr bewusst. Bioware liegt hier nicht im Abseits, sondern ist Standard im Laden. Das hat natürlich seinen Preis! Die Lebenshaltungskosten in Frankreich sind entsprechend höher als in Italien.

Dann kommen immer häufiger die berühmten Lavendelfelder der Provence. Noch blühen sie nicht, aber auch grün sind sie hübsch anzusehen, erst recht, wenn sie mit Mohnblüten garniert sind.

 Lavendelfeld mit Mohneinlage

Nun geht es in die Berge. Steigungen und Kurven machen dem Käptn ordentlich Arbeit hinter dem Steuer unseres rotbraunen Riesen. Schließlich erreichen wir das Bilderbuch-Bergdorf Moustiers-Sainte-Marie.

Moustiers-Sainte-Marie

Vor steil aufragenden Felswänden drängen sich die alten Häuser und die Kirche auf engstem Raum zusammen. Auf einem der Felsen steht in schwindelnder Höhe die kleine Wallfahrtskapelle Notre-Dame-de-Beauvoir. Über der Schlucht zwischen den Felswänden ist eine 227 m lange Kette gespannt, an der ein goldener Stern hängt und mitten durch das Dorf stürzt ein Wildbach über die Felstreppen. Einfach zauberhaft, so lange die vielen Touristen in der Hochsaison diese Idylle nicht zerstören.

 Wo der Wildbach rauscht

Und sogar die Läden sind in diesem Ort besonders schön anzuschauen, denn dort präsentieren die Fayence-Künstler ihre Werke.

Mitte des 17. Jahrhunderts verhalf diese Kunst dem Ort zu wirtschaftlicher Blüte. Der Sonnenkönig Ludwig XIV hatte nämlich seinen Adeligen den Gebrauch von goldenem und silbernem Tafelgeschirr verboten. Also suchten die Herrschaften nach repräsentativen Alternativen und fanden sie im edlen Fayencegeschirr.

 Im Kunstatelier

Im Kunstatelier „La Chaine“ begeistern mich die kräftigen Farben der Ornamente und vor allem die Mohnblüten. Ein kleines Schälchen soll mich zu Hause an dieses Highlight unserer Reise erinnern. Es steht auf dem Foto übrigens vor einer Vitrine mit Scherben, die der Künstler seinen Vorfahren zuordnen konnte. Diese haben wohl schon vor 300 Jahren für den adeligen Tischschmuck gesorgt.

 Mein Mohnschälchen

Und weiter geht es durch die blühende Gebirgslandschaft.

Seit unserer Frühlingstour 2015 durch Spaniens weiße Dörfer und den Grazalema-Naturpark haben wir nie wieder solche Blütenpracht erlebt!

Dann blitzt er zwischen den bewaldeten Berghängen auf: Der Lac de Ste-Croix!

 Der Lac de Ste-Croix

Gespeist wird er vom wilden Wasser des Verdon, der Europas tiefste Schlucht durchfließt. In 700 m Tiefe treiben kleine Boote im Mündungsbereich des Flusses auf dem unwirklich blauen Wasser.

 Die Mündung des Verdon

 Blick in die tiefste Schlucht Europas

Eine Motorradfahrerin aus Süddeutschland steht neben mir und wir blicken beide fasziniert in den Abgrund. Dann sagt sie zu mir: „Fantastisch! Dafür hat sich das ganze gelohnt!“ – „Das ganze“ ist sicher die anstrengende, kurvenreiche Anfahrt, die nicht nur dem Käptn höchste Konzentration abverlangt. Aber sie hat wirklich recht: Es hat sich gelohnt!

Unser Weg führt weiter am Verdon entlang und schließlich nach Castellane. Hier will ich nur schnell fürs Abendessen einkaufen und schieße zum Abschluss noch ein Foto von der Wallfahrtskapelle Notre-Dame-du-Roc, die auf einem 903 Meter hohen Felsen steht.

Castellane

Wie es wohl im Mittelalter aussah, als dort noch eine Burg und die Siedlung Petra Castellana standen?

Um noch vor Einbruch der Dunkelheit in Ste-Maxime anzukommen, müssen wir nun aber weiter. Nach 256 km endet unsere erste Autotour durch die Provence auf dem Parkplatz am Hafen.

Wie schon erwähnt, ist es hier nicht billig!

Das betrifft auch die Parkgebühren. Kostenlose Parkplätze gibt es in Hafennähe überhaupt nicht. Immerhin sinken zwischen ein Uhr nachts und acht Uhr morgens die Preise auf 40 Cent pro Stunde. Ansonsten kostet es 2,40 Euro! Insgesamt heute 17,20 Euro. – Da ist möglichst spätes Kommen und frühes Abfahren angesagt.

Also starten wir am nächsten Morgen schon wieder um 8:30 Uhr unseren rotbraunen Riesen und fahren in die ehemalige Hauptstadt der Provence.

Rathaus mit Glockenturm

In Aix-en-Provence wollen angeblich die meisten Franzosen wohnen, denn die Stadt hat nicht nur eine der renommiertesten französischen Universitäten sondern auch jede Menge „Savoir vivre“ zu bieten.

In den verwinkelten Gassen und kleinen Plätzen drängt sich das Volk auf der Suche nach dem besten Schinken, dem besten Wein oder dem leckersten Eis, das hier sogar in Rosenform daherkommt.

Roseneis 

Auf dem Markt wird schon abgebaut, doch an einem kleinen Stand gibt es noch Konfitüre und Brotaufstrich zu probieren. Framboise-Konfitüre und „Artichaut“-Brotaufstrich aus Artichocken, getrockneten Tomaten und Knoblauch schmecken mir am besten und kommen in den Rucksack.

Markplatz

Über den Cours Mirabeau – die mit Platanen gesäumte Prachtstraße – finden wir zurück zum Parkplatz, der hier immerhin kostenlos war. Auch ein Stück Lebensqualität!

Die Rückreise wird sehr beschwerlich, denn es ist Freitag vor Pfingsten und Feierabendverkehr. Rush hour hoch drei!

In Cassis machen wir einen kurzen, nostalgischen Zwischenstopp. Hier waren wir vor 40 Jahren mit dem Fahrrad, als wir vor unserer Überfahrt von Marseille nach Korsika eine Nacht überbrücken mussten. Auf dem Campingplatz „Les Cigales“, den es heute noch gibt, war alles belegt, aber wir durften auf dem Spielplatz unser Zelt aufstellen.

 Cassis

Nach einem Imbiss mit Salat und Crepe soll es entlang der Küste nach Ste-Maxime zurück gehen. Eine einzige Quälerei in der endlosen Autoschlange durch Bandol und Sanary-sur-Mer bis Toulon. Danach wird es langsam besser und wir können uns doch noch ein bisschen an der herrlichen Küste erfreuen.

323 gefahrene Kilometer liegen hinter uns, als wir den Parkplatz um 20:30 Uhr erreichen. Das machts am nächsten Morgen ein bisschen billiger: 16,30 Euro schluckt der Kassenautomat, bevor er das Ticket wieder ausspuckt.

Den letzten Tag nutzen wir für eine Einkaufsfahrt zu Lidl, denn „Keller und Küche“ auf der Anima mea sind ziemlich leer. Auf einer kurzen Abschlusstour in Richtung Saint Tropez kommen uns schon wieder die Autoschlangen entgegen. Alle wollen zu Pfingsten ans Meer zu den Schönen und Reichen! So viele Porsche haben wir im ganzen Winterhalbjahr in Hamburg noch nicht gesehen!

Wir wollen nur noch den rostroten Riesen heil abliefern und Parkgebühren sparen. Also auf zu Europcar! Die Abnahme verläuft ohne Beanstandungen. Zurück an Bord schmeißt sich der Käptn auf die Salonkoje und fällt in einen entspannten Tiefschlaf. Savoir vivre kann ganz schön anstrengend sein!

 

 

 

 

 

 

2 responses

  1. Guten Tag Christine und Heinz, endlich „scheint“ das Wetter wärmer und friedlicher zu werden. Zu Hause wüten schwere Gewitter. War wieder spannend, Euch auf dem Meer und auf Land zu begleiten. Liebe Grüße schicken Susanne und Peter

    • Hallo!
      Ja, wärmer wurde es pünktlich zu Beginn des neuen Monats. Gewitter hatten wir hier auch schon, aber das ging schnell vorbei. Morgen wollen wir wieder ein bisschen weiter Richtung Rhone. Spannende Abenteuer erleben! 😉
      Liebe Grüße aus Sainte Maxime
      Christine und Heinz

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