
Kurz vor Dartmouth wurden wir doch noch nass, doch als wir in die Flussmündung des River Dart einfuhren, erglühte der bewölkte Himmel wieder im Abendrot. Es wurde schon langsam dunkel, als wir zwischen den wilden Felsformationen hindurch in den Fluss hineinfuhren.
Nun tauchte links an den Felsen Dartmouth Castle, das Schloss aus dem Jahre 1488 auf, rechts ebenfalls schlossähnliches Gemäuer. Wie gemalt! Doch dann ein Glitzern! Wow!
Den Hang hinauf links das erleuchtete Dartmouth, rechts Kingshead. Einfach märchenhaft!
Nun kam der unangenehme Teil.
Wir brauchten einen Liegeplatz, doch die Darthaven Marina schien hoffnungslos überfüllt. Und welche Pontoons (das sind im Wasser schwimmende Anlegeplätze ohne Landverbindung) waren jetzt für Besucher? Es waren so viele und alle voller Schiffe, denn die Regatta-Woche stand bevor.
Im Reeds, der „Bibel“ für Langfahrtsegler, stand, dass auf den Besucherpontoons blaue Flaggen mit einem schwarzen V wehen, doch in der zunehmenden Dunkelheit waren sie nicht zu erkennen. Wir drehten unsere Runden und endlich entdeckte ich an einem Pontoon eine Lücke. Wir passten hinein! Endlich fest! Schnell noch was essen und ab in die Koje.
Am nächsten Morgen begrüßten uns strahlender Sonnenschein und ein gut gelaunter englischer Pontoonnachbar. Wir erfuhren, dass wir an einem privaten Pontoon festgemacht hatten und suchten uns schnell einen Platz am gegenüberliegenden Visitor-Pontoon. Ein deutsches „Willkommen!“ und hilfreiche Hände beim Anlegen in der maßgeschneiderten Lücke. Wieder eine Engländerin, die einmal in Deutschland gelebt hatte und sich freute, wieder mal deutsch sprechen zu können!
Nach dem Anlegen bestaunten wir diesen wunderschönen Ort bei Tageslicht. Kurze Zeit später bat ein englisches Paar mit seiner Dufour 34 darum, bei uns längsseits gehen zu dürfen. Wie immer, kommen wir gleich ins Gespräch. Sie sind aus Plymouth, unser nächstes Ziel. Gleich bekommen wir Tipps, wo es in der Umgebung am schönsten ist. Dann verschwindet das Pärchen mit dem Dinghi an Land.
Nun besucht uns der Patrol Officer mit seinem Bötchen und kassiert 31 Pfund Hafengeld für 2!!! Tage, dazu gibt es einen mehrseitigen Wetterbericht, nützliche Informationen und natürlich: Hilfsangebot, falls wir es brauchen. Allerdings haben wir lediglich einen Müllbehälter „vor der Tür“, keinen Strom, kein Wasser und kein Sanitärgebäude. Wir sitzen ja sozusagen auf einer Insel und unser Dinghi liegt zusammengefaltet an Deck. Wir machen es uns gemütlich und genießen die schöne Umgebung vom Cockpit aus.
Auch am nächsten Morgen strahlt wieder die Sonne vom Himmel.
Wir frühstücken draußen, unsere Nachbarn von der „White Elff“ ebenfalls. Währenddessen beobachten wir die Ruderregatten, die vor unserer Nase ausgetragen werden. Hier in Dartmouth befindet sich in einem schlossähnlichen Gebäude übrigens auch eine der berühmtesten englischen Marineschulen, das „Britannia Royal Naval College“, an dem Marine-Offiziere trainiert werden. Die dürfen dann später auch den blau grundierten Union-Jack am Heck ihrer privaten Segelyacht zeigen, während der normalsterbliche Brite die rotgrundierte Flagge über die sieben Weltmeere fährt. Solche äußerlichen Merkmale, um die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe zu demonstrieren, sind in England anscheinend beliebt. So erkennt man an einer bestimmtem Art von Autokennzeichen auch, ob man einen der hier zahlreich vertretenen oberen Zehntausend vor sich hat. Solche Kennzeichen kosten den wohlhabenden Briten gerne mal 5000 Pfund, doch die dazugehörigen Automobile übersteigen diese Summe um ein Vielfaches! Doch wer hier oder gar im benachbarten Salcombe lebt, hat keine Geldsorgen. Ganz im Gegensatz zu vielen Engländern, die sich teilweise mit drei oder vier verschiedenen Jobs über Wasser halten müssen. Dies verriet uns heute wiederum ein deutschsprechender Brite, der in Deutschland lebt und gerade seine deutschstämmige Mutter hier in Dartmouth besucht. Die alte Dame lernten wir gestern mit einem ihrer Söhne und dessen Frau und Töchtern hier am Pontoon kennen. Sie war in den Sechzigern als Au-pair über Frankreich nach England gekommen, arbeitete hier im Hotelgewerbe und heiratete einen inzwischen verstorbenen Briten. Auch ihr Sohn bietet an, uns mit dem beeindruckend großen Schlauchboot an Land zu bringen, doch wir haben ja schon das Angebot unseres Nachbarn, der uns in seinem kleinen Dinghi an Land rudert.
Wir schlendern durch den zauberhaften Ort, besuchen die schöne alte Kirche, dann folgen wir dem ansteigenden Weg hoch zum Castle und der St. Petrox Kirche aus dem zwölften Jahrhundert. Hier grüßt an jeder Ecke das Mittelalter, doch die Landschaft erinnert uns an Küstenorte an der italienischen Riviera oder an Korsika. Mit einem Wassertaxi gelangen wir nach diesem wunderbaren Ausflug zurück an Bord. Mit einem „Have a save trip!“ verabschieden sich die netten Nachbarn von uns. Sie wollen nach Salcombe, zu den Millionären. Vielleicht sehen wir uns ja in Plymouth wieder?