10.06.2016 – Bosa

Am Montag, dem 6. Juni segeln wir nach Bosa. Von zwei bis fünf Bfd ist auf den 21 Seemeilen alles vertreten. Doch unser Motor hat endlich mal Ruhe! Von den 99 Litern, die wir in Alghero getankt haben, verbraucht er auf dem ganzen Törn vielleicht eineinhalb Liter. Nur beim Ab- und Anlegen muss er seinen Dienst verrichten.

Als wir uns dem Wellenbrecher an der Einfahrt in den Fluss Temo nähern, bestätigt sich, was in Rod Heikells Handbuch zu lesen ist: “ Bei den hier vorherrschenden Winden aus NW treten in der näheren Umgebung von Bosa Marina heftige Fallböen auf.“

Endlich haben wir den Wellenbrecher passiert und es wird schlagartig ruhiger. Ich rufe im Hafen an und erkundige mich nach einem Liegeplatz. Dann sehen wir auch schon jemand auf dem breiten Steg, der uns  zu einem der Finger winkt. Gleich drei Männer stehen bereit und helfen beim Anlegen. Der Käptn freut sich, dass ihm heute das Hantieren mit der schlammigen Muring erspart bleibt und wir können bequem an der Backbordseite aussteigen.

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Das Wappen von Bosa

Was die Landschaft betrifft, haben wir mit diesem Hafen wieder einen Volltreffer gelandet. Hinter uns erhebt sich ein hohes, grünes Kliff.Llinks sehen wir in der Ferne eine Festung auf einem Hügel in den Bergen. Vor uns fließt der einzig schiffbare Fluss Sardiniens, der Fiume Temo. Als die Sonne untergeht, taucht sie ihn in ein goldenes Licht.

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Abendstimmung am Temo

Erstaunlich, dass zu diesem wunderbaren Hafen nur ein Container-Gebäude gehört, in dem sich das Hafenbüro und die sogenannten Sanitäranlagen befinden. Diese bestehen aus zwei Toiletten und zwei Duschen. Die Herrentoilette ist ständig geöffnet, für das Damenklo muss man sich den Schlüssel im Büro besorgen. Die beiden Duschen befinden sich in einem sehr engen Raum mit Doppelwaschbecken, lediglich durch Duschvorhänge abgetrennt und für Männlein und Weiblein gleichermaßen zu benutzen. Für Menschen, die gern in die gemischte Sauna gehen, kein Problem!

Im Hafen treffen wir Wolfgang und Gisela aus Rostock. Seit Jahren liegt ihre Bavaria „Amica“ in Santa Theresa im Norden von Sardinien. Wolfgang erzählt uns, warum hier nur ein Container steht. Als nämlich der Hafen gebaut wurde, hat man ohne Baugenehmigung ein Sanitärgebäude und ein Cafe´ gebaut. Als das den Behörden „zugetragen“ wurde, musste alles abgerissen werden. Der Betreiber der Marina gab auf. Seinem Nachfolger wurde lediglich der „transportable“ Container genehmigt.

Sehr gespannt lege ich im Hafenbüro das Flaggenzertifikat auf den Tisch. Ohne mit der Wimper zu zucken, werden die eingetragenen Daten für die Berechnung des Liegegelds übernommen. 21 Euro für eine Nacht zuzüglich zwei Euro für die Dusche. Da kann man auch schon mal in die gemischte Sauna gehen!

Info zu den Marinas in Bosa: Wir liegen in der Marina, die sich im Fluss befindet. Den Container mit den sehr einfachen Sanitäranlagen habe ich im Text beschrieben. Es gibt hier aber auch noch die Werft Nautica Pinna, wo man ebenfalls festmachen und Reparaturen durchfühlen lassen kann. Südlich der Isola Rossa vor der Flussmündung gibt es auch noch eine Marina und den Ortsteil Bosa Marina. In der näheren Umgebung der Häfen gibt es gute Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants. WIFI habe ich in unserer Marina nicht empfangen können, weil der Zugang über einen Hotspot ständig „begrenzt verfügbar“ war.

Am nächsten Tag wandern wir am Temo entlang zum Städtchen Bosa, das am Fuße der Festung „Castello Malaspina“ liegt.

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Castello Malaspina erhebt sich in der Ferne

Es ist grün und es blüht überall. Sogar auf den nackten Felsen breiten sich Blütenteppiche aus. Die Dolden der wilden Möhre erreichen gigantische Durchmesser und die gelben Kaktusblüten leuchten mit der Sonne um die Wette.

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Kakteengarten

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Wilde Möhre

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Kaktusblüten

Leider darf man nicht zu genau in den Straßengraben und zwischen das Schilf am Fluss schauen. Gruselig, wieviel Müll dort liegt!

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Fiume Temo

Dann erreichen wir Bosa. Spaniens Dörfer waren weiß, die Hauswände und Fensterläden überwiegend makellos gestrichen. Italiens Häuser sind bunt, doch manchmal blättert hier und dort die Farbe ab. An den allgegenwärtigen Wäscheleinen flattern Hosen und Bettlaken um die Wette. Die Balkongitter sind oft rostig, doch das gehört so. Durch die engen Gassen hallt temperamentvolles Geschnatter. Dazwischen knattern die Motorroller. Die Einheimischen schauen uns offen und neugierig ins Gesicht, grüßen und lächeln. Der Tourismus hält sich in Grenzen. Man hört niederländische, französische, deutsche und – seltener – englische Töne. Alles, was wir bisher gegessen oder getrunken haben, war lecker bis superlecker. Was heißt hier: Leben wie Gott in Frankreich? Gott muss Italiener sein!

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Italienische Köstlichkeiten aus der Theke des kleinen Supermercadi

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Der Malvasier-Wein aus Bosa erinnert uns an Jerez. Auch dort wächst die Malvasier-Traube

Unsere Sympathie für diese Insel wächst und gedeiht! In einem Souvenirladen kaufen wir spontan eine „Bandiera dei 4 Mori“ für unser Boot. Die sardische Flagge mit den vier Mohrenköpfen erinnert bis heute an den erfolgreichen Widerstand gegen die Eroberung durch die Sarazenen. Zu Ehren der Insel wird sie nach unserer Rückkehr sofort unter der italienischen Gastflagge angebändselt.

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Sogar ein Modeatelier gibt es im Städtchen Bosa

Durch die verschlungenen Altstadtgassen finden wir den Weg zur Festung. Dabei kommen wir am Friedhof vorbei. Ich habe überhaupt keine Berührungsängste, wenn es um Friedhöfe geht. Für mich sind es Orte der Ruhe, die gleichzeitig viel von der Kultur eines Volkes erzählen. Ich habe in England z.B. Friedhöfe mit uralten, verfallenen Grabsteinen besucht, wo die Natur in Form tausender blauer Glockenblumen und roter Lichtnelken ein wahres Auferstehungsfest feierte. In Hamburg-Ohlsdorf gibt es thematisch abgegrenzte Begräbnisflächen, wo man sich unter anderem seine letzte Ruhestätte im Garten der Schmetterlinge oder dem Friedhof der Frauen aussuchen kann. Auf Gibraltar stand ich am Grab eines Soldaten, der in der Schlacht bei Trafalgar gekämpft hatte und dadurch bis heute ein „lebendes Zeugnis“ geblieben ist. Jetzt biege ich in den Friedhof von Bosa ab, während der Käptn schon mal langsam den Burgberg erklimmt.

Der Friedhof hier ist wie eine Stadt angelegt. Nur, dass an den Straßen keine Häuser, sondern Mausoleen oder mehrstöckige Grabkammern stehen. Hier ruhen die sterblichen Überreste ganzer Generationen von Familien, wie man an der Beschriftung der Außenwände ablesen kann. Neben dem Namen, dem Geburts- und Sterbedatum ist stets ein Bild des Verstorbenen angebracht. Sofort hat man eine Vorstellung, wer da hinter der polierten Marmorwand ruht.

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Der Friedhof

Besonders berührt hat mich das Grab des einjährigen Babys, für dessen Statue die unglücklichen Eltern sicher ein Vermögen ausgegeben haben.

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Erinnerung für ein Baby

Und dann die Grabplatte mit dem Tüllsäckchen mit Getreidesaat und Gerstenähren. Es hängt neben dem Foto einer bildhübschen, bezaubernd lächelnden jungen Frau. Mit gerade mal 45 Jahren war sie gestorben. Auf den zweiten Blick entdecke ich auch noch ein Heiligenbildchen mit Amulett, das in die Fuge ihrer Grabplatte geklemmt ist. Liebe und Fürsorge über den Tod hinaus!

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Grabbeigabe für eine junge Frau

Nun muss ich mich aber sputen, um den Käptn einzuholen!

Der Weg hinauf zur Festung ist ein Genuss. Immer wieder bieten sich wunderbare Ausblicke auf die archaische Landschaft mit den grünen Berghängen, dem blauen Band des Flusses, den bunten Häusern und dem azurblauen Meer in der Ferne.

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Blick in die archaische Landschaft

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In der Ferne leuchtet das Meer

Die mittelalterliche Burg entpuppt sich zwar als Burgruine, doch die Fresken in der kleinen Kirche aus dem 14. Jahrhundert sind sehr beeindruckend. Speziell für meinen Enkel Nick hier ein Bild von Sankt Martin mit dem Pferd. Der Bettler ist zwar nicht zu sehen, aber in der Beschreibung stand, dass der Heilige gerade vom Pferd gestiegen ist, um seinen Mantel zu teilen. Nun kann das Martinslied gesungen werden!

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Sankt Martin gibt den Halben still, der Bettler rasch ihm danken will. Sankt Martin aber ritt in Eil´ hinweg mit seinem Mantelteil.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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