So ist das beim Segeln: Manche Orte möchte man verlassen, weil die Bedingungen (Wind, Tide) genau passen, und dann muss man trotzdem bleiben. Aber darüber will ich erst am Schluss berichten.
Nachdem wir am vergangenen Donnerstag, dem 19.06. von Lezardrieux aus wieder den Fluss Trieux hinunter fuhren, folgte uns eine Amel 40 , die uns irgendwie bekannt vorkam. Tatsächlich, es war die „ Beryll Grey“ mit den beiden Gentlemen, die wir vorher in St Quay getroffen hatten. Sie hatten wohl im Tidenhafen von Lezardrieux gelegen. „Hello!“ – „Hello!!“ – „Wo wollt ihr hin?“ – „Zur Ile de Brehat!“-„Wir wollen nach Treguir!“-„Da kommen wir demnächst auch hin!“ ging es zwischen unseren Schiffen hin und her. Dann bogen sie auch schon in Richtung der kleinen Insel ab, während wir etwas weiter nördlich auf Westkurs gingen. Nachdem wir das Fahrwasser „Grande Passe“ erreicht hatten, steuerten wir in die Mündung des „Riviere de Treguier“. Gut zu wissen, dass man hier bei jedem Gezeitenstand eine zwei Meter tiefe Fahrrinne vorfindet, denn rechts und links davon breiteten sich bereits die trocken gefallenen Uferzonen des Flusses aus. Am ersten Ponton machten wir fest und genossen den stillen Sommerabend im sonnenbeschienenen Cockpit.
Am nächsten Tag bummelten wir durch die „Petite Cite de Caractere“, wie sich das 3000 Einwohner zählende Städtchen Treguier im Touristenprospekt auch nennt. Viele bunte Fachwerkhäuser, kleine Geschäfte mit regionalen Erzeugnissen und eine der schönsten Kathedralen der Bretagne prägen das Ortsbild. In dieser beeindruckenden Kirche befindet sich die prächtige Grabstätte des heiligen Yves, Schutzpatron der Richter. An jedem 18. Mai wird Treguier von vielen Gläubigen aus ganz Europa besucht, die an der Prozession „Grand Pardon de St Yves“ teilnehmen.
Für dieses Großereignis waren wir leider einen Monat zu spät. Doch am nächsten Tag pilgerten wir immerhin in die zur Fußballkneipe umdekorierte Pizzeria im Stadtzentrum, um das WM-Spiel Ghana/ Deutschland hautnah am Riesenflachbildschirm zu erleben. Als das 2:2 über die Runden gebracht worden war und Müller blutüberströmt vor dem Tor lag, lud uns die deutsch-englischsprechende Runde neben uns an ihren Tisch ein. Es waren die Eigner einer 52-Fuß Aluminium Yacht , die uns sofort aufgefallen war, als wir in Treguier einliefen. Außerdem lernten wir noch einen der Inhaber der französischen Werft „Boreal“ kennen, die diese Yacht in Treguier gebaut hatte sowie einen Kunden der Werft, der sich gerade eine ähnliche Yacht bauen ließ. Am nächsten Tag, es war Sonntag, durften wir das schöne Schiff auch von innen bewundern. Für alle, die mit einer Aluyacht liebäugeln: Außen wie innen findet man keinen Schnick-Schnack. Alles ist sehr hochwertig, edel und schlicht verarbeitet. Wegen ihrer Stabilität und ihres geringen Tiefgangs (Schwert) ist die Yacht für alle Segelreviere dieser Welt geeignet. Allerdings würde sie kaum in einem dänischen Hafen einen Platz finden, weshalb wir doch lieber bei unserer Anima mea bleiben. Dem freundlichen Eignerpaar wünschen wir allzeit gute Fahrt! Wasser unter dem Kiel braucht ihr ja nicht unbedingt, da ihr trocken fallen könnt.
Der andere Werft-Kunde vom Vorabend kam übrigens am gleichen Morgen zu einem kurzen Besuch zu uns an Bord, bevor er nach Hause zurück reiste. Er lebt seit vielen Jahren in Holland, ist jedoch gebürtiger Deutscher aus – jetzt wird´s wieder lustig – REMSCHEID! Dort hat Heinz einige Zeit gelebt und mit Zeitungsdrucken sein Studium finanziert. Natürlich kannte unser Gast den „Remscheider Generalanzeiger“. So klein ist die Welt!
Auch wir mussten weiter. Wenig Wind, aber guter Strom brachte uns schnell unserem 42 Seemeilen entfernten Ziel entgegen. Die „Sept Iles“ ließen wir an Steuerbord. An Backbord erfreuten wir uns an den roten, rundgeschliffenen Felsen der Cote de Granit Rose mit ihren bekannten Orten Perros-Guirec, Ploumanac`h, Tregastel und Trebeurden. Hier erreichten wir die Baie de Lannion und danach die Baie de Morlaix.
Vor dem Fährhafen von Roscoff setzten wir den vorgeschriebenen Funkspruch ab und baten um die Erlaubnis, in die Marina einzulaufen. Als Antwort kam nur ein lautes Rauschen. Dann eben ohne Erlaubnis! Um 21.40 Uhr machten wir in der superneuen, supermodernen Bloscon-Marina fest. Sie wurde erst dieses Jahr fertig, es wird allerdings noch in verschiedenen Räumlichkeiten gewerkelt. Leider sind auch die Waschmaschinen und Trockner noch nicht installiert. Aber ansonsten ist alles pikobello! (www.plaisancebaiedemorlaix.fr)
In unmittelbarer Nähe der Marina befindet sich zwischen und auf den Felsen ein wunderschöner Garten mit farbenprächtigen exotischen Pflanzen.
Das hübsche Städtchen Roscoff ist 20 Minuten Fußmarsch entfernt. Schilder, auch hier stets in Französisch und Bretonisch beschriftet, weisen den Weg. Vom alten Hafen – bretonisch: Porzh Kozh- kann man in 15 Minuten zur Ile de Batz übersetzen. Sicher wird dem einen oder anderen bei starkem Seegang auch mal kotzübel…
Natürlich ist auch in Roscoff die Kirche eine der Hauptsehenswürdigkeiten. Das Kerlchen, das dort so respektlos unter der Decke hängt, möchte ich euch nicht vorenthalten. Es schert sich wohl nicht um die vielen Heiligen, die hier in der Bretagne zahlenmäßig den Rekord halten.
Bemerkenswert zu Roscoff ist auch, dass sich hier das Zentrum der Thalassotherapie befindet. Aus den Algen, die im klaren Meerwasser gedeihen, werden medizinische und kosmetische Produkte hergestellt.
Um Roscoff herum breiten sich die Gemüsefelder aus. Neben Artischocken wachsen hier auch die rosa Zwiebeln, die bis 1930 von den bretonischen Männern zu den Kunden nach England gebracht wurden. Mit schwer beladenen Fahrrädern gelangten sie mit der Fähre dorthin. Kaum zu glauben, wie sie es durchhielten, mit diesen einfachen Rädern bergauf und bergab durch die englische Landschaft zu fahren! Die Engländer tauften diese Männer „Johnnies“. Immer wieder findet man alte Fahrräder, angelehnt an Häuser oder Mauern, die an diese Zeit erinnern.
Vorgestern fuhren wir dann auch per Bus quer durch die Zwiebel- und Artischockenfelder ins Landesinnere nach Morlaix. Die Baie de Morlaix, in der ja die Bloscon-Marina liegt, hat ihren Namen von dem Fluss Morlaix, der hier mündet. Die gleichnamige Kleinstadt nennt sich zu Recht auch „Cite d´art et d´histoire“. Sie liegt in einem Tal und wird von einem beeindruckenden Eisenbahnviadukt überspannt.
Im Mittelalter war Morlaix das größte Handelszentrum der Bretagne. Davon zeugen unter anderem die prächtigen „Laternenhäuser“, die teilweise mit Schieferschindeln verkleidet sind.
Gestern sollte es dann mit dem ersten ablaufenden Wasser um sieben Uhr morgens nach L´Aber-Wrac´h weitergehen. Am Vorabend ging ich noch einmal kurz ins Internet und entdeckte, dass im Kontoauszug eine Abbuchung über 300 Euro angekündigt wurde. Empfänger: Die Bloscon-Marina. Wir hatten aber lediglich für 30,38 Euro zwei Kanister Diesel an der Selbstbedienungstankstelle getankt und per Karte bezahlt. Dieser Posten tauchte im Kontoauszug überhaupt nicht auf. Jetzt, um 22:00 Uhr, war niemand mehr im Hafenbüro. Erst morgen früh um 7:00 Uhr würde es wieder geöffnet sein. Natürlich standen wir dort pünktlich auf der Matte, doch bis alles geklärt war – die Einzelheiten bezüglich der Diskussionen, die Rennerei zwischen unserem Schiff und dem Hafenbüro sowie die Emails und Telefonate zwischen uns und unserer Bank kann ich gar nicht in allen Einzelheiten beschreiben – war der Tag rum. Leider schlug auch das Wetter um. Heute wurden 30,38 Euro vom Konto abgebucht, der Posten mit den 300 Euro hat sich in Luft aufgelöst. Wir haben seit heute eine stabile Westwind-Lage und L´Arber-Wrac´h – siehe Textanfang – fällt mindestens bis nächste Woche ins Wasser.
Immerhin haben wir heute Abend in einer Bar am Porzh Kozh das Spiel Deutschland/USA geschaut. War nicht übel!