In Agropoli beginnt der Nationalpark Cilento e Vallo di Diano.
Schon dort fiel uns auf, wie sauber der Ort ist. Auch das Wasser war kristallklar und Müll schwamm weder im Hafen noch an der Küste herum. Die Aufschriften: Glas, Altpapier und Plastik/Aluminium auf den blauen, gelben und grünen Mülleimern waren nicht nur leere Worthülsen, sondern die Mülltrennung wurde tatsächlich ernst genommen!
Am Montag, dem 22. Mai verlassen wir Agropoli und fahren 18,6 Seemeilen weiter bis Acciaroli.
Die Fahrt durch das UNESCO Biosphärenreservat und Weltkulturerbe „Cilento“ führt zunächst an den hübschen Küstenstädtchen Santa Maria di Castellabate und San Marco di Castellabate mit langen Sandstränden vorbei. Dahinter erheben sich die grünen, mit kleinen Bergdörfern verzierten Hügel.
Dann nähern wir uns dem Kap Punta Licosa mit dem Meeresschutzgebiet Secche di Licosa. Die hellen, schroffen Felswände fallen steil ins Meer und setzen sich unter Wasser als Riff fort, das umschifft werden muss. Gelbe Tonnen markieren den Teil des Meeresschutzgebietes, der nur mit Sondergenehmigung befahren werden darf.
Punta Licosa
Um 12:30 Uhr erreichen wir Acciaroli. Auch hier weht die Bandiera Blu, die Blaue Flagge. Auch hier ist das Wasser klar und sauber, und wir teilen uns den Hafen ganz allein mit den Fischern. Der Hafenmeister hilft beim Festmachen an der Hafenmauer und kassiert vor Ort 40 Euro für die Nacht. Er nimmt auch unseren Elektrostecker entgegen und stellt fest, dass wir einen Adapter benötigen. Den haben wir leider nicht. – Kein Problem, er besorgt gleich einen und der Strom kann fließen. Pfand für den Adapter? – Nicht nötig, er vertraut uns. Wo ist die Dusche? – Er führt mich hin und läd eine Duschkarte auf, für die ich fünf Euro bezahle. Morgen früh um acht will er den Adapter und die Duschkarte abholen. Wifi an Bord gibt es nicht. Ein guter Grund, ins Cafe zu gehen, einen Aperol Spriz zu trinken und dabei zu surfen.
Acciaroli
In dem hübschen, blitzsauberen Ort gibt es auch einige kleine Geschäfte. Im Lebensmittelgeschäft finden wir würzigen Käse und ein paar Scheiben leckere Salami für den Käptn. Im Gemüse- und Obstladen lachen uns knallrote Kirschen, frische Pfirsiche, Aprikosen und duftende Tomaten an. Dann entdecke ich ein Regal mit eingelegtem Gemüse. „Hat meine Oma gemacht!“ verkündet der junge Geschäftsinhaber stolz. Na dann ist ja klar: Wir kaufen noch ein Glas in Öl eingelegte Artischocken!
Nichts deutet in diesem friedlichen Ort darauf hin, dass hier am 5. September 2010 der in Sachen Umweltschutz sehr engagierte Bürgermeister Angelo Vassallo ermordet wurde. Vermutlich hatte er sich mit seinem jahrelangen Wirken bei der Camorra unbeliebt gemacht. Wie schön, dass man hier sein Vermächtnis pflegt!
Am nächsten Morgen warten wir bis 8:15 Uhr auf den Hafenmeister. Dann schlagen wir den Strom ab. Die Duschkarte klemmen wir unter die Schutzklappe des Adapters und lassen ihn an der Steckdose baumeln. Als wir ablegen, braust der Hafenmeister mit dem Auto von seinem Angelplatz am Ende der Mole heran. Vor lauter Jagdeifer hatte er uns wohl vergessen. Nun winkt er freundlich zu uns herüber und sammelt den Adapter und die Duschkarte ein.
Unser nächstes Ziel ist das 27 Seemeilen entfernte Scario. Die Fahrt dorthin ist eine Augenweide! Besonders hinter dem Capo Palinuro bestaunen wir die wilde Küstenlandschaft, die den Vergleich mit der Amalfiküste nicht scheuen muss. Die zerklüfteten Berge liefern sich mit den Wolkenbergen einen wahrhaft dramatischen Auftritt. Doch so bedrohlich es auch aussieht, es weht kaum Wind.
Berge aus Wolken und Steinen
Also müssen wir nicht um unser Leben fürchten wie einst der Steuermann des Äneas, der hier über Bord fiel und an Land von den Eingeborenen erschlagen wurde. Ob sie wohl in einer der Höhlen auf den armen Palinuro gelauert hatten?
Wohnhöhle
Weiter geht es an der grandiosen Küste entlang, bis wir am Nachmittag den Leuchtturm vor dem Bilderbuchstädtchen Scario erreichen. Nach dem VHF – Anruf kommt der Marinero sofort mit dem Motorroller angebraust. Er nimmt die Leinen entgegen, fischt die Mooringleine heraus und schließt den Strom an. Er kassiert vor Ort 30 Euro cash, die Schiffspapiere will er nicht. Dusche und WC? Gibt es hier leider nicht. Was passiert wohl mit dem glasklaren Hafenwasser im Sommer, wenn der Ansturm der Touristen den Porto Scario überflutet? – Wifi an Bord gibt es auch nicht. Aber in der Hafenbar lässt es sich wieder prima bei Aperol Spriz (mit einer kleinen Palette verschiedener Leckereien gratis) surfen.
Scario bei Nacht
Als wir einen Bummel entlang der Hafenpromenade machen, spricht uns ein junger Mann an. Er empfiehlt uns die Pizzeria „Il Pirata“, nach der wir schon Ausschau gehalten hatten, da Rod Heikell sie in seinem Küstenhandbuch Italien erwähnt.
Wir bedanken uns für den Tipp, wollen aber zunächst noch im örtlichen Lebensmittelladen einkaufen. Das Geschäft entpuppt sich als kleines Delikatessenparadies! Beste Salami, schmackhafter Käse, der vor dem Kauf gekostet werden kann, Wein aus der Region und unser Lieblings-Antipasti: Eingelegte Zwiebeln!
Nun sind wir wieder gut versorgt mit den Zutaten der gesunden Mittelmeerdiät. Dass die ebenfalls zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde, ist auch das Verdienst des ermordeten Bürgermeisters aus Acciaroli.
Bestandteile der „dieta mediterranea“: Eingelegte Artischocken, Zwiebeln und Auberginen
Nachdem wir unsere Schätze an Bord verstaut haben, gehen wir in die Pizzeria. Wir sind die einzigen Gäste im „Il Pirata“ und werden von dem jungen Mann, der sich als der Pizzabäcker entpuppt und seiner Schwester, die für den Service verantwortlich ist, freudestrahlend empfangen. Als die Pizza im Holzofen gebacken ist, wird sie vom Vater der beiden serviert. Dann verputzen wir die Köstlichkeit im Kreise der Wirtsleute. Für einen halben Liter Falanghina und das Essen werden am Schluss gerade mal 16 Euro verlangt! Klar, dass wir ein ordentliches Trinkgeld obendrauf legen. Wir werden herzlich verabschiedet und sind ganz erleichtert, als nach uns ein weiterer Gast die Terrasse betritt. So schön es für uns ist, zu dieser Jahreszeit vom Touristenrummel verschont zu werden, so schwierig ist es für die Gastronomie, die Geschäfte und die Hafenbetreiber, außerhalb der Monate Juni bis September über die Runden zu kommen.
So frisch zubereitet ist auch Pizza ein gesundes mediterranes Essen.
Gleich am nächsten Morgen geht es früh weiter. Wir verlassen den Cilento, aber die Landschaft bleibt weiterhin wunderschön grün und bergig. Nach einem langen Schlag von 40 Meilen landen wir im Porto Turistico von Cetraro.
Cetraro
Es ist einer der besten Häfen, die wir bisher angelaufen haben. Glasklares Hafenwasser, toller Service, saubere, schöne Duschen und Toiletten, moderate Preise (30 Euro incl. Dusche) und der Knüller: Waschmaschine und Trockner können umsonst genutzt werden! Leider fehlt mir dazu die Zeit, denn wir wollen so schnell wie möglich weiter Richtung Süden.
Am Abend regnet es aus den dräuenden Wolken. Kein Problem: Wir bleiben an Bord und heute koche ich selbst Mittelmeerdiät: Roh gebratene Kartoffelscheiben, gewürzt mit frischem Thymian und Rosmarin, mit Schafskäse übergrillt. Dazu getrocknete Tomaten, gebratene Zwiebeln und ein knackiger Kopfsalat mit Tomaten und Basilikum. Mmmmh!
Schafskäse auf Kartoffelscheiben
Auch am nächsten Morgen hängen noch dicke Wolkenwalzen über den Bergen. Aber es regnet nicht.
Wir genießen die warme Dusche in dem gepflegten Sanitärgebäude und fahren danach zur Tankstelle. Unser nächstes Ziel ist Amantea, ein kleiner Hafen 30 Seemeilen südlich von Cetraro und 20 Seemeilen nördlich von Vibo Valentina.
An der Tankstelle verheddert sich unsere Schraube fast in ein meterlanges Kunststoffband, das im Wasser treibt. Der Käptn entdeckt es rechtzeitig und der Tankwart sammelt es ein. Nicht ganz so gefährlich, aber unschön sind die vielen Styroporkisten der Fischer, die im Hafenbecken treiben.
Es ist fast zehn Uhr, als wir vollgetankt haben und endlich ablegen können. Kein Windhauch vertreibt die dunklen Wolkenwalzen, die auf den Küstenbergen lasten und die grünen Hänge und pastellfarbigen Ortschaften mit einem Grauschleier überziehen.
Dann kommt die graue Steinmole von Amantea in Sicht. Laut Hafenhandbuch ist die Tiefe im Hafenbecken mit zwei bis vier Metern für uns ausreichend.
Zunächst rufe ich in der Marina an. Am anderen Ende der Leitung spricht man leider kein Englisch. Nur Französisch. Aber ich verstehe, dass wir kommen sollen. Vorsichtig tasten wir uns zur Hafeneinfahrt vor, denn an dieser Küste besteht immer Versandungsgefahr. Da steht auch schon der Hafenmeister auf der Mauer und winkt uns herein. Wir passieren die Einfahrt und dann: sitzen wir fest. Es geht weder vor noch zurück. – Endlich kapiert auch der Hafenmeister, was los ist. Er klappert die wenigen Motorbootfahrer ab, die gerade im Hafen sind und findet einen, der uns befreien soll. Nach einer halben Stunde hat er es geschafft. Wir schwimmen wieder und verlassen fluchtartig und zur großen Erleichterung des Hafenmeisters Amantea.
Nun gibt es nur eine Möglichkeit: Wir müssen 20 Meilen weiter bis Vibo Valentina am südlichen Ende des Golfo di Sant´Eufemia. Es ist jetzt 16 Uhr und in vier Stunden könnten wir frühestens dort sein. Da muss erst mal eine Cola getrunken und eine Tüte Chips verknuspert werden, Mittelmeer-Diät hin oder her!
Nachdem wir uns von dem Schreck erholt haben, verziehen sich auch die Wolkenwalzen und die schöne Küste kommt wieder zum Vorschein. Ab halb sechs können wir zur Abwechslung auch mal segeln und unserem armen Volvo eine Pause von sieben Seemeilen gönnen. Wir gleiten mit 4 bis 5 Knoten übers leicht gekräuselte Wasser, um uns herum die grünen Berge und entdecken am Horizont den Stromboli. Dann versinkt auch noch die Sonne glutrot im Meer, wie es schöner auf Capri auch nicht sein kann.
Gegen 19 Uhr kündige ich bei der Marina Stella del Sud in Vibo Valentina unser Eintreffen für 20 Uhr an. Vor der Hafeneinfahrt melde ich auf Kanal 10: Wir sind jetzt da! – Die Marineros kommen uns im Schlauchboot entgegen und lotsen uns zu unserem Platz. Viele Hände vertäuen unser Boot, wir bekommen den Code für das Sanitärgebäude, den Code für den Internetzugang (funktioniert!), einen Stadtplan und ein Anmeldeformular, das am nächsten Morgen im Büro abgegeben werden soll. Dann wünscht man uns einen schönen Abend. Es ist herrlich still im Hafen. Anscheinend sind wir die ersten auswärtigen Gäste. Alle anderen Schiffe sind verwaist.
Zum Abendbrot gibt es die letzten Blätter des Kopfsalats mit den eingelegten Gemüseköstlichkeiten und eine Dose Thunfisch. Auch die letzte Flasche Wein aus dem Cilento wird entkorkt. Morgen müssen wir unbedingt einkaufen gehen. Mittelmeerdiät aus Kalabrien steht jetzt auf dem Einkaufszettel!