17.10.2017 – Aegina

Wie gerne wären wir am 4. Oktober die 13,5 Seemeilen von Piräus nach Aegina gesegelt!

Doch leider regt sich kaum ein Lüftchen, als wir morgens um 9:10 Uhr in der Zea Marina in Piräus ablegen. So wird unser letzter Törn im Jahre 2017 eine Motorfahrt durch das dunkelblaue, nur leicht gekräuselte Mittelmeer.

Als wir die lange Mole der Marina Zea passiert haben und Kurs auf Aegina nehmen, rufe ich im Kanonis Boatyard an und gebe unsere voraussichtliche Ankunftszeit durch. „Alles klar, wir erwarten euch!“ sagt Herr Kanonis.

Um 12:20 Uhr liegen wir im Becken der Werft. Dann kommt der gelb-blaue Travellift angerollt und hebt unser Schiff aus dem Wasser. Alles läuft sehr professionell und problemlos ab.

Kanonis-Junior steuert den Travellift. Links stehen Herr Kanonis und sein Vater.

Wir sind überrascht, wie wenig Bewuchs sich am Unterwasserschiff angesiedelt hat. Nur ein kleiner Bart ist der Anima mea gewachsen. Doch der wird beim Abspritzen mit dem Hochdruckreiniger schnell „abrasiert“.

Der Bart muss ab!

Dann kommt unser Schiff auf einen Anhänger und wird mit dem Traktor zum Winterlagerplatz gebracht. Zwischen einer großen Segelyacht aus Neuseeland und einem griechischen Motorboot wird Anima mea auf Stelzen gesetzt. Hier wird sie mit dem Heck zum Meer den Winter verbringen.

Endstation

Von jetzt an müssen wir die zwölf Stufen einer Leiter hochklettern, um unser „trocken gefallenes“ Zuhause zu entern. Uns bleiben knapp zwei Wochen Zeit, um alle erforderlichen Arbeiten zu erledigen:

Rumpf abwaschen und wachsen, Edelstahl von Flugrost befreien, Schraube abschleifen, Schlauchboot zusammenlegen und verpacken, Segel abnehmen und in Säcke verstauen, Falle und Schoten aufschießen, lackierte Flächen an Deck und im Cockpit anschleifen und neu lackieren, Motor mit Süßwasser spülen und Frostschutz einfüllen, Kuchenbude abnehmen und zur Reparatur (Reißverschluss) zum Polsterer geben, reparierte Kuchenbude aufbauen, Außenbordmotor zur Inspektion geben, Wäsche waschen, Wassertanks leeren und reinigen, Teppich reinigen, Kühlbox abtauen, Thermoskannen und Wasserkocher entkalken, Abdeckplanen anbringen, Koffer packen

Gut verpackt

Einkaufen entfällt weitgehend, denn wir haben uns in Piräus gut und preiswert mit Lebensmitteln eingedeckt. Eine gute Entscheidung, da wir bis zum nächsten Supermarkt eine halbe Stunde bergauf laufen müssen!

Ansonsten haben wir es mit Kanonis Boatyard (www.kanonisboatyard.gr) gut getroffen. Im bisher preiswertesten Winterlager können wir bis zur Abreise an Bord wohnen, haben Duschen und Toiletten, Wifi (beim Büro) und eine WASCHMASCHINE, die kostenlos benutzt werden darf. Herr Kanonis spricht natürlich englisch, vermittelt den Kontakt zu Werkstätten, bestellt das Taxi für die Fahrt zur Fähre in Aegina Stadt oder fährt einen sogar selbst dorthin, wenn er gerade Zeit hat. Und im Frühjahr dürfen wir selbstverständlich das Unterwasserschiff selbst streichen (was ja in Italien eigentlich streng verboten ist).

Kein Wunder, dass hier ein Schiff nach dem anderen aus dem Wasser gehoben und an Land gestellt wird. Dabei gibt es noch zwei andere Werften, die ebenfalls gut zu tun haben: Der (teure) Planaco Boatyard gehört zur K&G Med Marinas Group, die auch die Marinas in Lefkas, Gouvia/Kofu und Zea/Piräus betreibt und die Asprakis Bootswerft.

Auf dem Gelände überwintern Schiffe aus aller Welt und auf dem Bücherbord neben der Waschmaschine stehen Bücher in englischer, französischer, dänischer und deutscher Sprache. Ich habe gleich meinen gruseligen Krimi „Der Totschläger“ dazugestellt und mir dafür „Die Kunst zu überleben/Survival“ von Rüdiger Nehberg herausgenommen.

Heinz hat vor vielen Jahren gemeinsam mit „Sir Vival“ in Trittau/Schleswig-Holstein den Sportbootführerschein gemacht. Nehberg, der in Rausdorf bei Trittau wohnt, wollte sich damals auf seine Fahrt mit dem Tretboot über den Atlantik vorbereiten. Auf einem Diavortrag habe ich den Überlebenskünstler dann persönlich kennengelernt.

Ein paar Tage später hole ich mein Taschenbuch aber wieder aus dem Regal und stecke es Franz als Bettlektüre in einen seiner Schuhe, die unter seiner „Dehler“ an der Leiter stehen. Ich hoffe nur, dem ehemaligen Kripo-Beamten blieben in der Vergangenheit solch abscheuliche Verbrechen wie im „Totschläger“ erspart!

Franz hat seine Yacht ebenfalls zum Überwintern in den Kanonis Boatyard gebracht. Er segelt schon längere Zeit in Griechenland und ist dabei mit wechselnden Crews unterwegs. Nun ist seine letzte Crew nach Deutschland zurückgeflogen und Franz ist wieder allein. Als ich vor dem Büro sitze und im Internet surfe, fragt er mich nach dem Zugangscode. So kommen wir ins Gespräch und als ich ihm erzähle, dass wir für zwei Tage ein Auto mieten wollen, möchte er sich gerne für einen Tag anschließen.

Obwohl Franz die Insel Aegina schon kennt, entlocken ihm die Ausblicke aus dem Auto immer wieder den Ausruf: „Mein Gott, haben die ein schönes Land!“

Blick auf die Bucht von Agia Marina an der Ostküste

Das trifft den Nagel auf den Kopf!

Aegina gleicht nämlich einem griechischen Mikrokosmos. Alles, was es im Land zu sehen gibt, findet sich hier im Kleinen wieder: Malerische Hafenstädte mit blitzblanken Häusern und bunten Fischerbooten. Kristallklares Wasser, das in unterschiedlichen Blautönen schillert. Steile Berge und fruchtbare Täler mit Oliven, Feigen, Mandelbäumen, Zitrusfrüchten und Pistazienbäumen. Antike Tempel, prächtige Klöster und alte Ruinen-Städte. Pinienwälder, in deren Schatten Alpenveilchen und Herbstzeitlose blühen. Stille Dörfer, in denen aufgeregt bellende Hunde hinter hohen Mauern wachen und zutrauliche Katzen, die unter den lila und weißen Ranken der Bougainvillea dösen. Ziegen mit gewaltigen Hörnern und prallem Euter, die trotz der Trockenheit immer noch ein „Blättelein“ finden, wenn sie übers „Gräbelein“ springen.

Ziegenherde

Wie oft in Griechenland, sind die Nebenstraßen holprig und von Schlaglöchern übersät. Aegina besteht leider nur aus „Nebenstraßen“, doch unser kleines Auto ist Kummer gewöhnt. Auf der Suche nach dem Aphaia Tempel kurven wir bergauf und bergab.

Auf einem bewaldeten Hügel finden wir schließlich dieses Meisterwerk der dorischen Architektur, das zwischen 500 und 490 v. Chr. an einem uralten Kultplatz erbaut wurde. Die Nymphe Aphaia war eine Gottheit, die seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. auf Aegina heimisch war und nur hier verehrt wurde. Sie galt als Tochter des Zeus und war der jungfräulichen Artemis ähnlich. Die meisten Skulpturen des Tempels befinden sich aber nicht in Griechenland sondern sind in der Glyptothek in München zu bewundern.

Heinz und Franz vor dem Aphaia Tempel

Rund um den Tempel leuchten die wilden Alpenveilchen

Nachdem wir die Baukunst der alten Griechen und die wunderschöne Aussicht bis zum Kap Sounion an der Südspitze Attikas genossen haben, fahren wir nach Palaia Chora. Wegen der Sarazenenüberfälle flüchteten die Einwohner Aeginas ins Innere der Insel und gründeten auf einem steilen Hügel im 9. Jahrhundert n. Chr. die neue Inselhauptstadt. Sie war 1000 Jahre bewohnt und zählte zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert über 300 Kirchen und Kapellen, von denen heute noch 35 Steinkirchen stehen.

Palaia Chora

Von der Teerstraße führt uns ein Wanderpfad zu den Kirchen. Eine rotweiße Katze mit buschigem Schwanz miaut uns gleich zu Anfang freundlich an und begleitet uns wie ein Hündchen von Kirche zu Kirche.

Unsere kleine Fremdenführerin zeigt uns eine Kirche mit Steindach

In den Kirchen finden sich Reste von alten Fresken, die jedoch dem Verfall preisgegeben sind.

 

An den Wänden und in den Nischen hängen und stehen Ikonen. Sie bestehen teilweise aus Silber, doch es gibt keine Wächter, die auf die Schätze aufpassen.

 

Eher würde wohl einem Griechen die Hand abfallen, als dass er hier etwas stehlen würde! Stattdessen überraschen wir einen jungen Mann, der gerade die Kerzen in den drei Kandelabern vor der Altarwand entzündet hat. Wahrscheinlich war dieses „Rauchopfer“ mit einer Bitte an den Heiligen dieses Kirchleins verbunden. Aber ansonsten sind hier nur wenige Pilger unterwegs.

Ganz hinauf zum Castello auf der Spitze des Hügels klettern wir nicht, denn der Weg wird immer steiler und beschwerlicher. Unsere Mietze hat sich schon längst verabschiedet und wir sehen sie auch nicht mehr wieder, als wir wieder ins Auto steigen und ein Stück hinunter zur nächsten Attraktion von Aegina fahren: Kloster Sankt Nektarios.

Wie aus dem Lego-Baukasten: Kloster Sankt Nektarios

Selbst Franz aus dem katholisch geprägten Niederbayern hat noch nie von einem heiligen Nektarios gehört. Aber in der griechische-orthodoxen Kirche, der 90 % der Bevölkerung angehören, scheint er eine wichtige Rolle zu spielen, denn dieses Nonnenkloster ist ein berühmter Wallfahrtsort.

Nachdem wir uns vorschriftsmäßig gekleidet haben, betreten wir die Klosterkirche.

Auch der Käptn muss seine nackten Beine mit einem Rock verhüllen

Eine Gruppe schwarz gekleideter Nonnen singt vor dem Altar. Ihnen folgen einige Mönche. Als ihr mehrstimmiger Gesang ertönt, ist mein erster Gedanke: Die „Don Kosaken“ im Mönchsgewand!

Sie machen Fotos mit dem Smartphone und ziehen weiter in eine Nebenkapelle. Die Kuppel ist prächtig bemalt und zeigt wohl das Totenbett des heiligen Nektarios, der von vielen geistlichen Würdenträgern umgeben ist. Darüber erhebt sich ein riesiges Christusbild mit Engeln. Direkt darunter steht unter einem silbernen Baldachin ein silberner Schrein, in dem sich eine Reliquie des Heiligen befindet. Dieser wird von den Mönchen umringt. Sie beten, sie singen, sie knien und sie küssen den Schrein. Ihr Gesang erzeugt Gänsehautgefühl.

Schrein des heiligen Nektarios mit Mönch

Danach fotografieren sie den Raum mit dem Smartphone. Einige Mönche lassen sich sogar vor dem Schrein ablichten. Verwunderlich: Meist ist das Fotografieren an solchen „heiligen Orten“ untersagt. Aber für die russischen Mönchsbrüder mit dem „CD“ auf dem Nummernschild der schwarzen Limousine (wir sehen, wie sie später im Hof ins Auto steigen) wird heute eine Ausnahme gemacht.

Wir beschließen den schönen Tag mit einem Abendessen in Aegina Stadt und erstehen an einem der Verkaufsstände noch ein paar Beutel Pistazien für die Lieben daheim, denn auf dieser fruchtbaren Insel wachsen die größten Pistazienhaine Europas.

Pistazien. Wenn die Schale aufplatzt, kommt die Pistazie zum Vorschein

Am nächsten Tag fahren wir in den Süden nach Perdika. In diesem malerischen Fischerhafen kann man auch mit seiner Yacht anlegen.

Perdika

Im Sommer tobt hier das touristische Leben, doch jetzt sitzen nur wenige Gäste in den Tavernen und die Wirte schauen uns erwartungsvoll an, wenn wir an ihnen vorbeigehen.

Das Wasser um Perdika (links) und die Insel Moni schimmert wie ein blau-grüner Edelstein. Dahinter erhebt sich die Halbinsel Methana am Pelepones.

Franz hat uns ein kleines Cafe´ direkt am Hafen empfohlen. Dort trinken wir einen guten Kaffee und genehmigen uns eine Waffel mit Eis bzw. Joghurt und Honig. Die Waffel gleicht eher einem kleinen Kuchen, den wir beim besten Willen nicht aufessen können.

Frisch gestärkt machen wir uns jetzt auf den Weg zur Ostküste und kommen nach Portes. Hier gibt es einen winzigen Fischerhafen, den keine Kielyacht anlaufen kann, weil das Wasser vielleicht einen halben, maximal einen Meter tief ist. Dafür kann man aber gut bis zum Grund sehen!

Da tummeln sich Schwärme von kleinen Fischen. Die Steine auf dem Meeresboden sind mit Seeigeln gespickt, dazwischen schwimmen „ausgeweidete“ Seeigelgehäuse. Wer hier wohl solchen Appetit auf die stacheligen Gesellen hat? – Plötzlich bewegt sich etwas Größeres auf dem grauen Sand. Ich beuge mich tief hinunter. Da schaut mir doch ein großer Octopus in die Augen!

Schnell ein Foto, bevor er sich verkrümelt!

Ein stattlicher Octopus vulgaris

Aber das Gegenteil ist der Fall. Der Tintenfisch legt sich platt auf den Bauch und spreizt alle Fangarme von sich. Als wolle er zeigen, wie schön er ist! Dann legt er die Fangarme eng zusammen, stößt sich ab und gleitet wie ein Pfeil unter ein Boot.

„Schade!“ denke ich, doch da krabbelt er wieder hervor. Nun hangelt er sich an einem Festmacher hoch und setzt sich auf ein Knäuel aus Stoff und Seegras. Er kommt mir regelrecht entgegen bis dicht unter die Wasseroberfläche, obwohl ich ihn ständig knipse.

Auf dem Knäuel

Dann hat er wohl genug gesehen, dreht sich langsam um, macht wieder den Pfeil und verschwindet endgültig unter einem Fischerboot.

Wie kann man nur so ein neugieriges, zutrauliches Lebewesen aus dem Wasser ziehen, dann brutal auf Steine schlagen, um es weich zu klopfen, es in Ringe schneiden, panieren, in heißem Fett ausbraten und mit Knoblauchmajonäse verspeisen? Wer einmal einem Octopus in die Augen geschaut hat, kann das nicht mehr!

Ich wünsche dem Tintenfisch viel Glück in seinem kleinen Fischerhafen und hoffe, er liebäugelt nicht mit dem Falschen! Dann fahren wir wieder hinauf in die Hügel von Aegina, dessen höchste Erhebung 532 m über dem Meeresspiegel emporragt. Auf etwa 200 m Höhe finden wir ein kleines Dorf, das sich mit seinen braun-grauen Feldsteinen in den Hügeln versteckt.

Das Bilderbuch-Dorf in den Bergen

Fast alle Häuser sind liebevoll restauriert. Sie stehen entlang der unbefestigten Wege, haben Feldsteinmauern, bunte Fensterläden und wunderschöne schattige Innenhöfe mit Granatapfelbäumen und Oliven. Mitten im Dorf steht eine weiße Kirche. Etwas abseits findet sich noch eine Feldsteinkapelle. Es gibt jede Menge bellende Wachhunde und zutrauliche Katzen, aber kaum Menschen. Wahrscheinlich gehören die Häuser wohlhabenden Athenern, die hier ihre Ferien verbringen.

Ein besonders schöner Innenhof mit Meerblick für die Bronzedame auf der Mauer.

Dem Käptn könnte es schon gefallen, das alte Haus am Dorfrand zu neuer Schönheit zu erwecken. Doch so hübsch es hier auch ist: Auf die Dauer wäre das nichts für mich. Zu abgeschieden und zu weit von Hamburg entfernt.

Das Haus und die Katze warten noch auf neue Besitzer

Und da gibt es ja auch noch den Müll, der sich über die ganze Insel verteilt. Da schaut man beim Wandern besser nicht in den Straßengraben sondern lenkt lieber den Blick in die Ferne. Dorthin, wo die untergehende Sonne das blaue Meer mit silbernem Ikonenglanz überzieht.

Franz ist mittlerweile wieder in Niederbayern und  auch wir sind  heute wieder  in Hamburg gelandet.

Mit diesem Blog endet nach 1309,2 Seemeilen unser viertes Reisejahr mit der Anima mea. Es war eine sehr interessante, ereignisreiche Zeit in den beiden wunderschönen Mittelmeerländern Italien und Griechenland. Wir gehen davon aus, dass es auch unseren Lesern gefallen hat, denn die Anzahl der Klicks und der Besucher ist beträchtlich gestiegen.

Vielen Dank für das Interesse, besonders für die Kommentare und die Likes!

Und: Kiek mol wedder in!

 

6 responses

    • Hallo, Susanne und Peter,
      auch wir haben manchmal ganz gerne festen Boden unter den Füßen und sind schon gespannt, wie es uns demnächst bei der Umrundung des Kap Malea ergehen wird. Hoffentlich ist es dann dort nicht so stürmisch wie bei eurem Besuch! Aber noch sind wir auf „Heimaturlaub“ und haben Zeit, in eurem schönen Blog zu stöbern.
      Weiterhin gute Reise mit eurem „Dicken“ und liebe Grüße aus dem kalten Hamburg von Christine und Heinz

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