21.08.2017 – Durch den Isthmus

Am Samstag, den 19.08., klingelt der Wecker um kurz vor fünf Uhr morgens.

Es ist noch stockdunkel, aber windstill. Wir haben alles für die Abfahrt vorbereitet, lösen die Festmacher und verlassen die Hafenmauer von Ormos Isidorou. Um 9:40 Uhr haben wir den Alkyoniden-Golf am östlichen Ende des Golfs von Korinth erreicht. An Backbord öffnet sich der stark gegliederte Kolpos Domvrainis, in dem wir gerne ankern würden. Aber der Wetterbericht sagte für heute noch starke Fallböen für diesen Küstenabschnitt mit den steilen, karg bewachsenen Berghängen voraus.

Als wir nach Steuerbord zu den kahlen Alkyoniden-Inseln hinüberschauen, taucht kurz vor dem Bug ein Delfin auf. Der hat wohl gar nicht mit uns gerechnet in dieser gottverlassenen Gegend! Oder war es etwa Appolon Elphinos persönlich, der uns kurz vor dem Kanal von Korinth verabschieden wollte? Jedenfalls erfüllen uns Begegnungen mit Delfinen immer mit Freude und Zuversicht.

Nun steuern wir auf die grüne Südseite des Alkyoniden-Golfs zu. Hier wurde ein natürlicher Küsteneinschnitt mit einem langen Wellenbrecher abgeschlossen, hinter dem sich der kleine Hafen Mavrolimni verbirgt.

Bei der Einsteuerung ist größte Vorsicht geboten, denn links und rechts der schmalen Einfahrt erstrecken sich Felsenriffe. In der Einfahrt beträgt die Wassertiefe maximal 2,50 m, aber gleich dahinter zeigt der Tiefenmesser wieder Tiefen zwischen 10 und vier Metern an.

Unser Hafenführer hat uns Mooringleinen versprochen. Eine Seltenheit in griechischen Häfen! Brauchen wir also nur noch eine hilfreiche Hand, die uns an Land die Vorleinen abnimmt.

Und da nähert sich über den Wellenbrecher auch schon ein rotes Auto. Ein Mann steigt aus und winkt uns zu. Dann geht er zu einem freien Platz und weist uns ein. Zuerst müssen wir eine gelbe Boje ansteuern und „fangen“. Denn an ihr hängt die erste Mooringleine. Gott, ist das Ding schwer!

Während der Käptn versucht, die Mooringleine an der Heckklampe zu belegen, muss ich das Boot auf Kurs halten und dann nach vorne rennen, um die zweite Mooringleine vom Helfer, der lautstark Anweisungen auf Griechisch gibt, entgegenzunehmen. Der Käptn nimmt sie mir ab, ich werfe dem Helfer auf der Mauer die Vorleinen zu, nehme sie an Bord zurück, belege sie und stolpere wieder nach hinten. Hier kämpft der Käptn gerade mit dem Belegen der zweiten Mooringleine. Gemeinsam schaffen wir es, sie über die Klampe zu ziehen. Danach sind wir beide schweißgebadet und außer Atem!

Der griechische Helfer plaudert munter weiter, obwohl wir immer wieder mit den Achseln zucken. Dann öffnet er einen Wasserhahn direkt vor uns. Toll, wir haben also Süßwasser direkt vor der Haustür.

Schnell hole ich das Elektrokabel mit dem Stecker heraus. Der Mann versteht und zeigt auf den nächstgelegenen Stromkasten, den er nun öffnet. Doch leider passt unser Stecker nicht in den Anschluss. Auf Griechisch wird uns klargemacht, dass wir einen Adapter brauchen. Mit Händen und Füßen erklären wir, dass wir einen solchen nicht haben. In einer Art Gebärdensprache erklärt der hilfsbereite Grieche, dass er versuchen will, einen Adapter aufzutreiben. In Gebärdensprache frage ich zurück, was wir für all den Komfort bezahlen müssen. „Nichts!“ wird uns mit einer Handbewegung klargemacht. „Efcharisto!“ sage ich und kann mich wenigstens in der Landessprache bedanken.

Dann entschwindet die gute Seele mit dem Auto und wir machen eine Hafenbesichtigung. Außer ein paar verlassenen „Spaßbooten“ gibt es noch einige Fischer im Hafen. Die Taverne am Ende der grünen Idylle mit dem glasklaren Wasser ist schon längst geschlossen und mit Graffitis besprüht. Auf der schattigen Terrasse eines weiteren Gebäudes haben sich ein paar alte Griechen zum Plausch eingefunden, die uns freundlich grüßen.

Dann kehrt unser Helfer zurück. Leider konnte er keinen passenden Adapter auftreiben. Wir bedanken uns für die Hilfe und signalisieren, dass es kein Problem ist. Schließlich wollen wir nur eine Nacht bleiben.

Dann schließen wir unseren Wasserschlauch an. Aus der Leitung kommt warmes Wasser ohne Ende. Ich nutze die Gelegenheit für eine kleine Handwäsche. Dann nehmen wir ein Bad im sauberen Hafenwasser und duschen uns warm ab. Keine wirkliche Erfrischung bei 34° C Außentemperatur. Schließlich werden noch alle leeren Wasserflaschen und der Tank aufgefüllt.

Als die Sonne untergeht, stelle ich mich an den Herd und schmore Paprika und Zwiebeln mit Tomaten aus der Dose. Der Käptn grillt sich im Cockpit auf unserem Gasgrill ein paar Würstchen dazu, ich fülle meine Gemüseportion mit Nudeln auf. Die stille Nacht mit tausenden glitzernden Sternen bricht herein und wir schlafen gut, bis am nächsten Morgen um kurz vor sechs Uhr der Wecker klingelt.

Auch um diese Zeit ist es noch dunkel. Wir lösen die Leinen und tasten uns vorsichtig aus dem Hafen hinaus. Dann nehmen wir Kurs auf den Kanal von Korinth, den wir nach etwa 23 Meilen erreichen.

 Ak Melangavi: Dahinter öffnet sich die Bucht von Korinth, an deren Ende die Einfahrt zum Kanal liegt.

Bisher hatten wir das Gefühl, das einzige Schiff weit und breit zu sein. Doch jetzt strömen plötzlich immer mehr kleine und große Boote in Richtung Kanaleinfahrt.

Ich schalte das Funkgerät ein. Auf Kanal 11 herrscht lebhafter Funkverkehr. Etwa 15 Minuten vor der Einfahrt melde ich mich über Funk bei Isthmia Pilot und bitte um die Erlaubnis, mit der Anima mea in den Kanal einfahren zu dürfen. Wir sollen vor der Einfahrt warten und „standby“ bleiben. Dann leuchtet neben der schwarz-gelb gestreiften Hebebrücke die grüne Ampel auf und aus dem Funkgerät ertönt in Englisch: „Anima mea proceed to the entrance with high speed!“

Die hydraulische Hebebrücke versinkt im Wasser und gemeinsam mit einem kleinen Motorboot streben wir der Öffnung zu. Das kleine Motorboot kann noch mehr „speed“ machen als wir und fährt vor.

Kaum sind wir durch die Einfahrt, schließt sich hinter uns wieder die Hebebrücke.

Dann beginnt die Fahrt durch den 6,3 km langen und 25 m breiten Kanal, der in ein 79 m hohes Kalksteinmassiv geschnitten wurde. An den Straßen- und Eisenbahnbrücken, die den Kanal überspannen, beträgt die maximale Durchfahrtshöhe 52 m.

Eine der Brücken überspannt die Steilwände

Allmählich werden die Wände links und rechts des türkisblauen Wassers immer höher und steiler. Wir müssen den Kopf in den Nacken legen, um bis zur Oberkante zu schauen, wobei der Käptn nicht zu oft hochgucken darf. Im schmalen Kanal herrscht nämlich ganz schön Strömung und er muss sich auf´s Steuern konzentrieren.

Käptn Heinz

Schon mal im Geschichtsunterricht das Wort „Isthmus“ gehört? Wenn ja, dann wahrscheinlich im Zusammenhang mit Octavianus, dem späteren Kaiser Augustus.

Als wir in Preveza waren, berichtete ich von der Seeschlacht bei Aktium. Dort flüchtete Marcus Antonius mit seiner Kleopatra und deren Flotte 31 v. Chr. vor Octavianus zurück nach Ägypten. Doch Octavianus war der Sieg bei Aktium nicht genug! Er verfolgte die Feinde und wollte ihnen den Weg abschneiden, indem er durch den Golf von Patras und den Golf von Korinth segelte und dann seine Schiffe über die Landenge, durch die später der Kanal gestochen wurde, schleifen ließ. Diese Schleifbahn über den sogenannten Isthmus (Landenge) hieß in der Antike „Diolkos“.

Schon damals machte man Pläne für einen Kanalbau, doch lediglich Kaiser Nero begann damit. Das sollten 6000 jüdische Zwangsarbeiter für ihn bewerkstelligen. Doch der Aufstand in Gallien kam Nero dazwischen. Er konnte nicht auf zwei Hochzeiten tanzen und brach sein Vorhaben ab.

Im Jahre 1882 begann eine französische Gesellschaft mit dem Bau des heutigen Kanals. Beendet wurde er 1893 von einer griechischen Gesellschaft. Nachdem die Wasserstraße zwischen Festland und Peleponnes im zweiten Weltkrieg schwer beschädigt wurde, erweiterte man sie nach der Reparatur. An der höchsten Stelle wird der Kanal von einer Eisenbahn- und einer Straßenbrücke überspannt, auf der sich auch heute wieder viele Menschen versammelt haben, um ein Foto von einem passierenden Schiff zu schießen. Heute sind wir das Fotomotiv, denn weit und breit ist kein anderes Schiff unterwegs.

Als wir unter der Brücke durch sind, ertönt ein lauter Schrei hinter uns. Ich drehe mich um und sehe, wie ein Bungee-Springer an seinem Seil über dem Kanal baumelt. Immer wieder wird er hochgezogen, um danach erneut in die Tiefe zu sausen. Wie kann man nur einen Kopfsprung aus 70 Meter Höhe machen und dafür auch noch Geld bezahlen?

Bungee-Springer

Das kleine Motorboot vor uns ist schon durch die Öffnung am Kanalende durchgefahren und der Käptn gibt Gas. Kaum sind wir durch, schließt sich wieder die schwarz-gelbe Barriere und der Kanal ist verschlossen.

Nun legen wir am Kai rechts hinter der Hebebrücke an. Hier ist der Kontrollturm der Kanalverwaltung. Im Untergeschoss befindet sich das Büro, in dem ich die Kanalgebühr bezahlen muss. Dazu lege ich das Flaggenzertifikat vor, wonach die Gebühr für uns berechnet wird. Einschließlich 24 % Mehrwertsteuer macht das 124,58 Euro. Vermutlich ist der Kanal von Korinth der teuerste Kanal der Welt. Aber den Griechen sei´s gegönnt, denn er ist wirklich eine Attraktion!

Nun sind wir in der Ägäis angekommen. Dieses Seegebiet trennt geografisch gesehen Europa von Asien und kann dem Segler das Leben schwermachen. Denn hier ist das Reich des Meltemi. So heißt der Wind, der im Sommer regelmäßig aus Norden kommt und meist mit 4 bis 6 Beaufort, gerne aber auch heftiger weht. Hier werden wir noch etwa zwei Monate verbringen und dann unsere Anima mea auf der Insel Aigina im Saronischen Golf ins Winterlager bringen.

 

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