Step by step geht es nach vier erholsamen Nächten in Albufeira weiter nach Osten. Wir backen heute ein großes Brötchen und schaffen gut 50 Meilen. Es ist Sonntag, der 17. Mai, als wir in die Mündung des Guadiana, dem Grenzfluss zwischen Portugal und Spanien hineinfahren. Hier endet die Algarve und Andalusiens „Costa de la Luz“ beginnt.
Voriges Jahr „parkten“ wir am portugiesischen Ufer in Villa Real de Santo Antonio. Jetzt wollen wir schräg gegenüber die spanische Marina in Ayamonte ausprobieren.
Entgegen den Angaben unseres Hafenführers „Atlantikküste – von Lissabon bis zur Straße von Gibraltar“ fließt der Guadiana keineswegs „träge dahin“. Als wir uns nach der Anmeldung im Hafenbüro an unseren endgültigen Platz an Steg F verlegen müssen, macht uns das ablaufende Wasser ganz schön zu schaffen. Kein Wunder: Es ist gerade Springzeit und der Tidenhub ist mit über drei Metern für diese Region beachtlich. Entsprechend stark ist die Strömung.
In der Marina ist noch viel Platz. Nur eine Handvoll ausländische Yachten liegen verstreut an den Pontons. Einer der Hafenmeister spricht sogar deutsch, der andere Englisch. Das kleine, saubere Sanitärgebäude haben wir morgens fast immer für uns allein. Sogar Waschmaschine und Trockner sind vorhanden. Da wird sofort die Bettwäsche abgezogen und zum Spottpreis von fünf Euro gewaschen und getrocknet. Auch die portugiesische Gastflagge, die seit letztem Jahr unter unserer Saling flatterte, bekommt ein Süßwasserbad und verschwindet nach dem Trocknen in der Schublade. Wer weiß, ob sie jemals wieder den blauen Himmel Portugals erblicken wird!
Nur ein paar Schritte entfernt können wir im Supermarkt „El Jamon“ nicht nur Schinken sondern auch alles andere, was das Seglerherz begehrt gut und günstig einkaufen.
Doch zunächst muss Heinz mal wieder in den Mast klettern. Seit sich im starken Seegang vor der Lagune von Faro die Abdeckkappe des Topplichts samt Windex gelockert hatte, blickten wir unterwegs ständig besorgt den Mast hinauf. Und dann baumelte auch noch der Radarreflektor an nur einem Kabelbinder an der Want! Schließlich fiel er mit einem lauten Plumps auf´s Deck, wo er wie durch ein Wunder vor der Reling liegen blieb. Jeder Skipper weiß aus Erfahrung, dass alles, was nicht niet- und nagelfest ist, mit fast hundertprozentiger Sicherheit Neptun geopfert wird. Aber eben nur fast!
Nun ist die Abdeckkappe festgeklebt und der Radarreflektor zusätzlich zu neuen Kabelbindern durch Schnüre gesichert. Auch Kabelbinder werden Opfer des UV-Lichts!
Schon im Vorjahr hatten wir Ayamonte eine kurze Stippvisite abgestattet. Nun wollen wir diese hübsche, quirlige Kleinstadt im typisch spanischen Baustil noch einmal genauer erkunden. In der Nähe der Marina entdecken wir inmitten eines Parks einen kleinen Zoo. Zu unserer Verwunderung wird kein Eintritt verlangt. Gelangweilt liegen Tiger und Löwe in der Ecke ihres Geheges. Die Paviane lausen sich hingebungsvoll und die Braunbären strecken in der Hitze alle Viere von sich. Nur die Papageien haben ein schattiges Plätzchen im „Palmenjungle“.
In den verwinkelten Gassen der Stadt reihen sich kleine Geschäfte aller Art aneinander. In den Fruterias leuchten uns die frischen Kirschen und Erdbeeren an. Spezialitätenrestaurants mit dem wunderbaren Fleisch der in freier Natur aufwachsenden Schweine, die auch den Ceranoschinken liefern, locken den Skipper. Wir kehren in einem dieser Lokale ein. Im „Meson Juan Macias“ wird auf der „piedra“, dem heißen Stein, das dünn geschnittene, fein marmorierte Schnitzel kurz gebraten und mit frischem Salat serviert. Für mich gibt es einen Teller gegrilltes Gemüse mit „Patatas fritas“ (Pommes). Die junge Spanierin, Kellnerin und Köchin in einer Person, strahlt uns an, als wir ihre Kochkünste kräftig loben. In Spanien fragt man den Gast nicht, ob es geschmeckt hat, freut sich aber über ein Kompliment.
Bevor es weiter geht, kehren wir noch einmal nach Portugal zurück. Mit der 10-Uhr- Fähre fahren wir am Samstag über den Grenzfluss hinüber nach Villa Real de Santo Antonio. Nach einer Viertelstunde betreten wir portugiesischen Boden. Wir wollen weiter zum geschichtsträchtigen Ort Castro Marim, doch der Bus dorthin fährt erst um 12.05 Uhr. Also frühstücken wir erstmal am Marktplatz an der Kirche und erinnern uns, wie wir hier voriges Jahr eine prächtige Prozession und eine Flamenco-Vorführung am Abend mit anschließendem „Danz op de Deel“ erlebt haben. Für uns gibt es hier nicht viel Neues zu entdecken. Also überrede ich Heinz, die drei Kilometer nach Castro Marim zu laufen. Ein gutes Stück können wir der stark befahrenen Straße entkommen, indem wir einen Feldweg durch die Salzwiesen am Ufer des Guadiana finden. Dann müssen wir doch noch am Straßenrand entlang wandern, entdecken aber auch hier jede Menge interessanter Fotomotive. Erst „laufend“ erschließen sich dem Naturliebhaber die vielen kleinen und großen Schönheiten am Wegesrand!
Unser bester Wegweiser nach Castro Marim sind die gewaltigen, auf zwei Hügeln verteilten Festungsanlagen. Es ist einer der ältesten Orte der Algarve. Phönizier, Griechen, Römer und Araber haben hier ihre Spuren hinterlassen. Der älteste Teil des „Castillos“ ist wahrscheinlich maurischen Ursprungs. Zur Verteidigung des Hafens – heute verlandet – und der Stadt, wurde im Mittelalter von König Afonso III ein Schloss drum herum gebaut, das die einstigen Herren fernhalten sollte. Später errichtete König Dinis hier den Hauptsitz des Christusritterordens, der den Orden der Templer ersetzte. Wo die ihre Spuren hinterlassen haben, zieht es den Skipper unwiderstehlich hin! In Tomar, wohin dieser Militärorden später verlegt wurde, waren wir bereits auf unserer Portugalreise in den Neunzigern. Nun steht Heinz beeindruckt an der Ursprungsstätte, wo auch
Heinrich der Seefahrer zeitweise als Gouverneur des Ordens lebte.
Mir gefallen von hier oben besonders die Ausblicke über die zweite Festungsanlage, den Ort, die Salzwiesen, die Salinen und die Hügel mit den Olivenhainen. In der Ferne leuchtet das weiße Ayamonte, und die Autobahnbrücke über den Fluss erinnert mich an unsere schöne Spanienrundreise vor wenigen Wochen. Wie verschwenderisch blühten da noch die Wiesen unter den Oliven und Korkeichen! Nun hat es schon lange nicht mehr geregnet. Es ist tagsüber sehr heiß und der Wind trocknet die Erde langsam aus. Gewaltige Disteln öffnen ihre violetten Blüten zur Freude der Insekten. In den Parks und entlang der Straßen erblühen die Jacaranda-Bäume strahlend blau und leuchten wie die sprudelnden Wasser des Guadiana im Sonnenschein. Auch an der Bushaltestelle im Ort steht ein solches Prachtexemplar von Baum. In seinem Schatten warten wir auf den Bus, fahren zurück zur Fähre und sagen Portugal nun wohl endgültig „Ade“.
Jacaranda-Blüten
Am Donnerstag hat sich der kräftige Nordwind beruhigt. Es geht 34 Meilen weiter nach Mazagon am Rio Odiel, der aus Huelva kommend hier mündet. Hier gibt es viel Strand, Schirmkiefern, Ferienhäuser, einige Hotels und Ruhe.
Unsere Stegnachbarn aus Ayamonte legen sich vor dem Hafen vor Anker. Doch warum sollen wir für 11,77 Euro auf den Komfort eines Liegeplatzes verzichten? Auch hier waren wir schon im vorigen Jahr, sind sogar noch im Computer gespeichert. So ist der gewaltige spanische Papierkrieg relativ schnell erledigt und unsere Siesta mit einem kühlen Bier und anschließendem Schönheitsschlaf kann beginnen.
Am nächsten Morgen können wir in Ruhe frühstücken. Die Tankstelle öffnet erst um 9:30 Uhr und Diesel werden wir bestimmt benötigen, denn es weht nur ein schwaches Lüftchen und das auch noch aus der falschen Richtung. Als wir um zehn Uhr auslaufen, wird aus dem schwachen Lüftchen zunehmend ein starkes Windchen, das sich gegen das auslaufende Wasser des Odiels stemmt. Mit heftigem Auf und Ab arbeitet sich Anima mea hinaus auf den Atlantik. In solchen Momenten würden wir unseren Motor gerne in den Arm nehmen, wenn er nur nicht so heiß wäre!
Vor uns liegen rund 30 Meilen bis Chipiona. Der Weg dorthin gleicht einem Hindernislauf, denn das Meer ist flächendeckend mit Fischerfähnchen bestückt. Ein Netz oder eine Leine in der Schraube wären bei diesen Windverhältnissen der Supergau!
Kurz vor Chipiona dreht der Wind auf West. Jetzt, wo wir da sind, könnten wir schön segeln! Der Tag ist noch lange nicht vorbei, Chipiona kennen wir schon vom vorigen Jahr und morgen soll schon wieder schwacher Ostwind herrschen. Also wird der Kurs geändert. Schnell in den Wind drehen, die Segel hoch und Motor aus. Ruhe, Wellenplätschern, kühle Brise, Sonnenschein und beste Laune! Nach zehn Meilen geht es in die Bahia de Cadiz. Vor uns liegt „Neuland“, denn hier waren wir noch nie. An Backbord passieren wir die Marinebasis Rota mit dem gleichnamigen Fischerort und einer Marina. An Steuerbord steuert ein Kreuzfahrtschiff gerade Cadiz an. Mittlerweile hat der Wind wieder zugenommen und gedreht. Mit fünf Windstärken bläst er uns entgegen. Also schnell Segel bergen und unter Motor zur Marina Puerto Sherry, deren Einfahrt ebenfalls an Backbord am Ende einer scheinbar endlos langen Mole liegt. Auf ihrem Ende steht ein großer Leuchtturm. Dort kommt gerade eine kleine Fähre heraus, die nach Cadiz hinüber steuert. Nun steuern wir direkt unter dem Leuchtturm in den Vorhafen. Links sehen wir einen Ponton. Wahrscheinlich der Anlegesteg für die Fähre. Rechts entdecken wir die eigentliche Einfahrt in die Marina. Gleich dahinter ist die Tankstelle mit Anlegesteg. Dann folgen die Pontons mit den Yachten. O ha! Ganz schöne Kaliber dabei! Was sind wir doch ein kleines Licht! – Doch wo ist bloß der Wartesteg bzw. das Hafenbüro? Es ist mittlerweile 20:00 Uhr und kein Mensch weit und breit zu sehen. Also erstmal an der Tankstelle fest machen. – Den ersten Menschen entdecke ich „um die Ecke“ auf einem großen, schwarzen Holzboot. Es wird gerade restauriert. Leider spricht der nette Mann kein Wort Englisch. Ich versuche es auf Spanisch. Er versteht, dass wir tanken wollen und telefoniert schließlich mit dem Tankwart, worauf ich zu erklären versuche, dass wir lediglich an der Tankstelle parken und einen Hafenplatz brauchen. Er telefoniert wieder und schließlich tauchen zwei „Marineros“ auf. Jetzt erfahren wir, dass das Hafenbüro bereits geschlossen ist, sich in dem Leuchtturm auf der Mole befindet und der vermeintliche „Fähranleger“ der Besuchersteg ist. Also müssen wir uns wohl dahin verlegen? Natürlich nicht! Es wird wieder eifrig telefoniert und ein passender Liegeplatz gefunden. B 21 oder 19 stehen zur Verfügung, je nachdem, was besser anzusteuern ist. Die Marineros eilen an Land voraus, zeigen uns, in welche „Gasse“ wir einbiegen müssen und helfen beim Festmachen an B 21. Sehr nettes Hafenpersonal! Landstrom können wir vorerst nicht anzapfen. Da brauchen wir einen Adapter. Bevor uns die Kühlbox die Batterien leerlutscht, wird sie abgestellt. Muss eh mal abtauen, der Eisklotz, der sich da immer bildet!
Der Leuchtturm auf der Mole von Puerto Sherry
Am nächsten Morgen stehe ich um 8:30 Uhr am Leuchtturm auf der Matte. Die übliche Anmeldeprozedur bei der netten Dame im Hafenbüro (der englischen Sprache mächtig) ist schnell erledigt. Ich bekomme einen Stadtplan von „El Puerto de Santa Maria“, der kleinen Stadt in der Nähe der Marina. Dann gibt sie mir gegen 75 Euro Kaution einen riesigen Adapter für unser Elektrokabel. Einen Code für die Sanitärgebäude gibt es auch noch. Und wie komme ich durch das Gate am Steg? Sie zeigt mir die vielen kleinen Bildschirme, die die ganze Marina Tag und Nacht bewachen. Wenn ich vor der Tür stehe, muss ich ein Knöpfchen drücken, dann sieht man mich im Büro und nach der „Gesichtskontrolle“ wird geöffnet.
Freudig übergebe ich Heinz den Adapter. In der Kühlbox, die nicht mehr kühlt, wird langsam die Butter weich. Es würde zu weit führen, alles zu erklären, jedenfalls kann der Skipper mit dem guten Stück nichts anfangen. Also zurück zum großen Turm. So sehen sie wenigstens den Skipper von Angesicht zu Angesicht und machen auch ihm die Tür auf. – Die nette Dame erkennt sofort das Problem und telefoniert mit einem „Marinero“. Kaum sind wir am Steg zurück, versucht er, unseren Stecker mit dem Adapter zu verbinden, was ganz schön schwierig ist und dauert! Nach der Bastelarbeit kommt die besorgte Frage des Skippers, ob er das alles selbst wieder auseinander montieren soll, wenn wir in ein paar Tagen ablegen. Nein, das macht natürlich der „Marinero“! Wir sind begeistert von der spanischen Hilfsbereitschaft, hoffen jedoch, dass derartige Probleme demnächst ausbleiben. Liegt vielleicht daran, dass Puerto Sherry die wohl älteste Marina an der Costa de la Luz ist und somit auch nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik.
Jedenfalls liegen wir hier „warm und trocken“. Es soll wieder ordentlich aus Osten blasen, aber das kümmert uns im Moment wenig. Wir werden die nächsten Tage in der Bahia de Cadiz verbringen und wünschen allen Lesern in nah und fern: Frohe Pfingsten!