Unser erster Hafen an der Nord-Westseite des Argolischen Golfs ist Astros.
Eine gute Wahl!
Die Baggerarbeiten, die man deutlich auf dem Luftbild unseres neuen Hafenguide Griechenland 1 von Per Hotvedt erkennen kann, sind schon seit zwei Jahren beendet. Mit Hilfe einiger Millionen Euro aus EU-Mitteln ist das Hafenbecken vertieft worden. Die Hafenmauern sehen aus wie neu und es gibt dort auch Wasserzapfstellen mit Wasseruhren, die von der jungen Dame, die für unser Boot 5,10 Euro kassiert, auf Wunsch geöffnet werden.
Im Hafen ist noch viel Platz. Jenny von der Far away steht schon bereit und nimmt unsere Leinen an. Wie die anderen Boote liegt ihr Schiff „katholisch“ an der Hafenmauer. Wir dürfen aber längsseits gehen und revanchieren uns für das Entgegenkommen mit dem doppelten Hafengeld. Ich frage mich sowieso, warum die Griechen nicht ein bisschen mehr Hafengebühr nehmen. Dann könnten sie das alles auch nach der Fertigstellung in Schuss halten und wenigstens eine Toilette im Hafen betreiben. Aber leider verrotten die für teuer Geld errichteten Anlagen in den meisten Häfen von Jahr zu Jahr mehr.
Astros ist ein blitzsauberes Städtchen, an dessen Strand sogar die „Blaue Flagge“ weht.
Am nächsten Tag geht es weiter nach Tyros. Unterwegs überholt uns die Far away. Weil sie jedoch jeden Winkel der Küste abklappert, sind wir eher da.
Die Far away beim Überholmanöver
Auch in Tyros können wir längsseits anlegen und diesmal Jenny und John beim Festmachen helfen. Am Abend essen wir in der blauen Taverne am Hafen gemeinsam zu Abend. Eine gute Wahl! Alles ist frisch gekocht und schmackhaft zubereitet, und wir verbringen mit den sympathischen Australiern einen sehr unterhaltsamen Abend.
Hier kann man gut essen!
Jenny ist in Neuseeland geboren und wegen des „schlechten Wetters“ nach Australien ausgewandert. Sie besitzt daher zwei Pässe, was von Vorteil ist. Personen, die keinen EWG-Ausweis besitzen, dürfen nämlich nur drei Monate im EWG-Raum bleiben. Dann müssen sie sich beispielsweise in Albanien, Montenegro oder der Türkei einen Stempel im Pass holen und dürfen wieder einreisen.
Während Jenny bei Kontrollen die ersten drei Monate ihren australischen und danach den neuseeländischen Pass vorzeigt, hat John nur einen australischen Pass. Aber er muss ohnehin bald in seine Heimat fliegen, um sich dort ärztlich behandeln zu lassen. Seine Geschichte ist wirklich tragisch und wir nehmen uns vor, Klein-Poros doch besser an Bord zu nehmen, statt ihn unterwegs hinterher zu schleppen.
John erzählt nämlich von dem Unglückstörn in der Türkei. Das Dinghi schleppten sie hinterher. Da kam eine heftige Windbö! Das Dinghi flog hoch und traf John mit Wucht im Nacken. Ein türkischer Arzt entfernte einen Splitter aus der Halswirbelsäule. Dabei muss etwas schief gegangen sein, denn seither hat John kein Gefühl mehr in den Oberschenkeln.
Wenn John das Boot verlässt, ist Jenny der Captain.
Sie hat vor ihrer Pensionierung in Australien als Lehrerin gearbeitet und ist eine gestandene Frau. Dazu ist sie sehr aufgeschlossen, lustig und unkompliziert. Es macht bestimmt Spaß, mit ihr gemeinsam zu segeln, denn sie nimmt hin und wieder auch Gäste an Bord.
Tyros ist im Sommer ein quirliger Touristenort. Doch jetzt ist es hier noch sehr beschaulich und ruhig.
Im Hintergrund an der langen Kaimauer das kleinste Schiff: Das ist die Anima mea!
Bei einem Bummel durch den Hafen sehe ich zum ersten Mal, wie die Griechen den armen Oktopussen nachstellen.
Hühnerfüße werden mit ein paar Stofflumpen an eine Angelschnur geknotet und ausgeworfen. Dann wird abgewartet, ob der Oktopus den Braten riecht und unter seinem Stein hervorkommt. Hat er sich das Hühnchen gekrallt, wird die Angelschnur blitzschnell eingeholt.
Sieht eklig aus, aber Oktopusse mögen das!
Gleich am nächsten Tag geht es weiter nach Kiparissi. John und Jenny kennen den Ort auch noch nicht. Deshalb wollen sie später auch dorthin kommen.
Um 11:00 Uhr laufen wir in die malerische, von hohen Bergen umgebene Bucht ein.
Am kleinen Stadtkai liegt noch kein Boot. Lediglich zwei geschäftige Angler haben auf dem Kai Ständer mit mehreren Angeln aufgebaut. Als wir uns nähern, drehen sie sich demonstrativ weg. Wahrscheinlich nach dem Motto: „Störe meine Kreise nicht!“
Es herrscht starker Schwell und wir tasten uns vorsichtig an die Mauer heran. Ich habe das Ende des vorderen Festmachers in der Hand und beobachte argwöhnisch, wie wir uns der rauen Mauer nähern. Bloß nicht zu nah ran, damit wir keinen Kratzer abbekommen!
Aber so erreiche ich auch nicht den dicken Poller, um den ich die Leine legen muss.
Da riskiert Angler A doch mal einen Blick zu uns hin und gleich schwenke ich die Leine und bitte auf Englisch, sie anzunehmen.
Angler A macht eine abweisende Handbewegung und brummelt:“I´m not a captain!“
Angler B riskiert ebenfalls einen Blick, sieht mich auf dem wild tanzenden Boot und hat endlich Erbarmen. Er stellt sich zwar etwas unbeholfen an, aber immerhin können wir ohne Schaden festmachen.
Angler B verabschiedet sich von Angler A, der uns weiterhin ignoriert und geschäftig an seinen Angeln hantiert.
Ein älterer Herr taucht auf. Er hat sich einen frischen Blütenzweig über das linke Ohr geklemmt und spricht uns in bestem Englisch an. Woher wir sind, will er wissen. Dann spricht er sogar deutsch, denn nach seiner Militärzeit in Kalifornien vor 68 Jahren war er auch zwei Jahre in Deutschland stationiert. Nun verbringt er seinen Lebensabend in Kiparissi, diesem abgelegenen Örtchen, das auch in dem Buch „The Most Beautiful Villages of Greece“ von Mark Ottaway erwähnt wird und wegen seiner reizvollen Lage bereits von Prince Charles und George H. Bush besucht wurde.
Mit ein paar Restaurantempfehlungen lässt er uns dann in unserem unaufhörlich tanzenden Boot zurück, wechselt mit Angler A noch ein paar griechische Worte und verlässt den Kai in Richtung der hübschen Häuschen.
Kiparissi im beeindruckenden Ormos Kiparissou (in der Mitte des Ortes der Stadtkai).
Wir würden ja gerne die empfohlenen Restaurants aufsuchen, doch an dieser schwelligen Kaimauer können wir unmöglich bleiben. Und so beschließen wir nach einer Stunde „Affentanz“, one of the most beautiful villages of Greece wieder zu verlassen.
Das Ablegemanöver schaffen wir allein. Auf Hilfe von Angler A können wir ohnehin nicht hoffen. Er dreht uns standhaft den Rücken zu und steht wie eingepflanzt an einer seiner Angeln auf der anderen Seite.
An unserer Seite steht nach wie vor sein Angelständer mit einer Angel.
Mit dem Enterhaken bewaffnet, stehe ich auf dem Vorschiff, um das Boot von der kratzigen Kaimauer abzustoßen, muss mich aber auch gleichzeitig um die Festmacherleine kümmern.
Da sehe ich unter dem Bugspriet eine Angelschnur!
Sie folgt unserer rückwärtsfahrenden Anima mea und noch ehe ich sie mit dem Enterhaken abstreifen kann, scheppert es auf dem Kai.
Im hohen Bogen fliegt die Angel aus dem Ständer ins Wasser. Ihre Spitze taucht noch einmal kurz auf, dann sind Angel und Schnur endgültig versunken.
Während wir uns kontinuierlich entfernen, dreht sich Angler A wie vom Blitz getroffen um die eigene Achse, starrt ins Wasser und schreit uns etwas hinterher. Ich verstehe nur 100 oder 500 Euro. Er erwartet also tatsächlich, dass wir wieder an diese schreckliche Mauer zurückkehren, um den Schaden, den er sich durch seine Ignoranz selbst mit eingebrockt hat, zu bezahlen.
Immer kleiner wird die lamentierende Gestalt auf dem Stadtkai. Dann schreit sie uns ein letztes, sehr lautes, griechisches Wort hinterher. Ich möchte gar nicht wissen, was es bedeutet! – Jedenfalls suchen wir in dieser menschenleeren Bucht lieber gar nicht erst nach einem Ankerplatz und verdrücken uns so schnell wie möglich, ehe uns die Bürgerwehr von Kiparissi auf den Hals rückt.
Bis Monemvasia sind es noch 20 Seemeilen. Da bleibt uns genügend Zeit, das Erlebnis zu verdauen. Es wird immer heißer und windstiller. An der Pinne fallen dem Käptn fast die Augen zu und ich löse ihn etwa eine Stunde vor unserer Ankunft beim Steuern ab.
Unerbittlich brennt mir die Sonne auf die Birne und mein Hut liegt unerreichbar in der Hundekoje. Ich bringe es aber nicht übers Herz, den friedlich schlummernden Skipper zu wecken und lege mir in meiner Not das Sitzkissen auf den Kopf. Da hat der Käptn nach all dem Theater wenigstens was zum Lachen, als er kurz vor Monemvasia aus seinem Nickerchen erwacht!
Kurz vor dem Sonnenstich
Gleich nimmt er wieder die Pinne in die Hand, denn ich muss jetzt fotografieren.
Der Felsklotz von Monemvasia erhebt sich vor uns aus dem Meer.
Dann erscheint die Stadtmauer, hinter der sich die Häuser und Kirchen der alten Stadt aneinander kuscheln. Hinter dem Stadttor beginnt eine lange Autoschlange, die erst an dem Damm endet, der die Insel mit Neu-Monemvasia bzw. Yefira am Festland verbindet.
Die uneinnehmbare Felseninsel Monemvasia. In der Antike hieß die Insel „Minoa“, was auf kretischen Einfluss hinweist.
Die Altstadt von See aus gesehen. Sie wurde von den Byzantinern gegründet, aber sehr viel wurde von den Venezianern erneuert.
Doch zunächst müssen wir einen Platz im Hafen finden.
Die Pier kommt nicht infrage. Da muss katholisch angelegt werden. Die Innenseite des Wellenbrechers ist ebenfalls belegt. Aber ganz hinten im Hafenbecken ist noch Platz an der Mauer.
So voll wie Monemvasia war bisher noch nicht einmal Nafplion.
Das liegt wohl daran, dass einerseits das „Gibraltar des Ostens“ viele Besucher anlockt und andererseits dieser Hafen der letzte vor dem gefürchteten Kap Maleas am Ende des „Zeigefingers“ ist.
Auch wir werden hier warten, bis der jetzt einsetzende schwülwarme Südwind und der danach angesagte starke Nordwind vorbei sind. Der Nordwind wird genau in die Hafeneinfahrt und dann auf unsere Backbordseite drücken. Dann wird Anima mea an der Hafenmauer scheuern wie der Bär Balu an der Palme und nach kurzer Zeit werden die Leinen des schützenden Fenderbrettes durch sein.
Also kommt vor der Altstadtbesichtigung der Gang in den Baumarkt!
Dort kaufen wir neue Leinen für unsere beiden Fenderbretter und vier Schlauchstücke, die die Leinen schützen sollen. Und so sieht diese Konstruktion dann aus:
Leinenschutz
Auf dem Rückweg vom Baumarkt entdecken wir in Hafennähe einen kleinen Laden. Zwei Frauen sitzen davor und zerpflücken blühendes Grünzeug. Ich sage zum Käptn: „Schau mal, Kapern!“ und die beiden Frauen nicken lächelnd. Dann deute ich auf die ausgestellten Einmachgläser und frage: „Selbstgemacht?“
Die jüngere der beiden Frauen nickt und lockt mich in den Laden, der zum Bauernhof der Familie gehört und lässt mich von ihren Köstlichkeiten probieren. Es sind eingelegte Kapernzweige, eingelegte Meerespflanzen und eine Olivenpaste. Auch die Kombination aus Honig, Kräutern und Essig ist ein Gedicht! Sie schenkt mir sogar ein Gläschen davon, als ich für 15 Euro eine kleine Auswahl ihrer Delikatessen erstehe.
Strahlend übergibt die junge Frau mir meinen Einkauf und setzt sich wieder zu ihrer Mutter, der sie ihre Einmachkünste zu verdanken hat, an den Tisch.
Delikatessen
Während wir den Leinenschutz basteln, tummeln sich im Hafenbecken vier kapitale Meeresschildkröten. Es sind „Unechte Karettschildkröten – lat. Caretta Caretta„. Die streng geschützten Tiere schnappen sich hier die fetten Happen, die von den Fischerbooten fliegen.
Auch Jenny und John trudeln irgendwann in Monemvasia ein. Sie haben tatsächlich eine Nacht in Kiparissi verbracht und dort vor Anker liegend viel Schwell und obendrein starke Fallwinde erlebt. Jenny hat sofort nach ihrer Ankunft die Felseninsel erobert und ist beeindruckt.
Am Samstag machen wir uns dann endlich auch auf den Weg zum Felsen.
Entlang der Straße freue ich mich über die unterschiedlichen Pflanzen, die teilweise nur hier wachsen und gedeihen: gelber Mohn, rosa Malven und Disteln, blaue Glockenblumen und Thymian verwandeln die steilen Felswände in einen blühenden Steingarten.
Thymian
Dann erreichen wir das Stadttor und betreten die Altstadt. Sie hält, was ihr Anblick von See aus versprochen hatte!
Nach dem langen Anmarsch und den für diese Jahreszeit bereits hohen Temperaturen machen wir zunächst eine Pause in einer der stilvollen Tavernen, von denen eine hübscher als die andere eingerichtet ist. Die Preise für Essen und Trinken sind keineswegs überhöht und der Meerblick von der überdachten Dachterrasse muss nicht extra bezahlt werden.
Kleiner Tipp für die Kunstpädagogen: Wer malt den lustigsten Apfelsinenkopf?
Wir bummeln durch die schmalen Gassen und steigen immer höher bis zur Oberstadt hinauf.
Wichtigstes Verkehrsmittel: Die Sackkarre
Links geht´s bergan!
Ein befestigter Serpentinenweg führt uns zum Tunnel, der im Kastell endet. Die eisernen Pforten sind noch vollständig intakt. Und hinter den Mauern eröffnet sich ein fantastischer Blick über die Dächer der Stadt und das Meer, wo in der Ferne Kap Maleas auf uns wartet.
Schließlich erreichen wir die „Hagia Sophia“ auf dem Gipfel.
Nach kurzer Verschnaufpause geht es vorsichtig über die abgetretenen, glatten Steine des Pflasterweges zurück. Wir beschließen unseren Bummel dort, wo wir ihn begonnen hatten: In einer stilvollen Taverne mit Meerblick.
Hochmut kommt vor dem (Angel-)Fall. Anger A ist doch sicher eine Ausnahme, meist sind die Griechen überaus freundlich, hilfsbereit und manchmal auch neugierig.