Von Porto Pollo bis Propriano sind es nur fünf Seemeilen. Für den kurzen Schlag über den Golf de Valinco, an dessen Ende die Marina von Propriano liegt, brauchen wir nur eine Stunde. Doch noch einmal so lange dauert es, bis wir einen Liegeplatz haben.
Nach unserem Anruf bei der Capitainerie kommt erst mal nichts. Das kennen wir schon. Es ist wohl der Schock, dass auf Englisch angefragt wird. Also wiederholen wir nach einer kurzen Wartezeit den Anruf. Erst mal wieder nichts! Mit den französischen und italienischen Schiffen wird unterdessen eifrig geschnackt. Plötzlich kommt die Rückmeldung für „the englisch boat“. Erleichtert melde ich mich und sage, dass wir ein deutsches Boot sind, aber englisch sprechen. „Excusez-moi!“
Ich bilde mir ein, ein Lächeln in der Stimme zu spüren, die jetzt noch mal nach unseren Schiffsmaßen fragt. Ich gebe sie sowohl auf Englisch als auch auf Französisch durch. Habe ich mir alles fein säuberlich vorne im Logbuch notiert. Es dauert wieder eine Weile, dann kommt: „Bitte warten Sie, wir suchen einen Platz.“ – Warten heißt: Kreisen, kreisen und nochmal kreisen. Schiffen ausweichen, Untiefen ausweichen…Grrr! – Plötzlich eine französische Stimme aus dem Funkgerät. Anima mea, Ponton Charly (C), Nr. 17. Ich wiederhole Ponton Charly, numero dix-sept. Dann fahren wir ins Hafenbecken hinein. Der erste Ponton ist “H”, der letzte “F”. Dann kommt eine durchgehende Mauer. Schiet, wir sind im falschen Bassin! Nämlich im Bassin Ost. Ponton C ist demnach im Bassin West. Hatte die Stimme überhaupt gesagt, in welches Bassin wir sollen? Hab ich jedenfalls nicht mitgekriegt. Aber nützt ja nichts, wir müssen erstmal drehen. Der Käptn ist not amused, orakelt bereits, dass man uns mittlerweile wohl schon abgeschrieben und unseren Platz anderweitig vergeben hat. Also schnell in der Capitainerie anrufen: „Wir haben leider „Est“ mit „Quest“ (klingt für deutsche Ohren fast gleich) verwechselt, sind jetzt aber auf dem richtigen Weg.“
Im Bassin West kommt uns schon das Bötchen mit den Marineros entgegen. Sie deuten in Richtung Ponton C, wo eine Dame auf dem Steg steht und uns zuwinkt. Ist zwar Platz Nummer 16, aber wir steuern trotzdem zu ihr hin. Nebenan, an Platz Nummer 17 macht gerade eine Motorjacht fest. Nachdem geklärt ist, welche Mooringleine wem gehört, sind alle zufrieden und können entspannen. Der Käptn kriegt sein verdientes Anleger-Bier, ich laufe zur Capitainerie (am Bassin Ost). Die Dame hinter dem Tresen fragt, wie lange wir bleiben wollen. Kein Limit, trotz Hochsaison? Ich kann´s kaum glauben, sage, das hängt vom Wetter ab. „Kein Problem,“ sagt die Dame, „geben Sie mir erstmal die Schiffspapiere, bezahlen können Sie, wenn Sie abreisen.“
Info zum Port de Propriano: Der Hafen hat ein Ost- und ein Westbassin mit getrennten Einfahrten. Die Sanitäranlagen befinden sich neben der Capitainerie am Ost-Bassin, sind neu und sehr gepflegt. Duschen ist im Hafengeld enthalten. Wir haben 42 Euro pro Nacht bezahlt. Leider gibt es dafür kein Wifi an Bord, in einigen der Restaurants am Hafen hat man jedoch guten Internet-Zugang. Im Hafen befindet sich auch eine Wäscherei. Eine kleine Waschmaschine kostet 8 Euro (ohne Waschmittel), die große 12 Euro. 10 Minuten Trocknen kosten 2 Euro. Ein Supermarkt ist gleich in Hafennähe.
In Propriano brodelt das touristische Leben. Nicht nur der Hafen ist am Abend proppenvoll. Auch die zahlreichen Restaurants sind alle gut besucht und an den Ticketschaltern der Ausflugsboote stehen die Leute Schlange. Wie in allen Badeorten gibt es auch hier jeden Abend Life-Musik, die allerdings um Mitternacht beendet wird, so dass die Nachtruhe in Propriano nicht gestört wird.
Der „versprochene“ Mistral setzt auch gleich am Abend ein und hält uns vier Tage fest. Zuerst werden die Vorräte aufgefüllt und endlich mal wieder Wäsche gewaschen. Der Käptn muss mal wieder in den Mast, weil der Windmesser seit einiger Zeit streikt. Ein paar Tropfen Öl helfen ihm wieder auf die Sprünge.Dann steigen wir die Treppen hinauf zur Kirche, deren beleuchteter Glockenturm allabendlich zu uns herunter grüßt.
Der erleuchtete Glockenturm überstrahlt Propriano
Während sich der Bau aus grauen Natursteinquadern von außen sehr schlicht präsentiert, überrascht der Innenraum durch eine liebevolle Ausstattung in leuchtenden Farben.
Der Innenraum der Kirche
Ein großes Holzkreuz an der Seitenwand erweckt unser Interesse. Nach einem alten Brauch wird es am Karfreitag während der Prozession von einer Person im Büßergewand geschleppt. Der Kreuzträger, der eine Schuld „abtragen“ will, bleibt unerkannt.
Das Karfreitagskreuz
Auch wir haben während unserer Reise einen Brauch entwickelt, der allerdings weniger anstrengend ist. Und so stecken wir in einer kleinen Seitenkapelle den Obulus für eine Kerze in den Opferstock. Nachdem sie entzündet ist, denken wir an unsere Familienmitglieder zu Hause und hoffen, weiterhin eine glückliche Reise zu haben.
In der zweiten Reihe leuchtet unser Rauchopfer
Am letzten Tag in Propriano gehe ich in einer kleinen Bar am Fährhafen noch mal ins Internet und checke unser Konto. Wow! Eine schwarze Zahl steht ganz oben auf dem Kontoauszug. Gerade erst sind 500 Euro eingegangen. Es ist die Kaution für das Unglücksauto auf Ibiza. Das Kreditkarteninstitut hat das Geld nach über zwei Monaten tatsächlich zurückgeholt. Jetzt möchte ich den blonden Schnösel mal sehen, der uns über den Tisch ziehen wollte. Hoffentlich hat der kleine Wagen inzwischen nicht auch andere Kunden unglücklich gemacht. Wenn wir nicht den guten Oscar in Torrevieja gehabt hätten, wäre das für uns wahrscheinlich auch nicht so gut gelaufen. Ohne das „Beschwerdebuch“ hätte nämlich ein wichtiges Beweisstück gefehlt. Oscar, wenn du das liest: Tausend Dank! You are the best!!! Aber auch unsere Susanne hat uns aus der Ferne mit ihren Recherchen bezüglich der Konsulatskontakte und deutschsprachigen Rechtsanwälte sehr gut unterstützt. Auch ihr: Vielen Dank! You are the best too!!!
Natürlich wird am Abend auf den „Sieg der Gerechtigkeit“ angestoßen. Dazu erklingt flotte Lifemusik mit Beatles-Songs aus der Stadt herüber. Ein perfekter Abend!
Gut gelaunt starten wir am nächsten Morgen nach Port de Pianotolli in der tief eingeschnitten Bucht Baie de Figari. Die fast 30 Seemeilen, die vor uns liegen, fangen ganz harmlos an. Ohne Wind und Welle motoren wir nach Südwesten. Dann zeigt sich in der Ferne eine Linie, die das Meer in einen glatten vorderen und einen gekräuselten hinteren Teil trennt. Als wir den hinteren Teil erreichen, beginnt der Wellentanz bei fünf Beaufort. Salzüberkrustet erreichen wir die Bucht und suchen einen Ankerplatz. Kurz vor dem kleinen Hafen werden wir fündig. Doch noch während des Manövers kommen die „Rothemden“ der Capitainerie mit dem Schlauchboot und erklären, dass das hier verboten ist. Ich frage, ob es noch einen Platz im Hafen gibt. Ja, gibt es. Wir können aber auch eine Boje haben. Der Preisunterschied macht die Entscheidung leicht: 50 Euro für den Hafenplatz, 25 Euro für die Boje. Die netten Marineros helfen uns beim Festmachen an jeweils einer Boje am Heck und einer am Bug. So liegt das Schiff ruhiger und wir haben zwei angenehme Nächte in dieser traumhaften Bucht. Die Flugzeuge, die im nahe gelegenen Flughafen Figari starten und landen, stören uns nicht. Jetski sind schlimmer! – Am zweiten Tag liegen die 25 Euro schon parat, doch keiner kommt kassieren. Dabei kommen die Marineros mit ihrem Schlauchboot mehrmals bei uns vorbei und grüßen jedesmal freundlich herüber. Keine Ahnung, warum sie uns den zweiten Tag schenken. Jedenfalls: „Danke! Merci!„
Pianotolli