Nachdem ich mir meinen Unmut über „das Portal“ von der Seele geschrieben habe, bereite ich mich auf erfreulichere Dinge vor.
Am 3. Oktober nämlich muss auf der Anima mea Platz geschaffen werden für einen Gast!
Es ist der Bruder des Käptn, der aus Düsseldorf einfliegt, um uns eine Woche zu besuchen.
Die beiden Brüder
Wilfried ist ein begeisterter Romkenner und kehrt nach vielen Jahren endlich wieder einmal in die „Ewige Stadt“ zurück. Also schlendern wir die ersten beiden Tage gemeinsam durch das Forum Roman und über den Palatin, wo wir glücklicherweise sogar mit einer angemeldeten Gruppe an einer Führung durch die „Casa di Augusto“ teilnehmen können.
Immer wieder beeindruckend: Das Forum Romanum
Der Umbilicus Urbis, der „Nabel Roms“ war das symbolische Zentrum der Stadt und des römischen Reiches. Gleichzeitig war es der Ort, wo die Lebenden mit der Unterwelt in Kontakt traten, denn unter dem runden Ziegelgebäude (3.Jh. v. Chr.) mit der kleinen Tür war eine Spalte im Erdboden.
Mit unserer Kombikarte könnten wir auch noch ins Colosseum, doch wegen der Sicherheitskontrollen entstehen lange Schlangen an den wenigen Eingängen für „Normaltouristen“, während an den Eingängen für Roma-Card-Inhaber gähnende Leere herrscht und uns beim Eingang für Gruppen, an dem ebenfalls nicht viel los ist, der Zugang verwehrt wird. „Bad organization!“, schimpfe ich. Aber was soll´s? Wir waren ja alle schon mal dort und wandern stattdessen zur Laterankirche. Auch bei unserem zweiten Besuch sind wir beeindruckt von der kunstvollen Innenausstattung der Kirche.
Am nächsten Tag geht es von der Metro-Station „Colosseo“ am Forum Romanum vorbei zum Kapitolshügel.
Sie machen tolle Straßenmusik zwischen dem Colosseum und dem Forum Romanum: Die Band SANGRE LATINO
Unser Gast möchte unbedingt den Carcer Tullianus besichtigen. Deshalb biegen wir hinter dem Forum Romanum in die Via Carcere ab. Doch der Zugang zur Kirche San Guiseppe dei Falegnami, die über dem Carcer errichtet wurde, ist mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Allerdings finden wir nirgendwo eine Erklärung, warum das so ist. Erst später recherchiere ich im Internet und erfahre, dass die Kirchendecke am 30. August dieses Jahres einstürzte. Gott sei Dank kam dabei niemand zu Schaden!
So bleibt uns der Blick in dieses Gefängnis des Schreckens, in dem auch der Apostel Petrus schmachtete, verwehrt.
Im Gegensatz zu vielen anderen Gefängnisinsassen verlor der „Fels“, auf den Christus seine Kirche baute, hier nicht sein Leben. Er konnte nämlich zwei Wächter zum christlichen Glauben bekehren und mit ihrer Hilfe entkommen. Die Flucht endete nicht weit entfernt auf der Via Appia, wo er Jesus begegnete. Auf die Frage „Domine,quo vadis?“ („Herr, wohin gehst du?“) antwortete Jesus:“Venio iterum crucifigi“ („Ich gehe, um erneut gekreuzigt zu werden.“) Petrus kehrte erschüttert um und wurde im Zuge der Christenverfolgung im Circus des Nero kopfüber gekreuzigt.
Doch das Kapitol bietet ja neben der großartigen Aussicht auf das Forum Romanum noch andere Sehenswürdigkeiten!
Zunächst geht es über die Piazza del Campidoglio hinunter zur Piazza Venezia und dann die steilen Stufen hinauf zur schönen Kirche „Santa Maria in Aracoeli„, wo sich einst die Münzprägestätte und der Tempel der Juno Moneta befanden und jetzt ein wundertätiges Jesuskind sein Zuhause hat.
Anschließend wandern wir zum Pantheon. Unter seiner mächtigen Kuppel summt und brummt es wie in einem Bienenkorb.Besucher aus aller Welt recken ihre Hälse hinauf zu der runden Öffnung in der Decke und fotografieren den römischen Himmel. Wenn das Stimmengewirr zu laut wird, bitten Lautsprecheransagen in verschiedenen Sprachen um Ruhe, denn schließlich sind wir hier ja in einer Kirche!
Nachdem wir am Samstag eine Regenpause einlegen müssen – in Lido di Ostias Straßen ist „Land unter“ – besuchen wir die Capitolinischen Museen. Hauptattraktion ist das Original des bronzenen Reiterstandbilds mit dem römischen Kaiser Marc Aurel, das draußen mitten auf der Piazza del Campidoglio steht. Unglaublich, wie die Menschen das im 2. Jh. nach Chr. schon hinbekommen haben!
Zum Abschluss fahren wir am Montag mit Metro B und Metro A zum Petersdom und diskutieren, ob er oder die Laterankirche beeindruckender ist. Danach schlendern wir die Via d. Conciliazione hinunter zum Tiber. Unter den mächtigen Platanen riecht es nach Herbst, doch die Sonne brennt noch mit sommerlicher Kraft.
Der Weg zur Metro-Station Lepanto führt uns an vier Brücken vorbei und ist wunderschön, aber länger als gedacht. Die Füße schmerzen vom vielen Pflastertreten und Durst und Hunger nagen an uns.
An der Ponte Regina Margherita geht es durch einen kleinen Park zum Cantieri Bistrot, wo es leckere Pizza gibt. Doch eine kulinarische Offenbarung erwartet uns gleich nebenan in der Gelateria La Romana. Hier wird seit 70 Jahren ein Eis kreiert, für das sich der weite Weg gelohnt hat!
Das Eismenü erhält man, nachdem man bezahlt hat. Dann wird die Tüte/der Becher nach Wunsch gefüllt.
Ich entscheide mich für „Croccante della Nonna“ (Traditionelle Caramel Creme mit unwiderstehlichen pralinierten Piniennüsschen und knusprigen Mandeln.) und Croccante all´Amarena (Delikate Milchcreme, angereichert mit schmackhaften Schwarzkirschen, knusprigen Haselnüssen, organischen Baiserstückchen und zartschmelzender dunkler Schokolade.).
Was die Beschreibung auf der Menükarte verspricht, hält der Geschmack in der – wahlweise mit weißer oder dunkler Schokolade ausgegossenen – Eistüte. Als wir den Weg durch das vornehme Altbauviertel bis zur Metrostation Lepanto hinter uns haben, ist die Tüte leer und der Magen glücklich!
Am Dienstag begleiten wir Wilfried zum Flughafen Fiumicino. Als preiswerteste und schnellste Lösung bietet sich hierfür die Fahrt mit dem COTRAL – Bus ab Lido Centro. Für 1,30 Euro ist man in einer halben Stunde am Flughafen, während die Taxifahrt bis zu 30 Euro kosten kann. Und auch Taxis können auf den stark befahrenen Straßen zum Flughafen im Stau steckenbleiben!
Der Eurowings-Flug soll um 19:25 Uhr starten, doch als wir das Flughafen-Terminal betreten, wird eine saftige Verspätung auf den Bildschirmen angezeigt. Am Ende startet das Flugzeug so spät, dass unser Gast den letzten Zug von Düsseldorf zu seinem Wohnort verpasst und die Nacht in der Bahnhofskneipe verbringen muss.
„Aber es war sehr, sehr schön!“ versichert uns Wilfried und schiebt hinterher: „Und ohne die Mücken (an Bord) wäre es sehr, sehr, sehr schön gewesen.“
Nun haben die Mücken uns wieder ganz für sich. Nachts jagen wir sie mit Taschenlampe und Fliegenklatsche, tagsüber sind wir mit den Vorbereitungen für das Winterlager in der Cantiere Altamarea beschäftigt.
Wir packen die Segel in ihre Säcke und bringen die Lazy Bags, die die Segel am Baum aufnehmen, zur Reparatur, denn die erbarmungslose Sonne hat fast alle Nähte zerstört. Für 40 Euro bringt das die kleine Werkstatt neben dem Waschsalon in der Marina schnell in Ordnung.
Es folgt ein Wasch- und Putztag. Gardinen, Bettwäsche und Sitzkissen kommen in die Waschmaschine, und dem Schmutzfilm an Decken und Wänden wird der Kampf angesagt. Auch einige aufgeschreckte Mücken verlieren dabei ihr Leben!
Am Sonntag, den 14. Oktober, geben wir in der Marina unseren Schlüssel ab und fahren zur Cantiere Altamarea am Tiberufer. Das Meer ist gespickt mit kleinen und großen Booten. Alle wollen nochmal raus, bevor es auch hier ungemütlich wird.
Zur Zeit wird es tagsüber noch immer sommerlich warm, und ich laufe mit ärmellosem Topp herum. Die Italienerin hingegen kann es anscheinend nicht erwarten, ihre neue Steppjacke und die hochhackigen Winterstiefelchen zu zeigen und stolziert im Schweiße ihres Angesichts und mit großer Sonnenbrille auf der Nase über die Hafenpromenade. Ab Anfang Oktober tragen die Einheimischen übrigens fast grundsätzlich lange Hosen, mag die Sonne scheinen so viel sie will!
In der Cantiere ( www.cnaltamarea.it ) erwartet uns schon Mauro, der Seniorchef. Er steht am Ufer, winkt und dirigiert uns neben ein blaues Schiff, an dem wir längsseits festmachen. Dann begrüßt er uns per Handschlag mit den Worten: „Wellcome back!“
Da in der Cantiere montags Ruhetag ist, verbringen wir die nächsten beiden Nächte im Tiber. Hier herrscht paradiesische Ruhe.
Im Schilf zwitschern die Vögel, bunte Schmetterlinge suchen nach den letzten Blüten und ein Teichhuhn sucht entsetzt das Weite, als ich es im Dock entdecke.
Der einsame Schwan mit dem beschädigten Flügel besucht uns einmal kurz an unserem Liegeplatz, was die Bisamratte, die ich ebenfalls im Dock beobachtet hatte, Gott sei Dank nicht tut.
Wir erledigen die letzten Arbeiten und genießen die verbleibenden Stunden an Bord.
Steinjuwel
Am Dienstagmorgen geht es dann aus dem Wasser. Der Juniorchef steuert den Travellift und seine drei Angestellten ziehen die breiten Gurte unter dem Rumpf der Anima mea hindurch. Dann steigt sie aus ihrem Element und schwebt zum Waschplatz, wo der harte Strahl des Hochdruckreinigers Algen und Seepocken entfernt.
Doch was hinter der Schraube wie ein bizarres Unterwasserpflänzchen herauswächst, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Plastiknetz. Schlimm und gefährlich, dieser allgegenwärtige Müll im Wasser!
Um die Mittagszeit steht unser Schiff aufgepallt auf den Eisenstützen. Das Unterwasserschiff sieht noch sehr gut aus und hat bei unserem „Auffahrunfall“ in Kissamos/Kreta keinen Schaden genommen. Doch der Rumpf ist von hässlichen „Rostnasen“ und einer gelblichen Schmutzschicht überzogen. Die dürfen wir leider nicht selbst entfernen, denn nach einem Unfall im vergangenen Jahr ist es Bootsbesitzern untersagt, auf Leitern zu klettern, um Arbeiten am Schiff zu erledigen. So kommen dieses Jahr zum Preis für das Winterlager noch 200 Euro für die Reinigung des Rumpfes hinzu.
Trotzdem gibt es für uns noch viel zu tun:
Bettzeug verpacken, Koffer packen, Backskisten entrümpeln, Thermoskannen und Wasserkocher entkalken, Motor mit Süßwasser spülen, Tanks reinigen, Dieseltank auffüllen, Propeller abschleifen und zuletzt: Schiff mit Planen abdecken.
Abends wandern wir rechtschaffen müde zu unserem Hotel „Barcelo´Aran Blu“ direkt neben dem Porto Turistico di Roma und werden jeden Tag ein bisschen trauriger, dass dieses wunderschöne Segeljahr nach 1850,6 Seemeilen nun bald zu Ende geht.
Dann bringt uns Eurowings Flug 2885 hoffentlich pünktlich um 13:55 Uhr nach Stuttgart und anschließend nach Hamburg.
Und es wird sein, wie jedes Jahr beim Rückflug: Wir freu´n uns schon auf unsere Nachbarn, die in Fuhlsbüttel auf uns warten, auf die Freunde und Bekannten und vor allem auf unsere Familie in Hamburg,
„Unsere Perle“!