Am 26.07. verlassen wir Saint-Florent und gehen knapp 20 Meilen weiter südlich vor Ile Rousse vor Anker. Wie oft, bietet sich der schönste Ausblick auf die Landschaft vom Wasser aus. Als dann am Abend auch noch die Lichter in der Stadt angehen, fühlen wir uns beim Abendessen im Cockpit wie die Könige. Kaum jemand dort drüben in den Restaurants des schönen Seebads kann dieses Panorama genießen! In einem Hotelbett schliefe es sich dagegen sicher ruhiger. Es ist zwar kein Wind, doch wir haben die ganze Nacht ordentlich Schwell und rollen dementsprechend in unserer Koje hin und her.
Abendstimmung
Am nächsten Morgen erleben wir dann noch ein ganz besonderes Schauspiel. Die beiden gelben „Wasserbomber“, die auf Korsika bei Waldbränden zum Einsatz kommen, stürzen im Tiefflug die Berge herunter und landen kurz hinter dem Ankerfeld auf dem Meer.
Tiefflieger
Dann tanken sie Wasser und steigen wieder in die Luft. Die tollkühnen Flugmanöver der beiden Flieger haben wir schon in Saint-Florent mitbekommen, doch so knapp über den Mastenwald zu fliegen war schon sehr gewagt.
Nach der unruhigen Ankernacht wollen wir mal wieder „festen Boden“ unter dem Kiel und steuern die Marina von Calvi an. Mein Funkruf wird nicht beantwortet. Also laufen wir langsam in den Vorhafen ein und halten Ausschau nach einem Marinero. Na also, da ist ja ein Schlauchboot mit zwei „Rothemden“. Wir machen uns bemerkbar und sie fahren mit Gebraus auf uns zu und mit Schwung um uns herum. Sicher haben sie auch schon mal die spannende Flugnummer gesehen und wollen sie jetzt auf dem Wasser nachspielen. Dann fragen sie nach der Bootslänge. Merkwürdig: Tiefgang und Breite wollen sie nicht wissen. Wir sollen noch warten und möglichst draußen vor dem Hafen kreisen. Hier stören wir nur, weil gerade einige größere Jachten versorgt werden müssen.
Also drehen wir brav unsere Kreise unter der Zitadelle. Endlich kommt das Schlauchboot wieder zu uns und ich frage, ob wir jetzt einen Platz bekommen. Der eine Marinero zuckt mit den Schultern und sagt: „You are too small! I have no place for a small boat.“ Das ist ja ganz was Neues! Bisher war für unser “kleines” Boot noch immer ein Plätzchen frei. Aber hier scheint man nur möglichst große Schiffe aufzunehmen. Klar, die bringen ja auch mehr Geld in die Hafenkasse.
Glücklicherweise gibt es in der Bucht ein großes Bojenfeld. Über Kanal 8 kann man sich melden, wenn man an eine Boje möchte. Als das geschehen ist, kommt sofort ein Marinero angebraust und zeigt uns unsere Boje. Dann hilft er beim Festmachen und kassiert 20 Euro.
Nun wird es Zeit, das Schlauchboot wieder aufzupumpen und den Außenborder zu starten. Ein wackeliges Unternehmen auf dem schwankenden Boot. Doch schließlich kann der Käptn eine kleine Probefahrt durch das Bojenfeld starten.
Mit „Rudi Coster“ durchs Bojenfeld
Nach und nach kommen immer mehr Schiffe und das Bojenfeld füllt sich, während der Wind mächtig aufdreht. Am Himmel türmen sich weiße Wolken und krönen die Berggipfel mit gewaltigen Sahnehäubchen. So stürmischer Wind war überhaupt nicht angesagt, doch wieder mal typisch, wie schnell sich hier das Wetter ändern kann.
Am Abend lässt der Wind etwas nach und das Wasser beruhigt sich. Bevor die rote Sonne im Meer versinkt, lässt sie die Berge und die Wolken in Flamingorot erglühen.
Alpenglühen auf Korsika
Dann wird es dunkel und in Calvi gehen die Lichter an. Wieder eine schöne Kulisse für das Abendessen!
Calvi bei Nacht
Am nächsten Morgen schiebe ich den Laptop in die wasserdichte Tragetasche. Wir packen den Müllbeutel und den Rucksack ins Beiboot und fahren in die Marina hinüber. An der Hafenmauer binden wir unseren Rudi fest. Der Käptn setzt sich ins Cafe. Von dort kann er unser Beiboot gut im Auge behalten. Es gibt auch Wifi, so dass wir einen neuen Wetterbericht herunterladen können. Dann noch schnell einkaufen und zurück zu unserer Boje. Wie froh wir jetzt sind, keinen Hafenplatz bekommen zu haben. Für „teuer Geld“ lägen wir hier unter der Hafenmauer, während die Ströme der Spaziergänger über uns hinwegziehen würden. Manche mögen es ja, aber wir werden nicht gerne begafft, während wir im Cockpit sitzen. Inmitten der Häuser wäre es auch noch stickig und laut, während draußen stets ein frisches Lüftchen weht. Da buchen wir doch gleich noch eine weitere Nacht an der Boje!
Die wird allerdings nicht so erquicklich wie die vorhergehende! Von der Zitadelle dröhnt heute laute Discomusik und raubt uns bis in die Morgenstunden den Schlaf. Also nichts wie weg ins Naturschutzgebiet La Scandola!
Natürlich schauen wir vorher noch ins Handbuch, wo dort ein geeigneter Ankerplatz wäre. Rod Heikell schlägt in „Französische Mittelmeerküste und Korsika“ die „Marina d´Elbo“ vor: „Im SE der Bucht E-lich der Punta Palazzo liegt eine kleine Calanque in der Verlängerung einer Schlucht (….) Man ankert vor dem kleinen Strand auf 5-7 m über grasbewachsenem Sand. Der Ankerplatz ist vor W- bis SW-lichen Winden geschützt, nach NW bis NE aber offen.“
Auf dem Weg dorthin gibt´s erstmal ordentlich eins auf die Mütze! Unvorhergesehene vier Beaufort von vorne (aus Sürd-West) mit ekliger Hacksee machen die 18 Seemeilen zur Qual. Salzverkrustet kommen wir endlich im Naturschutzgebiet an. Die Marina d´Elbo ist sehr klein und von mehreren Motorbötchen belegt. Also suchen wir zunächst einen anderen Ankerplatz. Vor den steilen Wänden der „Punta Palazzo“ liegen einige Schiffe im tiefen Wasser, das in verführerischem Aquamarin schimmert.
Ankerplatz vor der Punta Palazzo
Unser Anker landet in 13 Metern Tiefe, wahrscheinlich auf felsigem Untergrund. Wir stecken jede Menge Kette und beobachten unsere Position auf dem Kartenplotter. Sieht alles gut aus, aber die französischen Nachbarn rücken uns allmählich bedrohlich auf die Pelle. Auch die haben was mitbekommen und fast zeitgleich wird auf beiden Schiffen der Anker gelichtet. Nun steuern wir nochmal zur Marina d´Elbo.
Marina d´Elbo
Gerade verlässt ein Motorbötchen die kleine Bucht und wir tasten uns vorsichtig hinein. Wirklich sehr eng hier, aber für uns allein reicht es. Dann fahren wir den Anker ein. Erneut kommt ein Motorboot in die Bucht. Drangvolle Enge! Das finden wohl auch die Motorbootfahrer und verlassen nach einem kurzen Badevergnügen den Ort. Endlich allein! – Aber nicht lange…. Ein graues Schlauchboot mit grüner Aufschrift schiebt sich heran. Darauf zwei Männer in grauer Uniform. Das bedeutet nichts Gutes!
Auf Französisch rufen sie uns etwas zu und machen eine Handbewegung, die uns signalisiert, dass wir hier nicht übernachten dürfen. Wie bitte, Herr Heikell?
Letztendlich müssen wir aber einsehen, dass wir einen dritten Ankerplatz finden müssen. Einer der Naturparkranger erklärt uns auf Deutsch, dass Übernachten im Naturpark nicht erlaubt ist. Er schenkt uns eine Faltkarte, auf der alle Naturparks von Korsika markiert sind, so dass wir auch in Zukunft sehen können, wo wir nicht ankern dürfen. Dann empfiehlt er uns die Anse de Focolara gleich um die Ecke. Dort finden wir auch die Franzosen vom ersten Ankerplatz wieder. In gebührlichem Abstand versenken wir unseren Anker vor einer hohen Felswand auf acht Meter Wassertiefe und fahren ihn sorgfältig ein. Schließlich ist die Bucht nach Westen offen und es herrscht heftiger Schwell. Der lässt den Kies am benachbarten kleinen Strand die ganze Nacht laut rollen, dass es von den Steilwänden widerhallt. Ein etwas unheimliches, aber immerhin natürliches Geräusch. Allemal besser als ohrenbetäubende Discomusik.
Es wird Nacht. Mangels Lichtverschmutzung entwickelt sich ein unglaublicher Sternenhimmel. Wir sitzen mit einem Glas Rotwein im Cockpit und starren fasziniert hinauf, entdecken genau über uns den großen Wagen und die Milchstraße. Ganz klein aber irgendwie beschirmt fühlen wir uns hier. Und nicht ganz allein, denn das Ankerlicht unseres französischen Nachbarn schwangt in der Nähe im regelmäßigen Takt der Wellen hin und her. Momente, die man nie vergisst!
Der Schwell weckt den Käptn mehrmals in der Nacht und lässt ihn nach dem rechten sehen. Als wir morgens aufbrechen, wächst unser Vertrauen in unseren Anker. Bombenfest hat er gesessen!
Aber die Müllberge an Bord wachsen und entsprechend schrumpfen die Vorräte. Auch der Wassertank wird allmählich leer und neue Wetterinformationen müssen eingeholt werden. Wir wollen mal wieder unbeschwert schlafen und Anima mea braucht dringend eine Süßwasserdusche. Deshalb steuern wir am Samstag, dem 30.7. die Marina Cargese an.
Noch einmal staunen wir über die steilen Felsen der Punta Palazzo, vor der sich die kleine Ilot Palazzo erhebt.
Ilot Palazzo
Dicht dahinter folgt die steil aufragende Ile de Gargalu. Durch die schmale Passage kommen laufend Ausflugsboote, die alle zur Besichtigung in den Naturpark brausen.
Blick in die Passage Gargalu
Obwohl die Passage mindestens drei Meter Wassertiefe verspricht, fahren wir lieber außen um die Ile de Gargalu herum. Dann klappern wir die Buchten der zerklüffteten Westküste ab: Golfe de Girolata, Golfe de Porto und Golfe de Peru. Eine phantastische Landschaft, wenn nur der Dunst nicht die hohen Berge in der Ferne verschlucken würde.
An der Punta di u Puntiglione biegen wir links ab nach Cargese. Gut, dass wir so zeitig ankommen, denn der kleine Hafen ist schnell voll. Um 13.20 Uhr liegen wir fest an der Mole, während ein Schiff nach dem anderen den Hafen verlässt, aber sofort neu ankommende Jachten die Plätze belegen.
Info zum Port de Cargese: Der ruhige Hafen, in dem auch die Fischer liegen, bietet 235 Liegeplätze, aber nur 35 für Gäste. Das Hafenbüro mit den Sanitäranlagen liegt fünf Minuten vom Liegeplatz entfernt. Duschen ist im Liegepreis inbegriffen. Gutes Wifi an Bord. Hafengebühr für eine Nacht: 37,40 Euro. Mehrere Restaurants im Hafen. Waschsalon und Einkaufsmöglichkeit im Ort.
Blick nach oben
Für uns ist Cargese genau das Richtige. Keine Megajachten! Keine Disco! Stattdessen ein schöner Blick hinauf auf die beiden Kirchen, die Häuser und den Friedhof am Hang. Beste Lage, auch über den Tod hinaus!
Die beiden Kirchen
Blick über den Friedhof auf den Hafen
Zwei Kirchen in einem relativ kleinen Ort? Das lässt sich mit der Geschichte von Cargese erklären: Es handelt sich nämlich um eine römisch-katholische und eine griechisch-orthodoxe Kirche. Im späten 17. Jahrhundert flüchtete eine Gruppe von Griechen vom Peloponnes vor den Türken. Die Genueser boten ihnen auf Korsika die Chance, ein Stück Land zu kultivieren. Sie taten das sehr erfolgreich, doch sie bekamen mit den benachbarten Korsen Streit, der mit einem Brandanschlag auf ihr Dorf endete. Sie flüchteten zunächst nach Ajaccio und bekamen später nach der Machtübernahme durch die Franzosen das Land um Cargese zugeteilt. Hier leben jetzt orthodoxe und katholische Bewohner in Eintracht miteinander.
Vom Hafen aus führen zwei Straßen hinauf in den Ort: Eine steile, lange und eine sehr steile kurze. Letztere führt am Friedhof vorbei und nötigt uns mehrere Atempausen ab. Verschwitzt und durstig erklimmen wir den Gipfel. Da kommt „Le Yuka“ am linken Straßenrand genau richtig!
Le Yuka läd zum Verweilen ein
Die kleine Bar bietet unter der mächtigen Yukapalme eine schattige Terrasse mit kuscheligen Sitzgelegenheiten und grandioser Aussicht.
Im schattigen Garten
Auf den Mauern schlummern friedlich die Stubentiger und die freundliche Inhaberin serviert uns frisch gepressten Zitronensaft aus eigenem Anbau mit einer Karaffe kühlem Wasser. Obendrauf gibt es „auf Kosten des Hauses“ noch zwei selbstgebackene Kekse. Köstlich!
Inzwischen haben wir deutsche Nachbarn. Auf der „Tiana“ steht zwar Hamburg als Heimathafen, doch Ernst, Kerstin und Peter sind aus Hessen und haben das Schiff peu a peu von Kiel aus durch die Kanäle bis Frankreich gesteuert. Jetzt sind sie auf dem Weg nach Alghero/Sardinien, wo sie die Tiana erst mal parken, bis die nächsten Schulferien kommen. Erraten: Die drei sind im Schuldienst tätig und somit bietet sich viel Gesprächsstoff. Ernst kennt schon viele Ecken im Mittelmeer, war schon in Griechenland, der Türkei und Kroatien unterwegs. Er hat sogar eine Tauchausrüstung an Bord. Als Heinz bemerkt, dass unsere Zinkmaus leider abhanden gekommen ist und er sich etwas Sorgen um die Schraube und die Welle macht, bietet Ernst ihm seine Tauchflasche an. Lange vor meiner Zeit, vor vielen, vielen Jahren, war der Käptn ja mal ein aktiver Taucher. Endlich kann ich ihn auch mal mit Tauchermontur bewundern!
Tauchgang
Doch als er es trotz Auftrieb tatsächlich schafft, die Ersatzzinkmaus an ihre Stelle zu platzieren, erweisen sich die Schrauben als zu kurz. Nicht, dass es uns an Schrauben mangelte! Wir haben eine große, schwarze Blechkiste mit Schrauben in allen erdenklichen Größen und Längen. Aber, genau die benötigte Länge fehlt mal wieder….
Immerhin ist jetzt klar, dass der Käptn noch tauchen kann und wie lang die drei Schrauben sein müssen. Als Dank für die Hilfe laden wir die Tiana-Crew auf einen Drink ein. Diesmal entscheiden wir uns für den langen, steilen Weg in den Ort. Doch kurz hinter dem Hafenbüro überholt uns ein Pick-up, stoppt und läd zum Mitfahren ein. Ich bekomme den Alters- und weiße-Hose-Bonus und darf vorne beim Fahrer Platz nehmen. Die anderen steigen hinten auf die Ladefläche auf und müssen sich ganz schön festhalten, als es mit Karacho den Berg hinauf geht.
Auf dem Pick-up
Auf Französisch fragt der Fahrer, ob wir Deutsche sind. „Oui“, antworte ich. „Tres bien!“ antwortet der Fahrer. „Bien?“ frage ich sicherheitshalber noch mal nach. „Oui!“ bestätigt der nette Mensch. Ich kann nur sagen:
Tres bien, die Korsen und ihr wildes, schönes Korsika!