Nach zwei anstrengenden Ausflugstagen und zwei Nächten Hafendisco bis halb drei Uhr morgens habe ich erstmal genug von der Zivilisation und möchte nur noch meine Ruhe. Aber die Schapps und die Kühlbox sind leer. Auch die Trinkvorräte gehen langsam zur Neige, so dass wir vor „the big jump“ nach Crotone an der Stiefelsohle Italiens nochmal einkaufen müssen.
Übermüdet quäle ich mich am Montagmorgen aus der Koje. Der Käptn leidet nicht so sehr unter Lärm und Schlaflosigkeit und hat schon das Kaffeewasser in die Thermoskanne gefüllt. Ein starker Nescafe´ weckt meine Lebensgeister.
Nach dem Frühstück wird der Hackenporsche aus der Hundekoje gekramt, der Rucksack geschultert und nach Läden gesucht. Wir sind zwar schon den dritten Tag in Catania, kennen aber nur den Weg zur Busstation und zum Bahnhof entlang der „Raserstrecke“. Nicht sehr einladend, was da so am Wegesrand steht. Und auch die Busfahrt zum Ätna durch Catanias Hinterhöfe machte kaum Lust auf diese Stadt.
Wie gewohnt, laufen wir auf der Suche nach einem Supermarkt erst mal in die Richtung, die uns bekannt ist. Irgendwo wird sich in einer Seitenstraße schon ein Supermarkt finden…
Wir laufen und laufen und sind schließlich wieder am Bahnhof. Nichts! Dann laufen wir parallel zur „Raserstrecke“ eine andere „Raserstrecke“ zurück. Monotone Wohnblocks, viele Afrikaner. Kein Supermarkt.
Wir kommen an übervollen Müllcontainern und abbruchreifen Wohnhäusern vorbei. Aus einem Hinterhof dringt lautes Stimmengewirr. Dann sehen wir jede Menge Menschen in den Ruinen. Alles afrikanische Flüchtlinge. Hier leben sie also…
Dann entdecken wir endlich einen Supermarkt. Deckenhohe Regale, vollgestopft mit Waren. In den engen Gassen zwischen den Regalen quetschen wir uns mit dem Einkaufswagen an Afrikanern und Einheimischen vorbei. Wohlhabend ist hier garantiert keiner!
Man schaut uns an wie Außerirdische. Touristen verirren sich wohl eher selten in diesen italienischen „Pennymarkt“.
Der Käptn bekommt Platzangst, schiebt seinen Einkaufswagen wie ein Gehetzter um die Haarnadelkurven der Gänge und drängt zur Kasse. Da muss ich ganz schnell zusammenraffen, was auf dem Einkaufszettel steht, sonst kriegt er seinen gefürchteten Einkaufskoller!
Trotzdem: Ich habe es geschafft, den Wagen vollzupacken. Wurst und Käse sind – völlig unitalienisch – in Plastikfolie eingeschweißt. Eine Auswahl billigster Weine – es gibt einfach keinen über zwei Euro – wird im Hackenporsche versenkt. Wasser und Brot haben wir auch, aber Obst und Gemüse gibt es hier nicht. Dann die Überraschung: Noch keine 50 Euro kostet dieser Lebensmittelberg!
Als wir das Geschäft verlassen, wissen wir überhaupt nicht mehr, wo wir sind und in welche Richtung wir gehen müssen. Doch ein kleines Stück weiter werden die Wohnblocks ansehnlicher. Ich entdecke einen Bankautomaten und möchte noch etwas Bargeld ziehen, aber dem Käptn ist die Ecke hier noch nicht ganz koscher und so beschließe ich, mein Vorhaben später umzusetzen.
Auf der Suche nach einem Obst- und Gemüseladen biegen wir in eine holprige Seitenstraße ein. Dann in die nächste und wieder in die nächste. Es ist eine Qual, mit dem Hackenporsche auf den schmalen Gehwegen zu laufen. Die Kantsteine sind oft nicht abgesenkt oder genau dort parkt ein Auto, so dass es mühsam ist, vor und nach einer Straßenüberquerung vom Gehweg runter bzw. wieder hinauf zu kommen.
Dann entdecke ich einen dieser typischen Winzigläden, die Brot in allen Sorten und selbstgemachte Fertiggerichte verkaufen. Drei Personen teilen sich die Arbeit in diesem Geschäftchen. Der eine berät, der andere unterstützt die Beratung durch ergänzende Bemerkungen, die Frau kassiert.
Ich erstehe den kläglichen Rest einer einladend appetitlichen „caponata“, ein mit Schinken und Käse gefülltes Brötchen, ein Pizzabrot und ein „arancine“. Obst und Gemüse habe ich noch immer nicht. Der Käptn scharrt mit den Hufen. Aber was soll´s…
Buffet mit sizilianischen Spezialitäten: Links die „arancine“ genannte Reiskugel, paniert und mit Fleisch gefüllt. Vorne das gefüllte Brötchen und rechts das typische Pizzabrot. Hinten die „caponata“, ein süßsauer abgeschmecktes Auberginengemüse mit Kapern, Tomaten, Oliven und Kräutern.
An einer Ecke steht ein fliegender Händler mit knallroten Kirschen, prallen Nektarinen, leuchtenden Aprikosen und kleinen Wassermelonen. In den Beutel kommen acht Nektarinen und eine Wassermelone.
Weiter! Wir brauchen noch Gemüse!
Schließlich lande ich wieder beim Höker an der Ecke am Hafen. In seinem Kühlschrank finden sich nur Cherrytomaten und kleingeschnittener Mischsalat in der Plastikschale. Ich nehme beides widerwillig mit. Besser als gar nichts.
Ach ja, Geld haben wir auch noch nicht gezogen! Aber es war ja auch weiter kein Bankautomat zu sehen. Hoffentlich müssen wir das Hafengeld nicht bar bezahlen!
Man kann es sich schon denken: Wir müssen bar bezahlen. Der Club Nautico verfügt über kein Kartenlesegerät. Der Marinero erklärt uns, wo ein Bankautomat sein soll. „Bei der Farmacia ganz in der Nähe!“
Nachdem alle Schätze an Bord verstaut sind, machen wir uns erneut auf den Weg. War da nicht eine Farmacia an der „Raserstrecke“ Richtung Bahnhof? Also rechts rum und immer weiter…Nee, die war wohl doch nicht hier… Also erst mal wieder Richtung Billigmercato…Mensch, hätten wir doch an dem blöden Bankautomaten vorhin Geld gezogen…Ich kann und will jetzt nicht mehr!
Der Käptn hört solches Genöle gar nicht gern und wird langsam richtig sauer. Immerhin sind wir inzwischen auf einer belebten Einkaufsmeile gelandet. Ich frage eine Passantin nach einem Bankautomaten und werde fündig. Ein paar Schritte weiter können wir endlich Bargeld ziehen.
Dann gehen wir weiter und plötzlich stehen wir auf dem Domplatz mit dem schwarzen Lavaelefanten. Ringsherum stehen die riesigen Barockpaläste des Adels und der hohen Geistlichkeit.
„Eines der ästhetischsten und lebendigsten Ensembles der Insel!“ lese ich später im Reiseführer.
Ohne die Suche nach einem Bankautomaten hätten wir es doch glatt verpasst und Catania wäre als relativ hässliche Stadt mit zwei lauten Hafendiscos in unserer Erinnerung geblieben.