Nachdem wir unserer Anima mea tschüss gesagt haben, bleibt uns noch ein ganzer Tag Zeit, uns auch von Rom zu verabschieden. Der Reiseführer und der Stadtplan sind an Bord geblieben. Mittlerweile kommen wir auch ohne sie klar. An der Bushaltestelle treffen wir einen alten Bekannten. Es ist der schwedische Segler, der mit seinem Schiff am gleichen Steg liegt, an dem auch wir bis vor ein paar Tagen unseren Platz im Porto di Roma hatten. Gemeinsam mit seiner Frau ist er schon seit vielen Jahren im Mittelmeer unterwegs. Zu Weihnachten fliegen die beiden stets nach Helsingborg zu ihren Kindern und Enkeln. Die heißen Sommermonate verbringen sie in ihrem Sommerhaus in Kalmar. Jetzt erwarten sie einen Cousin mit seiner Familie, die vom Bahnhof abgeholt werden soll. Aber der Bus lässt auf sich warten. Sollte das morgen auch passieren, wenn wir zum Flughafen müssen, kann es Probleme geben! Also entschließen wir uns, heute Abend im Hotel ein Taxi für die Fahrt zum Flughafen zu bestellen.
Endlich kommt der Bus! Am Bahnhof wartet die schwedische Familie schon ungeduldig an der Bushaltestelle. Wir fahren mit der Bahn weiter und steigen dann um in die Metro. Am Kolosseum steigen wir aus. Unser Ziel ist der Capitolshügel. Bis dahin gibt es am Straßenrand jede Menge Abwechslung. Mit Farbe und Flammenwerfer gestalten die Sprühkünstler zu Techno-Klängen ihre Schablonenbilder. Bevorzugtes Motiv: Das Kolosseum. „Schwebende Inder“ in orangen Gewändern, eine Hand lässig an einem ebenfalls orangefarbenen Pfahl, schaffen das „Kunststück“, schwerelos in der Luft zu hängen. Wer den Trick nicht durchschaut, gibt einen Euro und lässt sich mit ihnen fotografieren. Dann hört man schon die Klänge der grandiosen Gitarrenspieler, die unter einer Platane oberhalb des Forum Romanum die Touristen verzaubern. Allein für diese Musiker lohnt sich eine Fahrt hierher! Dann noch vorbei an den Breakdancern und wir biegen links ab, gehen die Straße hinauf, den Blick auf den Palatin und das Forum Romanum geheftet. Etwa in der Mitte des Weges bleiben wir noch einmal auf der kleinen Aussichtsplattform stehen und schauen schweigend und andächtig auf die antiken Überbleibsel der Keimzelle Roms. Dann gehen wir weiter und erreichen den Capitolsplatz.
Zum Abschluss unseres Romaufenthalts wollen wir uns die Sammlungen der Musei Capitolini anschauen. Sie sind hier in den beiden Palazzi untergebracht, die den Capitolsplatz flankieren. Der Palazzo dei Conservatori und der Palazzo Nuovo sind durch einen unterirdischen Gang miteinander verbunden. Die Geschichte dieser bedeutenden römischen Museen beginnt 1471 mit einer Schenkung von Papst Sixtus IV. an das römische Volk. Weitere Päpste und vornehme römische Familien übergaben ebenfalls ihre Sammlungen mit antiken Skulpturen, wertvollen Gemälden und Münzen.
Zu den berühmtesten Skulpturen zählen z.B. Die Kapitolinische Wölfin
Die Kapitolinische VenusDer sterbende Gallier
In einem großen, verglasten Saal, der erst kürzlich fertiggestellt wurde, bewundern wir das Original-Reiterstandbild Mark Aurels, von dem heute eine Kopie auf dem Capitolsplatz steht.
Das überlebensgroße Bronzestandbild entstand vermutlich 165 n. Chr. und war ursprünglich vollständig vergoldet.
Auch die ausgegrabenen Reste des Tempels für die bedeutendsten römischen Götter Jupiter, Juno und Minerva liegen unter dem Dach des Museums.
Reste des Tempels mit alten Wurzeln
Das Heiligtum dieser sogenannten Kapitolinischen Trias nennt man Capitolium, von denen es im römischen Reich mehrere gab. Das wichtigste aber war hier auf dem Capitolshügel in Rom.
Das Capitolium hatte drei Räume für die Gottheiten. In der Mitte war das Reich des Obergottes Jupiter (griech.Zeus.) Daneben der Raum seiner Gattin Juno (griech. Hera). Beim Tempel lebten ihre heiligen Tiere, die Gänse. Ihnen verdankt sie den Beinamen „Moneta“ (Warnerin oder Mahnerin). Gänse verhalten sich nämlich ähnlich wie Hunde. Wenn jemand in ihr Reich eindringt, geben sie „Laut“. Das taten sie auch, als Feinde die Stadt überfallen wollten, was ihrer Herrin Juno zu dem erwähnten Beinamen verhalf. Da sie auch Schutzpatronin der benachbarten Münzstätte war, ist ihr Beiname Moneta in dem Wort Moneten bis heute lebendig. Der dritte Raum war der Göttin Minerva geweiht. Sie beschützte im römischen Reich die Handwerker und das Gewerbe. Ähnlich der griechischen Athene war sie als Göttin der Weisheit und Hüterin des Wissens aber auch für die Dichter, die Lehrer, die taktische Kriegsführung und die Kunst des Schiffbaus zuständig.
Auch in diesem Museum ist es wie bei fast allen Sehenswürdigkeiten in Rom: Bei der Fülle von Exponaten muss man Schwerpunkte setzen. Alles an einem Tag anschauen und verarbeiten geht einfach nicht.
Nachdem wir das Museum verlassen haben, steigen wir mit Blick auf die Piazza Venezia die „Cordonata“, die Treppe vom Capitolshügel hinunter, um gleich rechts ein paar Schritte weiter die 124 Marmorstufen der Scalinata di Aracoeli zur Kirche Santa Maria in Aracoeli hinaufzusteigen.
Treppe zur Kirche
Dort stand in vorchristlicher Zeit der Tempel der Juno Moneta. Der erste Kirchenbau wurde im 6. Jahrhundert nach Christus errichtet. 1251 n. Chr. begann man mit dem Bau der heutigen Basilika, die eine hohe symbolische Bedeutung für die Römer besitzt. Einerseits ist dies bedingt durch ihre Lage, denn der Platz zwischen dem Capitolshügel mit dem Senatorenpalast und dem Nationaldenkmal ist seit der Antike das religiöse und politische Zentrum der Stadt. Im Mittelalter wurde die Basilika sogar als Stadtparlament und Gerichtsstätte genutzt und viele römische Adlige und wichtige Persönlichkeiten sind in dieser ehemaligen Klosterkirche der Franziskaner beigesetzt. Zu diesen beiden Aspekten „Lage“ und „Nutzung“ gesellen sich die Legenden, die sich um diese Kirche ranken.
Der Zauber einer dieser Legenden trifft auch mich, als ich beim Rundgang durch die Kirche plötzlich links in einem dunklen Kapelleneingang eine ernste junge Frau beobachte, die etwas auf einen Zettel schreibt. Ich schiebe mich vorsichtig durch den Eingang und werde sofort von einem hellen Lichtschein in den Bann gezogen, der von links aus der kleinen Kapelle herausscheint. In einem Glasgehäuse über dem Altar schwebt ein juwelenbestücktes, gekröntes Wickelkind auf mich zu. Kein süßes Baby, das im schützenden Arm seiner Mutter liegt sondern eine ernst blickende Lichtgestalt mit herabgezogenen Mundwinkeln und einem energischen Kinn. Die linke Hand liegt in einer kreisrunden „Körperhöhle“ und hält ein schlichtes Kreuz, während sich die rechte Hand scheinbar in Licht aufgelöst hat. Man kann diesem Kind nicht in die Augen schauen. Traurig, fast gequält schaut es am Betrachter vorbei, sieht etwas, das sich unseren Blicken entzieht.
Santo Bambino
Die junge Frau mit dem ernsten Gesichtsausdruck hat ihren zusammengefalteten Zettel inzwischen in einen Glasbehälter neben dem Altar gesteckt und sich anschließend vor dem Kind bekreuzigt. Die Röhre ist fast ganz mit Botschaften an „Santo Bambino“ gefüllt. Wer mag die Röhre leeren und die Briefchen lesen? Was geschieht mit ihnen? Werden sie sicher aufbewahrt wie die Briefe, die über dem Altar in zwei Körbchen links und rechts vom Bambino stecken? Oder werden sie gleich einem Rauchopfer verbrannt, damit ihre Botschaft zum Himmel aufsteigen kann?
Nun entdecke ich eine Schrifttafel, auf der steht, was es mit dieser Figur auf sich hat: Im 15. Jahrhundert besuchte ein Franziskanermönch die Stadt Jerusalem. Aus einem Stück Olivenholz aus dem Garten Gethsemane schnitzte er dieses Jesuskind. Leider fehlten ihm die Farben zum Bemalen der Figur, doch ein Engel erledigte diese Arbeit auf wundersame Weise. Mit dem Jesuskind im Koffer machte sich der Mönch auf die Seereise nach Italien. Doch das Schiff geriet in Seenot und der Koffer ging über Bord. Trotzdem wurde er in Livorno angespült und kam später in die Ewige Stadt. Seither wird dieser Figur eine wundertätige Wirkung zugesprochen. Kranke Menschen und auch schwangere Frauen pilgern zu Santo Bambino. Ab dem 8. Dezember wird die Figur jeden Tag aus ihrem Glasschrein geholt und in eine Krippe in der Capella della Trasfigurazione (Kapelle der Verklärung) gelegt, wo ihm die römischen Kinder im Kreise der anderen Krippenfiguren Weihnachtslieder vorsingen. Am Dreikönigsfest schließlich steigt ganz Rom hinauf zur Basilika Santa Maria in Aracoeli, um den Segen des himmlischen Kindes zu erbitten.
Der Tag ist schon wieder fast vorbei und wir müssen uns auf den Rückweg machen. An der Metrostation Piramide verlassen wir den Bahnhof und stehen auch gleich vor der Pyramide des römischen Prätors und Volkstribuns Gaius Cestius Epulo. Es handelt sich dabei um ein Grabmal aus der Zeit, als in Rom die Toten außerhalb der Stadtmauern bestattet werden mussten. Nach der Eroberung Ägyptens durch Kaiser Augustus war die ägyptische Kultur in Rom in Mode und viele ließen sich pyramidenförmige Grabmäler bauen. Doch die Cestius-Pyramide überlebte als einzige bis heute.
Die Pyramide
Wie sind aber nicht in erster Linie wegen dieses Grabmals ausgestiegen, sondern weil wir zum Abschied noch einmal gut essen wollen. Deshalb suchen und finden wir das Eataly in der Piazzale 12 Ottobre 1492. 17 000 Quadratmeter Fläche hat dieser Slow Food Megamarkt. Über vier Stockwerke verteilen sich die Restaurants und Delikatessenstände, die nur „gute, saubere und gerechte“ Lebensmittel zu (überwiegend) erschwinglichen Preisen anbieten. Mit einem Glas Bier für den Käptn und einem Weißwein für mich stoßen wir auf unsere tolle Zeit in Rom an. Dann gibt es gerollte Hähnchenbrust mit Schinken und Rosmarin, Röstkartoffeln und Caponata. Es schmeckt vorzüglich und ist noch nicht mal so teuer wie die Pizza und der Wein im Porto di Roma. Mit ein paar leckeren Mitbringseln für die Lieben daheim wandern wir zur Bahnstation und fahren nach Lido di Ostia.
Trüffelzeit
Am nächsten Tag, es ist Freitag, der 4. November, bringt uns ein Taxi vom Hotel zum Flughafen Fiumicino. Unser Germanwings-Flug um 14:45 Uhr startet pünktlich nach Hamburg.
Ciao Italia!
Um 17:10 Uhr landen wir in HH Fuhlsbüttel. Mit S- und U-Bahn geht es nach Hause. Wir wollen schnell noch einkaufen, doch unser Wagen hat keine Lust dazu. Die Batterie hat sich entladen. Gut, dass unser netter Nachbar mich zum Supermarkt fährt. Zum Kofferauspacken haben wir zunächst kaum Zeit. Am nächsten Tag geht der Käptn mit unserem Freund Rolf auf die Hanseboot, während ich beim Enkel „einhüte“. Jakob kann schon ein bisschen lesen und schreiben und malt uns ein wunderschönes Bild.
In Hamburg ist es mindestens 10 Grad kälter als in Rom, doch es kommt noch schlimmer. Am Montag, dem 7. November fällt der erste Schnee und das Thermometer sackt auf minus 5 Grad. Außerdem wird das kleine, alte Haus nebenan abgerissen. Was wird man uns da wohl demnächst vor die Nase bauen?
Und am Morgen des 9. November wird in den Nachrichten gemeldet, dass Donald Trump der neue Präsident der USA geworden ist!!!
Ich lese einfach gerne immer bei euch mit. Viele Grüße vom Womolix nach Hamburg.
Das freut uns sehr und wir hoffen, das bleibt so! Liebe Grüße zurück von Heinz und Christine