04.05.2017 – Endlich!

Das letzte Wochenende im April steht bevor. Für die Römer ein Grund zur Freude, denn dieses Jahr schließt sich am Montag gleich der Maifeiertag an. Ein langes Wochenende also, wo sie alle in den Hafen und auf ihre Schiffe strömen.

Wenn es nur nicht so kalt und stürmisch wäre, würde es sicher noch viel mehr Boote zu einem Kurztörn hinaus aufs Meer ziehen. Doch so sitzen die Leute dick eingemummelt in ihren wattierten „Michelinmännchen-Jacken“ mit Mütze und Sonnenbrille im Cockpit oder im Restaurant, palavern oder flanieren über die Promenade und schauen sehnsüchtig hinaus aufs blaue Mittelmeer.

So, wie wir.

So schön Rom ja ist, jetzt kribbelt es wieder in den Seebeinen und wir wollen weiter.

Also gehen wir am Freitag noch einmal zu Conad, dem Lebensmittelladen, wo der Metzger an der Frischetheke uns freundlich wie alte Bekannte begrüßt und sich eins grinst, wenn ich auf Italienisch „otto fette prosciutto di Parma“ ordere und dann mit „Basta“ den Einkauf abschließe. So hat er es mir nämlich selbst beigebracht.

Innerlich nehmen wir langsam Abschied von hier. Das bedeutet, dass wir keinen Drang mehr dazu verspüren, etwas zu unternehmen. Wir stellen uns mental auf die Abreise ein, kramen, ordnen, prüfen und planen.

Am Samstag ringe ich mich dazu durch, zum Friseur zu gehen. Schließlich ist der letzte Friseurbesuch schon über vier Wochen her und selbst Stylingschaum und Föhn können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Haare „aus der Fasson“ sind.

Mir ist schon klar, dass der Samstag vor dem langen Wochenende nicht gerade günstig für einen spontanen Friseurbesuch ist und so wandere ich auch an den ersten drei Salons vorbei. Sie sind einfach proppenvoll.

In den nächsten drei Salons versuche ich mein Glück, aber auch hier ist heute kein Termin mehr frei. Bei „LOOK-MANIA-HAIRSTYLE“ in der Via die Velieri ist es ebenfalls voll. Zwei Friseurinnen und zwei Friseure schneiden, waschen, färben und föhnen gerade um die Wette, während zwei Kundinnen auf dem schmalen Bänkchen warten.

Trotzdem wage ich zu fragen, ob ich heute einen Haarschnitt bekommen könnte. „Yes, wait five minutes“, sagt der Chef des winzigen, schlauchartigen Salons. Das bedeutet in Italien, dass ich in einer Viertelstunde dran bin.

Und dann darf ich auch schon auf dem „Behandlungsstuhl“ Platz nehmen, bekomme auf dem Smartphone ein Beispielfoto präsentiert, das mir gefällt und schon legt der junge Figaro los.

Ich habe inzwischen schon einige Erfahrung mit europäischen Friseuren/-innen. Wenn ich meine deutschen Haarkünstlerinnen Frau Göde und Simone (Liebe Grüße!!!) mal außen vorlasse, war der Haarschnitt der altgedienten Friseurin in Ajaccio/Korsika bisher am gelungensten, aber auch am teuersten. In den Niederlanden bin ich einem „jungen Wilden“ in die Finger geraten und sah hinterher aus wie ein Rosettenmeerschweinchen.

Das fällt mir jetzt wieder ein, wo ich dem jungen Italiener hier zusehe und mein Blutdruck steigt.

Aber nein! Als er nach dem Schneiden den Rest meiner Haarpracht (über die Hälfte liegt am Boden) mit Wachs und Fingern zurechtwuschelt, sehe ich sofort: Gelungen! Inclusive Trinkgeld schiebe ich einen Zwanziger über den Tresen und wandere zurück zum Hafen.

Frisch geschnitten

Je weiter man sich vom Zentrum von Lido di Ostia in Richtung Hafen bewegt, je abgeschrappter und vermüllter wird es. Hier bin ich jetzt angekommen und während ich so die Schlaglöcher und Hundehaufen auf dem Gehweg umschiffe, fällt mein Auge auf ein geparktes Auto am Straßenrand. Es ist aufgebockt, denn sein linker Vorder- als auch der rechte Hinterreifen fehlen. „So ein Pechvogel“, denke ich, den Blick weiter zum Erdboden und auf die dicht an dicht geparkten Autos am Straßenrand gerichtet. Da sehe ich den nächsten Pechvogel. Der linke Vorderreifen ist platt. Und kurz darauf der nächste, ebenfalls mit Plattfuß. Während über mir auf einem Balkon eine ältere Anwohnerin lauthals in die menschenleere Straße hineinzetert, zähle ich insgesamt ELF platte, linke Vorderreifen! Das kann ja wohl kein Zufall sein….  Was stand auch noch in Rod Heikells „Küstenhandbuch Italien? Zitat: „Der Regisseur Paolo Passolini (Mamma Roma, Teorema, Die 120 Tage von Sodom) wurde hier 1975 von einem 17-jährigen Jungen erschlagen, der später mit dem Alfa Romeo des Toten erwischt wurde. Der Leichnam Pasolinis wurde auf dem Brachland gefunden, hinter dem heute die neue Marina liegt. Dieses wurde von den Marinabetreibern in Zusammenarbeit mit dem italienischen Verband für Natur- und Vogelschutz in ein Naturschutzgebiet umgewandelt.“

Dieses Gebiet habe ich jetzt erreicht und bin „zu Hause“. Der Käptn ist von meiner Frisur begeistert und hört sich kopfschüttelnd an, was ich ihm zu berichten habe.

Am ersten Mai lade ich mal wieder neue Wetterdaten herunter. Für den nächsten Tag sieht es gut aus!

Das finden auch Cornel und Evelyne von der SY Wokini. Die beiden netten Schweizer sind kurz nach Ostern auf ihre Alu-Yacht, die Cornel selbst ausgebaut hat, zurückgekehrt und wollen ebenfalls endlich wieder los.

Im Gegensatz zu uns schaffen sie das auch. Denn: Als der Käptn am Montag den On/Off-Button drückt, um den Motor zu starten, macht der keinen Pieps!

Wir setzen einen telefonischen Notruf zu OSCAR in Torrevieja ab. Trotz Feiertag geht er sofort ans Telefon. Doch aus der Ferne kann er uns auch nicht wirklich helfen.

Am nächsten Morgen rufen wir bei der Volvo-Werkstatt in Fiumicino an. Ich soll Mechaniker Lino anrufen, was ich umgehend tue. Lino ist heute außerhalb von Rom beschäftigt, will aber am Abend noch vorbeikommen. Abends kommt dann ein Anruf: Lino steckt im Verkehrsstau zwischen Nettuno und Rom. Er kommt erst morgen um 9:00 Uhr.

Wir verabschieden unsere Schweizer Freunde und wünschen ihnen viel Glück auf ihrem Törn nach Sardinien und dann weiter nach Tunesien. Wir hoffen, uns einmal wiederzusehen, und sei es nur, auf der Hamburger Hanseboot, die Cornel regelmäßig besucht.Gute Fahrt!

Am Mittwoch steht Lino pünktlich um 9:00 Uhr auf der Matte. Er drückt den Button und der REAGIERT! Vorführeffekt? Nein. Wahrscheinlich ist die Starterbatterie inzwischen zu alt. Hauptsache, es ist nichts am Motor!!!

Lino will nichts für seine Bemühungen und entschuldigt sich auch noch, dass er am Vortag absagen musste.

Ich eile zum Hafenbüro und bezahle den Monat, den wir hier verbracht haben. Nur 400 Euro werden für vier Wochen fällig! Eine frohe Botschaft, wo doch schon wieder die Kosten für eine neue Starterbatterie im Raum stehen.

Mit einem freundlichen „Tschüss“ werde ich von der jungen Dame an der Rezeption verabschiedet. Ob wir im nächsten Frühling wiederkommen, will wie wissen. „Wenn alles gut geht, im übernächsten“, sage ich, „dann aber sehr gerne!“

Wirklich ein sehr guter Hafen, der Porto di Roma. Sehr empfehlenswert zum Überwintern im Wasser, falls man nicht den Landliegeplatz in der Cantiere Altamarea bevorzugt. Von elf platten Reifen und dem toten Passolini sollte man sich da keinesfalls abhalten lassen!

Um 10:15 Uhr werfen wir die Leinen los.

Nach den vielen Stürmen ist die Hafeneinfahrt versandet. Cornel hatte Glück, dass er ohne Aufzulaufen hinausgekommen ist. Jetzt wird gebaggert und die „wachhabenden“ Marineros in ihrem Schlauchboot lotsen uns durch die schmale Fahrrinne hinaus.Die Lotsen

Dann nehmen wir Kurs auf das 27 Seemeilen entfernte Nettuno. Wir haben zwar kaum Wind und müssen motoren. Aber Hauptsache, weg!

Gegen 15:00 Uhr passieren wir die antiken Hafenreste am Capo d´ Anzio, wo Kaiser Nero seine Spuren hinterlassen hat. Da die Hafeneinfahrt zur Marina von Anzio zum Versanden neigt, fahren wir 1,3 Seemeilen weiter nordöstlich zur Marina Nettuno. Unser UKW-Anruf wird nicht beantwortet, doch als wir schon im inneren Hafenbecken kreisen, kommt doch noch ein Rückruf. Dann winkt ein Marinero vom Stegkopf eines Pontons und schon sind wir fest.Neros antiker Hafen

Mein Marsch zum Hafenbüro dauert hin und zurück geschlagene 40 Minuten. Unterwegs entdecke ich weder ein WC noch eine Dusche. Die finde ich erst am Hafenbüro. Dafür bezahle ich aber für unsere 10 Meter stolze 40 Euro! Ohne WLAN!

Ich bezirze den Büroangestellten, mir auf seinem Computer den italienischen Lamma-Wetterbericht aufzurufen. Das macht er sofort, denn es ist ihm ein bisschen peinlich, dass sein Kartenlesegerät nicht funktionierte und ich mein kostbares Bargeld opfern musste. Auf den Toilettenschlüssel verzichte ich dankend. Nach 20 Minuten Marsch wäre ich morgens bestimmt geplatzt und wir haben ja mittlerweile ein funktionierendes Klo an Bord.

Es ist eine ruhige Nacht. Trotzdem schlafen wir unruhig und sind sehr früh wach. Schon um 7:30 Uhr werfen wir die Leinen los und tuckern hinaus aufs spiegelglatte Meer. Unterwegs frühstücken wir gemütlich, während die Sonne aufgeht.

Um 12.20 Uhr erreichen wir das 541 m hohe Capo Circeo, wo einst Circe den Odysseus bezirzte und seine Mannen in Schweine verwandelte. Daher kommt wohl der Songtitel: Männer sind Schweine!Capo Circeo

An Steuerbord sehen wir in der Ferne die Pontinischen Inseln. Da der Wind laut Lamma noch zulegen und auf Süd-West drehen soll, steuern wir die Insel Ponza heute nicht an, sondern laufen weiter Richtung Gaeta. Jetzt legt der Wind ein bisschen zu und wir setzen alle Segel, ohne den Motor auszumachen. Schließlich wollen wir endlich ankommen!

Für den kleinen Hunger zwischendurch.

Als wir die steile, felsige Landzunge von Gaeta umrunden, schießen zwei Delfine auf uns zu. Dann sehen wir im Kielwasser eine ganze Delfinschule, die wohl einen Fischschwarm einkreist. Heute haben die Meeressäuger keine Zeit, mit der Anima mea zu spielen und auch wir haben zu tun. Das Großsegel muss geborgen werden, während es kräftig aufbrist.Gaeta

Wir steuern die Base Nautica Flavio Gioia an der Westseite des Porto Sant´Antonio an. Es ist schwer, sich auf das Hafenmanöver zu konzentrieren, so wunderschön ist die Landschaft um uns herum. Ein bisschen wie Calvi auf Korsika!

Ein Teil des Hafens ist Militärgebiet (US-Marinebasis) und wir müssen auf die Absperrungen achten. Dann rufe ich auf Kanal 09 die Marina an und bitte um einen Liegeplatz. Es wird sofort geantwortet und nach fünf Minuten erfahre ich, wo wir anlegen können. Es ist ganz nah an Land und nicht sehr weit von den Sanitäranlagen entfernt mit einem traumhaften Ausblick und mit WLAN an Bord! Es gibt einen Reiseführer, einen Stoffbeutel und jede Menge Hilfsangebote und das alles zum Preis von 34,38 Euro pro Nacht. Nicht billig, aber angemessen im Vergleich zu Nettuno.

Unser Liegeplatz

Ich buche erstmal zwei Nächte. Und morgen schauen wir uns das bezaubernde Gaeta aus der Nähe an.

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