Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön….
Na ja, jetzt wird es langsam wieder schön und lustig, aber es kann manchmal auch aufregend werden! Nachdem wir nach einem netten Abend mit der Wadje-Crew Dordrecht verlassen hatten und uns an der nächsten Brücke zwecks Öffnung in Wartestellung begaben, näherte sich eines der ebenfalls wartenden Schiffe. Der holländische Skipper rief uns zu, dass er gerade über Funk eine Unwetterwarnung aufgefangen hatte. Also kehrten wir wieder zum Hafen zurück und machten vor der kleinen Brücke vor der Hafeneinfahrt fest. Auch einige andere Boote flüchteten hierher, denn bedrohliche Gewitterwolken zogen in kürzester Zeit am Himmel auf, um bald, begleitet von Blitz und Donner, ihre Fluten auf uns herunter zu schütten. Nach 1 ½ Stunden war der Spuk vorbei und am Nachmittag machten wir in Willemstad im Jachthafen „De Batterij“ bei strahlendem Sonnenschein fest. Hier – in diesem ebenfalls hübschen Festungsstädchen – endet offiziell die „Staande Mastroute“.
Am nächsten Tag ging es durch die Volkeraksschleuse ins Volkerak, dann durch die Krammerschleusen in die Gewässer Zijpe, Mastgat , Keeten und Oosterschelde, wo uns an Steuerbord die Seelandbrücke grüßte. Hier hatten wir früher einige Male schöne Kurzurlaube in Zieriksee verbracht. Erinnerungen, die 35 Jahre zurücklagen, wurden wach. Damals hätten wir nicht im Traum daran gedacht, auf eigenem Kiel hier unterwegs zu sein! Dann bogen wir auch schon rechts ab ins Veerse Meer, wo wir beim WSVW Wolphaartsdijk am „Passantensteiger“ (Warteplatz für Besucher) längsseits gingen.
Inzwischen hatten wir Montag, den 29. Juli. Gegen Mittag legten wir ab Richtung Walcherenkanal. Eine Schleuse und fünf nervige Brücken (Es dauerte!!!), dann waren wir in Vlissingen. Beim V.V.W. „Schelde“ direkt hinter der Keersluisbrug war es – wie immer- sehr voll und wir mussten mit einem Dreierpäckchen Vorlieb nehmen. Nun wollten wir erst mal ein wenig ausruhen. Gute Entscheidung, denn am Dienstag entwickelte sich ein Sturm, der in Spitzen 8 Bf erreichte. Auch am nächsten Tag blieben wir noch. Heinz tat unserem braven Motor etwas Gutes und machte einen Ölwechsel, ich füllte den Proviant beim Supermarkt „Jumbo“ auf. Am ersten August ging es dann durch die Seeschleuse in Vlissingen hinaus auf die Westerschelde. Zuerst querten wir das Verkehrstrennungsgebiet mit Südkurs, dann zogen wir in Küstennähe mit einem Strom von Segelyachten in Richtung Zeebrügge, unserem anfänglichen Ziel. Doch Wind und Strom entwickelten sich zunehmend günstig für uns und mit Rauschefahrt von bis zu 7,3 Knoten entschieden wir uns, bis Oostende zu laufen, wo wir um 17.30 Uhr vom Hafenmeister des Royal North Sea Yacht Club an die Boje 33 gelotst wurden, an der wir achtern festmachten. Hier lagen wir nun, „eingequetscht“ zwischen einer Jeanneau 43 DS und einer X-Yacht 42. Am späten Nachmittag machten wir einen Landgang, obwohl Heinz über leichtes Unwohlsein klagte.
Wir bummelten durch das belebte Seebad Oostende. Hier war ich in den 60iger Jahren sehr oft mit meinen Eltern gewesen, da hier belgische Freunde wohnten. Hier hatte ich die Nordsee zum ersten Mal gesehen. Hier gab es stets was Leckeres zu essen, vorzugsweise Seezunge, frisch gefangen. Und natürlich Fritten, noch besser als in Holland. Die belgische Küche ist schon sehr französisch, aber etwas deftiger. Die Kathedrale glühte in alter Pracht im Abendsonnenschein und ich überredete Heinz zu einem Abendessen bei „Petrus“ direkt unter der prächtigen Kirche. Obwohl Heinz nicht der Fischesser ist, entschloss es sich für einen Krabbensalat, ich – natürlich – für Seezunge. Es schmeckte köstlich!
Guter Dinge schlenderten wir zu unserer Anima mea zurück, die das Auf und Ab von Ebbe und Flut im Hafenbecken übte. Doch in der Nacht überfiel Heinz Übelkeit und Schwindel. Am nächsten Morgen konnte er sich kaum auf den Beinen halten. Er blieb erstmal in der Koje, den Spuckeimer in der Nähe. Ich ging schnell zum Duschen.
Als ich zurückkam, ging es dem Skipper noch nicht besser, trotzdem wollte er zum Duschen. Ich packte die am Vorabend eingeweichten Poloshirts in eine Plastiktüte, um sie im Waschhaus auszuspülen. Auf mich gestützt, schleppte sich Heinz dann vom Schiff herunter über den endlos erscheinenden Steg die Gangway hinauf ins Waschhaus, wo er in der Dusche verschwand und sich mehrmals übergeben musste. Dann kam er – trotz Bräune- kreidebleich, mit kaltem Schweiß auf der Stirn heraus. Mir und dem Hafenmeister wurde es angst und bange. Der Hafenmeister rief kurz entschlossen den Rettungsdienst, der kurz danach mit „Tatütata“ eintraf. Heinz kam auf die Bahre, ich mit (tropfender) Plastiktüte auf den Beifahrersitz. Dann ging es mit „Tatütata“ ins Krankenhaus. Blutuntersuchung, EKG und CT folgten, doch Gott sei Dank wurde weder Herzinfarkt noch Schlaganfall diagnostiziert. Es war wohl die Hitze und der Magen (Vielleicht die Krabben?).
Ein Taxi brachte uns mit (noch immer tropfender) Plastiktüte zurück zum Hafen. Gut, dass der Pfleger Heinz noch eine Brechschale in die Hand gedrückt hatte, sonst wären Reinigungskosten für das Taxi angefallen. So kostete es incl. Trinkgeld 10 Euro, dann war Heinz froh, wieder in seine Koje zu kommen. Nach der Einnahme von „MCP-Tropfen“ besserte sich sein Zustand allmählich, so dass wir heute unseren Törn in Richtung Frankreich fortsetzen können. Wir hoffen auf eine schöne, lustige Seefahrt!