28.07.2018 – Ein Ort mit Grazie

Unseren Aufenthalt in Crotone beschließen wir mit einem Abendessen im Ristorante SALVIA MENTA E ROSMARINO (Salbei, Minze und Rosmarin) in der Viale Cristoforo Colombo79, gleich neben dem Europcar-Autoverleih.

Wir sind die ersten Gäste, doch bis auf zwei Tische ist bereits alles reserviert und wir haben Glück, noch einen Platz auf der Terrasse vor dem Lokal zu ergattern.

Während im Hintergrund „Arrividerci Roma„, „O sole mio“ und die Barkarole „Santa Lucia“ in Instrumental-Version erklingen, genießen wir bei Kerzen- und Mondschein einen köstlichen Insalata Caprese, perfekt zubereiteten Seehecht (Merluzza) und auf den Punkt gebratenes Filet sowie ein fluffiges Tiramisu und ein traumhaftes Tartuffo, das es in seiner Geburtsstadt Pizzo nicht besser geben kann. Am Schluss sind wir um knapp 60 Euro ärmer, aber um ein kulinarisches Spitzenerlebnis reicher.

Auch die Abrechnung im Yachting Kroton Club ist eine positive Überraschung. Nach neun Tagen Aufenthalt bekommen wir als „alte Kunden“ einen ordentlichen Preisnachlass (30 Euro Tagespreis incl. Wasser, Strom und WLAN) und obendrein eine herzliche Verabschiedung per Handschlag.

Am Donnerstag, dem 26.07., verspricht der Wetterbericht moderate Winde aus Nordwest. Der Hauptkurs nach Roccella Ionica verläuft nach Südwesten, und so wagen wir den Absprung in aller Frühe um 5:40 Uhr.

Als wir das Capo Colonne und das Capo Rizzuto entlang der gelben Tonnen, die das Meeresschutzgebiet markieren, gerundet haben, nimmt der Wind so weit zu, dass wir alle Segel setzen und den Motor stoppen.

Unser Törn über den Golf von Squillace verläuft wie folgt:

  1. Wenig Wind, viel Welle = heftiges Gestampfe und mühsames Vorwärtskommen hoch am Wind
  2. Viel Welle, viel Wind = erstes, dann zweites Reff ins Groß sowie Reffen der Rollfock; schnelle Fahrt hoch am Wind
  3. Viel Wind, wenig Welle, aber bedrohliche Gewitterwolken, die vom Land aufs Meer hinausziehen, Blitz und Donner in der Ferne. Wer ist schneller: Wir oder die Gewitterfront?
  4. Schwachwind mit Winddrehung und Gewitterfront im Nacken = nach 23 gesegelten Seemeilen Motor an und nichts wie weg!

Der Blick auf die Gewitter-App „Blitzortung Gewitter-Monitor“ verschafft Erleichterung:

Kein Gewitter in Roccella Ionica!

Und tatsächlich wird der Himmel vor uns immer heller, während die schwarzen Wolken hinter uns übers Meer abziehen.

Als wir nach 62 Seemeilen und 13 Stunden auf See den Porto delle Grazie in Roccella Ionica erreichen, kommt die letzte Herausforderung des Tages!

Die Einfahrt des Hafens versandet nämlich ständig und muss regelmäßig ausgebaggert werden. Zum Teil ist sie durch eine unter Wasser liegende Sandbank versperrt, die am Kopf des Wellenbrechers auf der Steuerbordseite beginnt. Einen Tonnenweg gibt es leider nicht und man muss sich genau an die Anweisungen in Rod Heikells Küstenhandbuch Italien halten, um sicher in die Marina zu kommen. Besonders bei auflandigem Wind (haben wir heute glücklicherweise nicht) können sich vor der Einfahrt hohe Wellen aufbauen, die 2004 einer Yacht zum Verhängnis wurden. Dieses Schiff legte sich durch eine sechs Meter hohe Welle so sehr auf die Seite, dass der Masttopp sogar den Grund berührte und der Skipper über Bord gespült wurde. Da er angeleint war, konnte er sich wieder ins Schiff retten. Der Rest der Crew schaffte es, den Bug des Schiffes in die nächste anrollende Welle zu drehen und das Boot wieder aufs Meer hinaus zu steuern. Erst drei Stunden später konnten die Segler unter größten Schwierigkeiten mit Hilfe der Küstenwache in den Hafen einlaufen!

Die Hafeneinfahrt mit der Sandbarre sieht hier ganz harmlos aus.

Heute ist es hier so friedlich, dass sogar einige Yachten am Ufer vor der Hafeneinfahrt ankern und wir lediglich auf dem Tiefenmesser beobachten müssen, ob genug Wasser unter dem Kiel ist. Ein Anruf über UKW-Kanal 14 gibt uns „grünes Licht“ zum Einlaufen. Dann winken auch schon zwei Ormeggiatori vom Anlegefinger des Pontons zu uns hinüber und nehmen die Leinen an. Sie stellen sich namentlich vor und begrüßen den Käptn mit Handschlag und mich sogar formvollendet mit angedeutetem Handkuss.

Das „Grazie“ im Namen der Marina wird hier offensichtlich ganz groß geschrieben!

Die Formalitäten im Hafenbüro, das am Rande eines Pinienwäldchens liegt, sind schnell erledigt. Ich bezahle zunächst für zwei Nächte. Die Preise sind hier „gestaffelt“:

40 Euro für die erste Nacht, 35 Euro für die zweite Nacht, alle weiteren Nächte 30 Euro und die siebte Nacht wäre sogar kostenlos.

Ein verlockendes Angebot, denn die Marina ist sehr gepflegt und hat alles, was das Seglerherz begehrt: Saubere Duschen und Toiletten, Waschmaschinen und Trockner (je 4 Euro), bestes WLAN an Bord, getrennte Müllentsorgung, Tankstelle, Minimarkt, Bar und eine Pizzeria, die für ihre einen halben Meter lange Pizza weit über die italienischen Grenzen hinaus in Seglerkreisen berühmt ist.

Während aus dem Vollmond ein Blutmond wird, sitzen wir in der vollbesetzten Pizzeria und essen die Pizza in der Version „Porto“ (mit Shrimps und Tomaten) für mich und „Diavolo“ (scharfe Wurst und Peperoni) mit gaaanz viel (für mich zuuu viel) Käse. Aber den meisten Gästen schmeckt´s, denn die riesige Pizzeria ist jeden Abend proppenvoll.

Blutmond mit Venus

Halbmeter-Pizza

Heute sind wir trotz Affenhitze – meine Töchter sprechen in Deutschland von Bullenhitze – (Bullen sind ja größer als Affen) in den 2 ½ km entfernten Ort Roccella Ionica.

Während wir auf der schönen Promenade entlangwandern, blicken wir abwechselnd auf den gut besuchten Strand am blauen Meer und die alte Festung über der kleinen Stadt.

Strand

Festung

In regelmäßigen Abständen sind Mülleimer angebracht und der meiste Müll landet auch tatsächlich darin. Wir stellen fest: Hier hat man die Zeichen der Zeit erkannt und versucht, etwas für die Umwelt zu tun. Bravissimo!

In Roccella Ionica angekommen, suchen wir per Google Maps einen Friseur, den es aber offenbar in der Realität nicht mehr gibt. Dafür finden wir dort einen feinen Gemüse- und Obstladen, wo wir knackfrische Bohnen und saftige Trauben erstehen. Am Marktplatz bei der Kirche finden wir dann auch ein Hinweisschild zu einem Friseursalon und kommen sofort dran. Die nette Signora plaudert ununterbrochen, wovon ich ca. 30% verstehe und 10% beantworten kann, während die Nonna (Oma) interessiert vom Sofa aus zuschaut und die pubertierende Nichte gelangweilt auf einem freien Frisierstuhl kreist.

Mein Haarschnitt fällt „molto bene“ aus. Dann kommt der Käptn dran. Der hat ja nicht überall Haupthaare, aber dort, wo er welche hat, sind sie so dicht, dass die Haarschneidemaschine immer wieder streikt und eine neue aus der Schublade geholt werden muss. Den Bart muss er sich aber selbst schneiden, denn darin ist die Signora als Damenfriseuse nicht geübt. 35 Euro für uns beide und eine herzliche Verabschiedung – sogar von der pubertierenden Nichte – bilden den Abschluss der Behandlung.

Dann ziehen wir uns noch eine erfrischende Granita rein und wandern zum Hafen zurück. Mittlerweile herrscht auch hier Bullenhitze.

Granita aus Erdbeeren und Zitronen

Als wir wieder im Cockpit sitzen, geht plötzlich – ganz unangekündigt – ein „Ministurm“ los.

Ein Schiff nach dem anderen sucht Schutz in der Marina, darunter auch ein besonders edler Oldtimer aus Spanien. Am Heck steht unter dem Namen die Zahl 1935. Muss wohl das Baujahr sein. Doch so, wie das Teil jetzt aussieht, hat es sicher ein Heidengeld gekostet, die Motoryacht zu restaurieren.

Die schöne Spanierin „Romara“

Dann spricht mich plötzlich von hinten eine weibliche Stimme an. „Ich muss mir doch mal das schöne Schiff aus der Nähe angucken“, sagt sie und stellt sich als „Monika“ von der Bavaria Majunga vor. Monika verfolgt unseren Blog seit 2017, als wir gerade auf Korsika waren und hat mir vor langer Zeit schon einmal einen Kommentar geschrieben. Jetzt ist sie mit ihrem Mann – Skipper Klaus – auf dem Weg nach Griechenland zufällig auch hier in der Marina delle Grazie. Es ist das erste Mal, dass wir Blogleser, die nicht zu unserem Bekanntenkreis gehören, unterwegs treffen.

Jetzt sitzen wir in der gemütlichen Freiluftbar am Rande des Kieferwäldchens und genießen den gut gemischten Aperol Spritz (viel Aperol, reichlich Spritz). Eigentlich haben wir noch gar keine Lust, diesen angenehmen Ort morgen zu verlassen. Wenn wir Glück haben, hält uns der „falsche“ Wind noch ein bisschen fest.

 

 

 

 

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