30.05.2017 – Quel couleur!

ruft die Französin, als sie am Ende des Corso Vittorio Emanuele neben mir ankommt, die Hände auf das Geländer legt und hinunter auf den Strand des „Mare Piccolo“ schaut. Das „kleine Meer“ vor uns schimmert unglaublich türkisgrün und färbt sich in der Ferne dunkelblau, während es unten in der Schwindel erregenden Tiefe wie eine frisch geputzte Fensterscheibe den hellgelben Sandstrand überspült. So klar, dass man glaubt, dort jedes einzelne Sandkörnchen erkennen zu können.

Links steht auf der Isola Bella die Kirche Santa Maria dell´Isola, das Wahrzeichen von Tropea. Dahinter erhebt sich aus dem Dunst der Vulkankegel der Insel Stromboli, auch heute von einem Rauchwölkchen gekrönt.

 Isola Bella mit Stromboli in der Ferne

Nachdem wir am Samstag das hübsche Pizzo besichtigt hatten, sind wir am Sonntag erstmal zum Nichtstun verurteilt. Mit den Verkehrsverbindungen steht es hier in Vibo Valentia nämlich nicht so gut. Besonders am Sonntag fahren kaum Züge in die Nachbarorte und Busse offensichtlich gar nicht. Es bleibt uns nichts andres übrig, als im Tabakladen von Vibo Valentia Zugfahrkarten für Montag zu kaufen und eine Runde durch den Ort zu drehen. Hier kann man zwar gut einkaufen und auch Eis sowie Tartufo de Pizzo essen, aber sonst gibt es in Vibo Marina – das eigentliche Vibo Valentia liegt weiter im Landesinnern – nichts zu tun.

Am Montagmorgen haben wir noch Zeit, ein paar Kanister Diesel an der nahegelegenen Autotankstelle zu besorgen. Dann gehen wir zu diesem gottverlassenen, abgeschrappten Bahnhof. Der Schalter ist verlassen, die Scheibe hat ein Einschussloch. „Italienische Bezahlung nennt man das“, witzelt der Käptn.

 

So gibt es hier weder einen Schalterbeamten noch einen Fahrkartenautomaten und auch die Toiletten sind verschlossen. In einem kahlen Warteraum stehen ein paar Stahlbänke. Auf dem Bahnsteig hängen die Fahrpläne mit den Ankunfts- und Abfahrtszeiten. Ich schaue den Schienenstrang rauf und runter und unwillkürlich ertönt die Melodie aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ (die mit der Mundharmonika) in meinem Kopf.

Hier wartet am Montag bereits eine Schar afrikanischer Flüchtlinge auf den Zug. Es sind ausnahmslos junge Männer mit und ohne Plastikbeuteln in den Händen. Trotz der Wärme tragen sie lange Hosen und dicke Kapuzenshirts. Einer von ihnen hat die Kapuze wie ein schützendes Dach über den Kopf gezogen und sitzt mit gesenktem Haupt auf einer Mauer. Ein anderer starrt mit einem so traurigen Gesicht in die Gegend, dass es einem in der Seele weh tut. Was hat dieser junge Mann wohl schon durchgemacht und was geht jetzt in ihm vor? Was treibt er hier den ganzen Tag? In einer Gegend, wo auch die Einheimischen wie sonst nirgendwo in Italien ihren täglichen Daseinskampf führen. Seit Rom haben wir nicht mehr so viele Bettler wie in Pizzo gesehen. Trotzdem: Als ein Afrikaner einen Einheimischen um eine Zigarette anbettelt, bekommt er sie wie selbstverständlich zugesteckt.

Dann fährt endlich der Regionalzug nach Tropea ein. An den nächsten Stationen steigen immer mehr Touristen, meist Deutsche, zu. Hier, in Briatico und Zambrone finden sich mehrere Resorts und viele Hotels, die mit der Bezeichnung „Costa degli Dei“ – Küste der Götter – um Besucher werben.

Einige der Flüchtlinge und fast alle Touristen steigen mit uns in Tropea aus. Nach einer Viertelstunde stehen wir dann an der eingangs erwähnten „Viletta“, ohne zu wissen, dass wir mit dem Blick über dieses Geländer bereits das Highlight von Tropea gesehen haben.

Ehrlich gesagt: Wir haben schon schönere Orte besucht als das in Reiseführern hochgelobte Tropea. Agropoli oder Gaeta, die ebenfalls auf einem Felsen hoch über dem Meer mit engen Gassen und tollen Ausblicken aufwarten können, waren hübscher herausgeputzt als die eintönig lehmgelben Häuser und bröckelnden Palazzos hier. Fast jedes Gebäude ist eine Baustelle, was ja einerseits erfreulich ist, wenn die Bausubstanz dadurch erhalten wird und Arbeitsplätze geschaffen werden. Gefühlt jedes Gebäude aber ist entweder ein Kleider-, Souvenir- oder Spezialitätenladen, eine Gelateria mit Tartufo de Pizzo, ein Cafe´, eine Pizzeria oder ein Restaurante.

 

Daneben gibt es noch einige Kirchen und eine Kathedrale, die in den Reiseführern besonders erwähnt wird. Leider alle geschlossen!

Nach einem schönen Blick auf den Porto Turistico 200 Treppenstufen tiefer bleibt uns nichts weiter übrig, als uns in ein Restaurant zu setzen, einen Salat zu essen und uns eine Pizza mit roten Zwiebeln aus Tropea zu teilen, um die Wartezeit bis zum nächsten Zug zu überbrücken. Trotzdem sind wir viel zu früh am Bahnhof, wo alle Bänke in der prallen Sonne stehen und die Trostlosigkeit frohe Urständ feiert. Eine echte Geduldsprobe für mich, wo ich schon die Krise bekomme, wenn ich in Hamburg zehn Minuten auf die U-Bahn warten muss!

In Vibo Marina haben wir dann noch ausreichend Zeit, bei Baldo und Spar jede Menge günstig einzukaufen, denn unser nächstes Ziel sind die Äolischen Inseln (Isole Eolie).

Wir bezahlen für fünf Nächte in dieser perfekten Marina (nur) 125 Euro und versprechen, auf unserer Rückreise in ??? Jahren wiederzukommen. Wir möchten jedem, der in diese Gegend kommt, die sichere Marina Stella del Sud wärmstens empfehlen. Der Familienbetrieb bietet superhilfsbereites Personal, eine hübsche Bar mit zivilen Preisen, Internet an Bord, Waschmaschine/Trockner und sehr gepflegte Sanitäranlagen, wo in der Duschkabine sogar weiße Frotteevorleger zur Verfügung gestellt werden.

 

Am nächsten Morgen legen wir um 8:30 Uhr ab. Der Wetterbericht verspricht eine längere Phase mit ruhigem Wetter. Da können wir den Sprung auf die Inseln des Windgotts Äolus wagen.

 

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